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Wer die Welt heute verstehen will, muss wissen, was eine Blockchain ist

Wer die Welt heute verstehen will, muss wissen, was eine Blockchain ist

Ob es uns passt oder nicht: In der neuen digitalen Wirtschaftsordnung werden Blockchains eine zentrale Rolle spielen. Doch wie funktionieren diese überhaupt?
16.04.2015, 14:4616.04.2015, 15:35
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Nüchtern betrachtet ist alles simpel: Eine Blockchain (Blockkette) ist eine Datenbank, die sich nach vorgegebenen Regeln selbst aufdatiert. Für eine wachsende Schar von IT-Enthusiasten ist eine Blockchain aber weit mehr: Es ist der Schlüssel zu einer neuen und viel besseren Welt.

Aber der Reihe nach: Blockchains sind zentraler Bestandteil der Kryptowährung Bitcoins. Es handelt sich dabei um ein riesiges Kassabuch, in dem alle Transaktionen in Echtzeit abgeglichen werden. So wird verhindert, dass es zu Doppelbuchungen kommt.

Ein riesiges, dezentrales Kassabuch

Dieses Kassabuch ist kein zentraler Moloch, es wird vielmehr dezentral verwaltet. Jedermann und jede Frau können ihren Rechner zur Verfügung stellen, um die riesige Anzahl von Transaktionen abzuwickeln. Er oder sie können dabei darauf hoffen, als Gegenleistung mit Bitcoins belohnt zu werden.

Diese Belohnung erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Ein ausgeklügeltes Verschlüsselungssystem verhindert, dass die vom Kassabuch erfassten Teilnehmer ermittelt werden können. Die einzelnen Transaktionen sind jedoch bis ins Detail transparent und können deshalb minutiös nachvollzogen werden. 

Kryptowährungen wie Bitcoins sind ihrem Charakter nach ähnlich wie Bargeld oder Gold. Man kann damit direkt und anonym im Internet Zahlungen abwickeln und dabei exakt verfolgen, wohin eine Zahlung fliesst. Das ist fundamental anders als etwa bei Kreditkarten, wo man letztlich darauf vertrauen muss, dass die Kreditkartenfirma die Transaktion ordnungsgemäss durchführt. Sie tut dies zudem nicht gratis, sondern gegen eine happige Gebühr.

Woher Blockchain ihren Namen hat

Der Name «Blockchain» ergibt sich aus dem Umstand, dass die einzelnen Transaktionen zusammengefasst und in Blöcken abgewickelt werden. Das zentrale Kassabuch kann man daher mit einem Gestein vergleichen. Die einzelnen Schichten werden blockweise erfasst und aufeinander geschichtet. Keine einzige Zahlung – und sei sie noch so klein – geht dabei verloren.

Drei entscheidende Vorteile zeichnen das neue System aus: Erstens können Transaktionen in Echtzeit abgewickelt werden. Zweitens erfolgen sie anonym und drittens braucht es für dafür keine Zwischenhändler wie Banken oder Kreditkarteninstitute.

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Bild: watson/Shutterstock Quelle: Spiegel

Cypherpunk ist salonfähig geworden

Die Blockchain-Technologie ist zwar ein Kind der so genannten Cypherpunk-Szene, einer Gruppierung von Techno-Anarchisten. Doch sie ist im Begriff, salonfähig zu werden. Im Londoner In-Viertel Canary Warf befindet sich «Level 39», der Hotspot der so genannten Fintech-Szene. Dort versammeln sich nicht nur junge IT-Nerds in bunten Turnschuhen und Hoodies, die an einem neuen Geldsystem der Zukunft basteln. Auch die etablierten Banker lassen sich neuerdings gerne dort blicken.

Die UBS hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie sich an einem Blockchain-Labor beteiligt hat. Andere Grossbanken wie JPMorgan und Goldman Sachs entwickeln ebenfalls ein lebhaftes Interesse an der Fintech-Szene. Inzwischen hat das Fintech-Fieber auch die Schweiz erfasst. Die CS hat soeben zusammen mit der «Finanz und Wirtschaft» eine sehr gut besuchte Veranstaltung zu diesem Thema durchgeführt. Finanzjournalisten werden mit Einladungen zu ähnlichen Treffen bombardiert.

Software ersetzt das Back office

Das Interesse ist verständlich, das System hat enormes Potenzial. Blockchains können nicht nur für Kryptowährungen verwendet werden, sondern auch das bestehende System revolutionieren. Das Abrechnen von Derivaten und komplizierten Verträgen, das heute oft noch Tage dauern kann, könnte so automatisiert und viel effizienter gestaltet werden. Das nach wie vor sehr aufwändige «Back office» der Banken könnte entschlackt und durch Software ersetzt werden.

Das neue IT-Wunderkind: Vitalik Buterin.
Das neue IT-Wunderkind: Vitalik Buterin.bild: flickr

Nicht nur das Geldsystem wird in Zukunft dank Blockchains revolutioniert werden. Das System lässt sich auf die verschiedensten wirtschaftlichen Bereiche übertragen. Verträge könnten beispielsweise auf diese Weise abgeschlossen werden, aber auch Versicherungen – ja selbst die gesamte Gesellschaft. Dies zumindest ist der Traum von Vitalik Buterin, einem 21-jährigen russischen IT-Wunderkind.

Das Ziel: eine dezentralisierte autonome Gesellschaft

Buterin ist in Toronto aufgewachsen, arbeitet heute mehrheitlich in Berlin und ist das Aushängeschild der in Baar bei Zug domizilierten Firma Ethereum. Buterin will mit Hilfe von immer ausgeklügelteren Blockchains eine «decentralized autonomous society» errichten. Darunter versteht er eine Gesellschaft, in der weder ein mächtiger Zentralstaat noch mächtige internationale Konzerne das Sagen haben, sondern unser Leben von raffinierten und nicht korrumpierbaren Algorithmen gesteuert wird.  

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