Grundsätzlich ist das «Wall Street Journal» Donald Trump wohlgesinnt. Doch nach der peinlichen Niederlage des republikanischen Kandidaten Roy Moore muss der Präsident nun Schelte einstecken. «Das Resultat der Wahlen zeigt, dass Tausende von Republikanern, speziell Frauen in den Vorstädten, entweder zuhause geblieben sind oder Mr. Jones (den Demokraten, Anm. d. Red.) gewählt haben», stellt das Blatt fest.
Moore war im Vorfeld der Wahl von mehreren Frauen beschuldigt worden, er habe sie sexuell belästigt, als sie noch minderjährig oder Teenager waren. Die Anschuldigungen waren so glaubwürdig, dass sich selbst die Führung der Grand Old Party (GOP) zunächst von Moore distanzierte.
Lisa Murkowski, republikanische Senatorin aus Alaska, erklärte gar: «Ich hoffe, die Menschen aus Alabama schicken Moore nicht nach Washington.»
Nicht so Trump: Er rief öffentlich dazu auf, den wahrscheinlichen Kinderschänder zu wählen. Das mochten die Frauen von Alabama nicht mehr hinnehmen. Sie verweigerten Moore die Unterstützung und fügten der GOP die bisher schlimmste Niederlage in der Ära Trump bei.
Der Backlash der Frauen gegen Trump war schon vor Jahresfrist erwartet worden. Im Oktober 2016 wurde das legendäre Video «Access Hollywood» veröffentlicht. Darin brüstet sich Trump damit, den Frauen zwischen die Beine greifen zu dürfen, «weil er ein Star» sei.
Die Konversation zwischen ihm und dem TV-Moderator Billy Bush ist derart frauenverachtend, dass man sich nicht mehr vorstellen konnte, dass dieser Widerling auch nur eine weibliche Stimme erhalten würde. Eine Mehrheit der weissen Frauen wählte trotzdem Trump.
Nun aber kommt die Rache der Frauen mit voller Wucht. Das ist kein Zufall. Wenn die US-Medien in den letzten Monaten nicht über die russische Einmischung in die Wahlen berichtet haben, dann befassten sie sich mit sexueller Belästigung. Ob TV-Moderator Bill O’Reilly, Filmproduzent Harvey Weinstein oder Senator Al Franken – alle mussten zurücktreten, weil Frauen sie öffentlich des «sexual harassment» beschuldigten.
«Fox News» beging dabei einen verhängnisvollen strategischen Fehler: Weil Weinstein als Linksliberaler gilt und Franken Demokrat ist, widmete der Trump-hörige TV-Sender diesem Thema speziell viel Sendezeit, wohl in der Hoffnung, auch die sexuellen Verfehlungen von Bill Clinton wieder in Erinnerung zu rufen. Die Clintons sind in der rechtskonservativen Szene zum Symbol für alles Böse auf dieser Welt geworden.
Statt Clinton gerät jedoch nun Trump in Schwierigkeiten. Mehr als ein Dutzend Frauen haben ihre Anschuldigungen wiederholt, er habe sie sexuell belästigt. Kirsten Gillibrand, eine demokratische Senatorin aus New York, fordert deshalb, dass auch der Präsident bei der Ethik-Kommission des Kongresses vortraben müsse. Wie immer reagierte Trump dumm. Er beleidigte Gillibrand in einem Tweet und nannte sie eine Schlampe.
Lightweight Senator Kirsten Gillibrand, a total flunky for Chuck Schumer and someone who would come to my office “begging” for campaign contributions not so long ago (and would do anything for them), is now in the ring fighting against Trump. Very disloyal to Bill & Crooked-USED!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 12. Dezember 2017
Für die Republikaner wird Trumps Frauenproblem zu einer schweren politischen Hypothek. Die GOP ist zerstritten. Es gibt die Globalisten und die Nationalisten. Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon, der Anführer der Nationalisten, hat sich vehement für Roy Moore eingesetzt. Die republikanische Parteiführung hingegen hat sich in der Vorwahl für den Gegenkandidaten Luther Strange ausgesprochen. Trump hat sich auf die Seite von Strange gestellt, nach dessen Niederlage jedoch die Seite gewechselt.
Bannon gilt nun zwar als «Loser», doch es ist damit zu rechnen, dass er seinen Kampf gegen das Parteiestablishment nicht nur fortführen, sondern sogar intensivieren wird. Wie wird sich Trump verhalten? Er sitzt nun zwischen Stuhl und Bank.
Zudem haben die Wahlen in Alabama wie zuvor in Virginia gezeigt, dass Trumps Unterstützung den republikanischen Kandidaten nichts nützt. Das könnte Auswirkungen für die Zwischenwahlen im kommenden November haben. Eine demokratische Mehrheit nicht nur im Senat, sondern auch im Abgeordnetenhaus ist realistisch geworden.
Nicht nur als Wählerinnen werden Frauen eine zentrale Rolle spielen. Mary Anne Marsh, eine Beraterin der Demokraten, rechnet damit, dass sich Frauen massenhaft für einen Sitz in einem politischen Gremium bewerben werden. «Frauen übernehmen die Kontrolle», sagt Marsh in der «Washington Post». «Hält dieser Trend an, werden wir 2018 eine weibliche Flutwelle erleben.»