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Der chinesische Präsident Xi Jinping weilt in diesen Tagen in London. Es ist kein gewöhnlicher Höflichkeitsbesuch. China verfolgt einen langfristigen Plan: den Aufbau einer neuen Seidenstrasse. Dabei spielt auch der Finanzplatz London eine entscheidende Rolle.
In China hat sich in den letzten Jahrzehnten das wohl grösste Wirtschaftswunder in der Geschichte der Menschheit ereignet. Aus Maos Steinzeitkommunismus wurde die Werkhalle der Weltwirtschaft und die mittlerweile zweitgrösste Volkswirtschaft. Dabei ist in Peking auch ein riesiger Schatz angehäuft worden. Die Devisenreserven bei der Bank of China werden auf rund 4000 Milliarden Dollar geschätzt.
China will diesen Schatz nicht einfach horten, es will zumindest einen Teil davon für den Aufbau eines sehr ehrgeizigen Projekts verwenden, den Bau einer modernen Seidenstrasse. Die alte Seidenstrasse diente dem Handel. Es wurden auf diesem Weg nebst Seide auch Gewürze und Glas von Asien nach Europa transportiert. Die neue Version ist eine Art Marshallplan mit chinesischen Charakteristika, ein gewaltiges Entwicklungsprogramm, von dem sich China neue Märkte und politischen Einfluss erhofft.
Um diesen Entwicklungsplan voranzutreiben, hat China eine Konkurrenz zum Internationalen Währungsfonds gegründet, die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB). Damit sollen die einzelnen Projekte finanziert werden. Sehr zum Ärger der Amerikaner sind die Briten dieser Bank beigetreten.
Erste Projekte der neuen Seidenstrasse sind bereits in Angriff genommen worden, neue Häfen in Sri Lanka, Bangladesch und Pakistan beispielsweise. Dabei werden eigene Ziele verfolgt.
China ist zwar inzwischen der grösste Werkplatz der Welt, sein Finanzplatz hingegen ist ausbaufähig, um es höflich zu sagen. Daher hat China ein grosses Interesse an der City of London, dem zusammen mit der Wall Street bedeutendsten Finanzzentrum der Welt. Die Briten wiederum sind scharf darauf, Chinas Banker in der westlichen Welt zu werden. «Beide Regierungen wollen, dass London der wichtigste Umschlagplatz für den Handel und das Clearing mit Renminbi wird», stellt George Magnus, ökonomischer Berater der UBS, fest.
So weit der Plan. In der Praxis läuft es nicht ganz so geschmiert. Chinas Wirtschaft befindet sich im Umbau und ist krisenanfällig geworden. Das Wachstum ist – für chinesische Verhältnisse ungewohnt – unter sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken. Die Börse in Shanghai erlitt in diesem Sommer einen bösen Rückschlag, ein Crash konnte nur dank dem Eingreifen des Staates verhindert werden.
Das Vereinigte Königreich plagen andere Sorgen. Voraussichtlich im kommenden Jahr werden die Briten über ein EU-Referendum abstimmen. Was ursprünglich von Premierminister David Cameron als Befreiungsschlag geplant war, ist zur Zitterpartie geworden. Es ist inzwischen denkbar, dass sich die Briten für einen EU-Austritt entscheiden.
Das wiederum würde die Attraktivität der City of London für die Chinesen massiv beeinträchtigen. «Es würde Londons Kapazität als Finanzzentrum beschädigen, weil es zu Gesetzesänderungen führen würde, die viele Euro-Geschäfte abwandern liessen», stellt Magnus fest. «Und es würde die britische Wirtschaft neuen Risiken aussetzen, die Chinas Investoren abschrecken würden.»
Historisch interessierte Beobachter können in dem Besuch von Xi Jinping an der Themse auch ein Symbol sehen: Die aufstrebende Supermacht China braucht die City of London, um ihre ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen. Die ehemalige Supermacht Grossbritannien braucht das chinesische Kapital, um sich von Europa abzunabeln. Beide gehen dabei ein beträchtliches politisches Risiko ein.