In William Shakespeares Tragödie «King Lear» verzweifelt ein König an den Intrigen seines Hofes und seiner Kinder und wird schliesslich wahnsinnig. An Intrigen mangelt es im Weissen Haus in der Ära Trump definitiv nicht – und die Kinder am Hof werden immer mehr zu einer Belastung für den Präsidenten. Aber der Reihe nach:
Der Streit zwischen dem Präsidenten und seinem Justizminister ist wieder neu entfacht. In einem seiner berüchtigten Tweets hat Donald Trump Jeff Sessions vorgeworfen, dass er keinen zweiten Sonderermittler ernennt, um die angeblichen Verfehlungen des FBI in der Russlandaffäre und den Clinton-E-Mails zu untersuchen. Trump nannte Sessions Vorgehen «ein Schande».
Anders als im vergangenen Sommer hat der Justizminister nicht seine andere Backe hingehalten. Damals hatte er die Demütigungen des Präsidenten stillschweigend geschluckt. Diesmal wies er ihn öffentlich in Schranken: «So lange ich Justizminister bin, werde ich meine Pflichten integer und mit Ehre erfüllen», erklärte er. «Und mein Amt wird seine Arbeit in fairer und unbestechlicher Manier ausführen, wie Gesetz und Verfassung das verlangen.»
Politisch ist der Streit mit dem Justizminister für den Präsidenten katastrophal. Sessions ist ein Hardliner und auch bei der Trump-Basis sehr beliebt. Er war zudem mehr als 20 Jahre lang Senator und hat im Senat viele Freunde, gerade in der rechtskonservativen Fraktion.
Würde Trump ihn entlassen, wäre es mehr als fraglich, ob der Senat einen Nachfolger seiner Wahl bestätigen würde. Rod Rosenstein, der stellvertretende Justizminister, würde somit das Amt interimsmässig ausführen. Trump käme vom Regen in die Traufe: Es war Rosenstein, der den Sonderermittler Robert Mueller ernannt hat, und beide will Trump um jeden Preis loswerden.
Politisch unverständlich ist Trumps Vorgehen in der Waffenfrage. Nachdem er zunächst auf die Linie der National Rifle Association (NRA) eingeschwenkt schien, geht er nun überraschend auf Konfrontationskurs mit der Waffenlobby. In einem live am TV übertragenen Hearing mit Vertretern aus beiden Parteien sprach er sich für schärfere Abklärungen bei Waffenkäufen und für einer Erhöhung des Alter auf 21 Jahre. Ja, er schien gar vorzuschlagen, Waffen wie die halbautomatische AR-15 gänzlich zu verbieten. In den Augen der NRA sind dies Todsünden.
Der Aufschrei der Waffenlobby war denn auch unüberhörbar. Ben Sasse, ein Hardcore-Konservativer und republikanischer Senator aus dem Bundesstaat Nebraska, erklärte wutentbrannt: «Wir lassen doch nicht unsere von der Verfassung garantierten Schutzmassnahmen fallen, nur weil der Letzte, der mit dem Präsidenten heute gesprochen hat, sie nicht mag.» Das Trump-hörige Onlineportal «Breitbart» titelte gar: «TRUMP THE GUN GRABBER» (etwa: Trump will uns die Gewehre wegnehmen).
Wie ernst Trump seinen Kampf gegen die Waffenlobby meint, wird sich allerdings weisen müssen. Er ist ein Meister der Devise: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern» und kann morgen schon wieder das Gegenteil vertreten.
Ändern kann Trump hingegen nicht, dass ihn seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Scharen verlassen. Das jüngste Beispiel ist seine Kommunikationschefin Hope Hicks. Dieser Verlust dürfte ihn besonders schmerzen. Das ehemalige Fotomodell gilt als seine engste Vertraute, ja er soll sie gar als eine Art Tochter betrachten.
Hicks ist möglicherweise auch eine gefährliche Mitwisserin in der Russlandaffäre. Als Grund für ihren Rücktritt nannte sie «harmlose Lügen», die sie in ihrem Amt ab und zu hätte machen müssen.
Eine dieser Lügen allerdings war vielleicht nicht ganz so harmlos. Sie betrifft Vorgänge rund um die E-Mails von Donald Trump jr. im Zusammenhang mit dem ominösen Treffen mit verschiedenen Russen im Trump Tower im Juni 2016. (Die Details sind gruselig und sehr juristisch. Es geht im Wesentlichen darum, ob Trump die Untersuchung dieser Vorfälle wissentlich behindert hat.)
Hope Hicks ist auch eine enge Freundin von Ivanka Trump. Damit sind wir im innersten Kreis angelangt und gleichzeitig bei der Trumps grösster Baustelle. Sie betrifft seinen Schwiegersohn Jared Kushner. Obwohl er der wichtigste Berater des Präsidenten ist, darf er keine Geheimberichte mehr zu Gesicht bekommen.
Er hat vom FBI dafür keine Freigabe erhalten. Das FBI hat Gründe: Kushner kann offensichtlich Politik und eigene geschäftliche Interessen nicht auseinanderhalten. Es heisst, er hätte grösste Schwierigkeiten, seine Hypothekarschulden zu refinanzieren und sei deshalb erpressbar.
Tatsächlich hat das Magazin «New Yorker» kürzlich enthüllt, dass chinesische, arabische und israelische Diplomaten bewusst versucht haben, Kushner in Geschäfte zu verwickeln. Nun hat die «New York Times» auch aufgedeckt, dass der Schwiegersohn im Weissen Haus Hedgefonds-Manager und Banker empfangen hat, die ihm danach grosse Kredite gewährten.
Kein Wunder, dass sich auch der Sonderermittler Robert Mueller intensiv um Kushner und dessen Geschäfte kümmert. Und Donald Trump hat allen Grund, wahnsinnig zu werden.