Nach den haltlosen Twitter-Anschuldigungen gegen Barack Obama hat Donald Trump ein neues Opfer gefunden: Susan Rice, die ehemalige Sicherheitsberaterin seines Vorgängers. Sie habe wahrscheinlich ein Verbrechen begangen, erklärte er am Mittwoch, selbstverständlich ohne Beweise dafür vorzulegen.
Susan Rice wird vorgeworfen, sie hätte bewusst die Namen von Mitgliedern des Trump-Wahlkampfteams «unmasked», will heissen: Durch die Geheimdienste offenlegen lassen. Die ehemalige Sicherheitsberaterin hat jedoch mit grösster Wahrscheinlichkeit völlig legal gehandelt.
Das kümmert Trump nicht. Er setzt vielmehr auf die Taktik, die Wladimir Putin erfolgreich anwendet. Der russische Präsident setzt nicht auf plumpe Propaganda, sondern auf totale Verwirrung. Sein ehemaliger PR-Chef Wladimir Surkow war ein Meister dieses Faches. Der TV-Journalist Peter Pomerantsev, der zehn Jahre lang in Russland gearbeitet hat, schildert diese Taktik in seinem Buch «Nichts ist wahr und alles ist möglich» wie folgt:
Totale Verwirrung ist nun auch zur Allzweckwaffe des Trump-Teams geworden. Da es inzwischen unmöglich geworden ist, zu leugnen, dass Russlands Geheimdienste massiv in den US-Wahlkampf eingegriffen haben, versucht das Weisse Haus, so viele gegensätzliche Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen, dass normale Menschen die Übersicht verlieren.
Zunächst wurde verbreitet, nicht die US-Geheimdienste, sondern die Briten hätten Trump abgehört. Das war so absurd, dass es bald stillschweigend wieder fallengelassen wurde. Deshalb geht man jetzt auf Susan Rice los. Die ehemalige Sicherheitsberaterin von Barack Obama wird beschuldigt, sie habe sich die Namen von US-Bürgern geben lassen, welche bei Kontakten zu russischen Agenten abgehört wurden.
Die US-Geheimdienste dürfen diese Namen nur auf Geheiss bekannt geben. Susan Rice hatte die Befugnis für ein «unmasking», will heissen: Sie konnte diese Namen enthüllen. Jetzt wird ihr vorgeworfen, sie hätte gezielt nach Mitgliedern des Trump-Wahlkampfteams geforscht und deshalb habe der 45. Präsident zu Recht getweetet, er sei abgehört worden.
Rice hat diesen Vorwurf in einem Interview mit dem TV-Sender MSNBC plausibel entschärft. Wenn die Geheimdienste zufällig einen US-Bürger abhören, der mit der russischen Botschaft telefoniert, dann kann es unter Umständen sehr wichtig sein, seinen Namen zu kennen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass in diesen Gesprächen weder das Wetter noch Sportresultate diskutiert werden, sondern Dinge, welche die Sicherheit des Landes betreffen oder kriminell sind.
Genauso absurd wie der Inhalt des Unmasking-Vorwurfs ist auch seine Entstehung. Nachdem FBI-Direktor James Comey anlässlich eines Hearings im Kongress bekannt gab, dass tatsächlich eine Ermittlung gegen das Trump-Team im Gange sei, erhielt Devin Nunes, Vorsitzender des «House Committee on Intelligence», eine rätselhafte Einladung aus dem Weissen Haus. Dieser Ausschuss untersucht die Vorgänge rund um die russische Einmischung. Nunes ist ein republikanischer Abgeordneter aus Kalifornien, Vertrauter von Donald Trump und war Mitglied des Übergangsteams.
Nunes eilte ins Weisse Haus, wo ihm zwei Mitarbeiter geheime Dokumente zeigten, die ein angeblich illegales und politisch motiviertes Unmasking von Susan Rice beweisen. Tags darauf ging Nunes mit diesen angeblichen Beweisen zu Trump, der umgehend per Tweet verkündete, er sei tatsächlich abgehört worden.
Mit anderen Worten: Nunes holte sich «Beweise» aus dem Weissen Haus, um sie dann gewaschen wieder zurückzutragen. Das war so plump, dass der Comedian Bill Maher zu Recht spottete, Devin sei der dümmste Export aus Kalifornien seit den Dianetics, der Lehre der Scientologen.
Rund um die Russland-Affäre hat sich mittlerweile auch ein Medienkrieg entfacht, der täglich schmutziger wird. Auf der einen Seite stehen dabei die Mainstream-Medien – «New York Times», «Washington Post», «CBS», «CNN», «MSNBC», etc. –, auf der anderen «Fox News», «Breitbart», gelegentlich unterstützt vom «Wall Street Journal» und obskuren Alt-Right-Blogs.
Die liberalen Mainstream-Medien fördern täglich neue Details über die Verstrickungen von Mitgliedern des Trump-Teams mit Russland zutage. «Fox News» & Co. versuchen verzweifelt, die Aufmerksamkeit auf die Leaks zu lenken, will heissen: Sie versuchen das Ausplaudern von kriminellen Taten krimineller zu machen als die Tat selbst.
Der Medienkrieg ist so zu einem Stellvertreter-Krieg geworden. Neuerdings steht dabei Bill O’Reilly im Mittelpunkt. Die «New York Times» enthüllte in ihrer Wochenendausgabe, dass der «Fox-News»-Starmoderator mehrere Frauen sexuell belästigt und dass der Sender bisher 13 Millionen Dollar Schweigegelder an andere Frauen ausbezahlt habe, um allfällige Klagen zu verhindern. Inzwischen haben verschiedene Werbekunden ihre Spots aus O’Reillys Show abgezogen.
Inzwischen droht das Ganze aus dem Ruder zu laufen. Die USA befinden sich am Rande eines politischen Ausnahmezustandes. Das hat auch eine positive Seite: Die Russland-Affäre muss aufgeklärt werden – und sie wird es auch werden. Das FBI hat soeben eine Sondereinheit zu diesem Zweck eingerichtet. Trump mag zwar Putin imitieren, doch die USA sind nicht Russland. Die «checks and balances» funktionieren noch.