Der Oberste Gerichtshof segnet die umstrittene Gesundheitsreform ab, in Havanna eröffnet Amerika eine Botschaft, der Kongress bewilligt ein Schnellverfahren für Handelsverträge – und jetzt ist auch das Atomabkommen mit dem Iran unter Dach und Fach: Zu sagen, der US-Präsident hätte eine Glückssträhne, wäre eine masslose Untertreibung.
Barack Obama ist im Begriff, Geschichte zu schreiben.
Dabei sah es noch im vergangenen Herbst zappenduster für den US-Präsidenten aus. Bei den Zwischenwahlen verlor seine Partei, die Demokraten, die Mehrheit im Senat. Das Abgeordnetenhaus wird schon seit 2010 von den Republikanern beherrscht. Diese tragen ihre Abneigung, um nicht zu sagen ihren Hass, gegen den amtierenden Präsidenten offen zur Schau. Allgemein wurde daher angenommen, dass Obama für den Rest seiner Regierungszeit eine «lahme Ente» sein würde, ein machtloser Präsident.
Das Gegenteil ist eingetroffen. Barack Obama, der sich den Ruf eines Schönredners eingehandelt hatte, wurde plötzlich zum Action-Held: Gegen den Widerstand der Republikaner normalisierte er die Beziehungen zu Kuba. Gegen den Widerstand der eigenen Partei boxte er im Kongress ein Schnellverfahren zur Abwicklung der Handelsverträge TPP und TTIP durch. Dazu kam noch die Gunst der Stunde: Der Supreme Court segnete Obamacare, das von den Konservativen so gehasste Krankenversicherungsgesetz, endgültig ab.
Mit dem Iran-Deal hat Obama auch sein wichtigstes aussenpolitisches Ziel erreicht. Zwar muss das Abkommen noch vom Kongress bewilligt werden. Doch Obamas Chancen stehen gut. Selbst wenn der Kongress die Zustimmung verweigern sollte, kann der Präsident sein Veto dagegen einlegen, und er hätte danach wahrscheinlich genug Stimmen, um eine Zweidrittels-Mehrheit gegen dieses Veto abzublocken. (Sorry, das US-Politsystem kann gelegentlich sehr verwirrend sein. Hier der Link.)
Das Abkommen mit dem Iran wird grosse wirtschaftliche und geopolitische Folgen haben. Bereits sinkt der Ölpreis, denn weil nun die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, ist einer der grössten Player wieder auf dem Ölmarkt.
Weniger Freude wird man in Israel an der Einigung haben. Premierminister Benjamin Netanjahu hat alles unternommen, um dieses Abkommen zu verhindern. Im vergangenen Herbst ist er gar eigens nach Washington gereist, um vor dem Abgeordnetenhaus eine Brandrede dagegen zu halten. Dass Netanjahu und Obama persönlich das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben, ist hinlänglich bekannt.
Genauso heftig ist der Widerstand gegen eine Versöhnung mit dem Iran in Saudi-Arabien. Die Sunniten in Riad haben allmählich Panik vor dem wachsenden Einfluss der Schiiten in Teheran auf das Geschehen im Nahen Osten. Der US-Präsident hat deshalb den vorwiegend sunnitischen Staaten am Persischen Golf umfangreiche Waffenlieferungen zugesagt.
Trotzdem: Unter dem Strich ist das Atomabkommen mit dem Iran ein bedeutender Schritt in Richtung Weltfrieden. Präsident Barack Obama mag den Friedensnobelpreis zu früh erhalten haben – aber wie sich jetzt zeigt: zu Recht.