Einer der vielen Jobs, die Präsident Donald Trump seinem Schwiegersohn Jared Kushner übertragen hat, ist die Leitung des Komitees «White House Office of American Innovation». Konkret geht es darum, den riesigen Verwaltungsapparat effizienter und kostengünstiger zu machen. «Die Regierung sollte wie ein grossartiges amerikanisches Unternehmen geführt werden», umschreibt Kushner denn auch das Ziel des Komitees. Die Wahrscheinlichkeit, dass er scheitern wird, ist gross.
Dass Trump auf die Fähigkeiten eines Unternehmers schwört, ist logisch. Als Immobilientycoon hat er es zu einem Milliardenvermögen gebracht – allerdings mit ein bisschen Starthilfe von seinem Vater –, und im Wahlkampf hat er seinen Wählerinnen und Wählern versprochen, dass selbst die komplexesten Probleme spielend leicht lösbar sind, wenn sie im richtigen, sprich unternehmerischen Geist angegangen werden.
Als Beispiel führte er gerne die Kunsteisbahn im New Yorker Central Park an. Jahrelang hatte sich die Stadtverwaltung vergebens um eine Renovation bemüht. Dann bekam er Mitte der Achtzigerjahre den Auftrag und erledigte ihn innerhalb von sechs Monaten, ohne das Budget zu überschreiten und mit einem Bruchteil des vorher vergeudeten Geldes.
Solche Anekdoten sind in der Businesswelt weit verbreitet und sehr beliebt. Sie beweisen das heiss geliebte Vorurteil von Managern und Unternehmern, wonach Politiker nicht nur korrupt und faul sind, sondern auch von Wirtschaft keine Ahnung haben und deshalb das Geld des geplagten Steuerzahlers verschleudern; vor allem die naiven linken Gutmenschen.
Geld ist in diesen Kreisen ohnehin das Mass aller Dinge. Künstler, Wissenschaftler und Sportler werden geachtet, Einkommen und Vermögen sind letztlich der einzig wahre Massstab für den Erfolg. Trump hat sehr viel Geld, und er hat auch seinen Stab mit Superreichen vollgestopft. Eine kürzlich veröffentlichte Liste über die Vermögensverhältnisse im West Wing, dem Regierungstrakt des Weissen Hauses, brachte an den Tag, dass dort noch nie so Geld versammelt war wie unter Trump.
Auch ausserhalb der Politik wirkte der Geld-Zauber. Die Business-Gemeinde reagierte euphorisch auf den Trump-Triumph, die Börsen boomten und die Unternehmer strahlten. Sowohl das Vertrauen der Konsumenten als auch der Einkaufsmanager erreichten neue Rekordwerte. Dabei hatte sich in der realen Wirtschaft nichts verändert. Allein die Tatsache, dass jetzt einer der ihren an der Macht ist, einer, der die Wirtschaft versteht, einer, der entscheiden kann und nicht ewig um den Brei herumbrabbelt, wirkte Wunder.
Jetzt folgt die Ernüchterung. Die ersten paar Monate sind ganz anders verlaufen als geplant. Trumps Muslim-Bann wurde von den Gerichten blockiert, seine Gesundheitsreform schaffte es nicht einmal bis zur Abstimmung im Abgeordnetenhaus. Der Präsident hat zwar jede Menge Dekrete erlassen, doch deren Wirkung ist eher symbolischer Natur. In Meinungsumfragen erzielt Trump wöchentlich neuste Tiefstwerte, und die Russen-Affäre ist noch längst nicht ausgestanden. Effizienz sieht anders aus.
«Mr Trump ist kaum der erste Unternehmer, der entdecken muss, dass Politik nach anderen Regeln funktioniert als die Geschäftswelt», stellt denn auch der «Economist» nüchtern fest. «Wenn ein Immobilienhandel schiefläuft, dann findet man am nächsten Tag einen Dummen. In der Politik geht das nicht so einfach.»
Politik sieht oft nur einfach aus. Das amerikanische Zweiparteiensystem beispielsweise suggeriert, dass eine Mehrheit der Regierungspartei automatisch auch Mehrheiten im Parlament bedeutet. Das ist ein Irrtum. Auch in den USA gibt es die verschiedensten Fraktionen. Auf Schweizer Verhältnisse könnte man sagen, dass die Republikaner mehr oder weniger FDP und SVP vereinen, die Demokraten CVP, SP und Grüne.
Bei der schmählichen Blamage in der Gesundheitsreform ist Trump nicht an den Demokraten, sondern an den Republikanern gescheitert. Er hat schlicht nicht erkannt, dass der erzkonservative Flügel, der so genannte Freedom Caucus, seinen Wünschen nicht folgen wollte – und er kein wirksames Drohmittel gegen sie hatte. Trump hätte, wie ein Schweizer Bundesrat, einen Kompromiss aushandeln müssen. Leider fehlt dieses Kapitel in seinem Bestseller «The Art of the Deal».
Unternehmer und Ökonomen beklagen sich oft und laut über die wirtschaftliche Inkompetenz der Politiker. Das ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Doch das Gegenteil trifft leider ebenso oft zu: Es gibt kaum Menschen, die weniger von Politik verstehen als Unternehmer und Ökonomen. Das Desaster der ersten Trump-Wochen im Weissen Haus ist daher keine Überraschung. Es war ein Unfall, der darauf gewartet hat, zu passieren.
Das bedeutet nicht, dass Unternehmer sich nicht in die Politik einmischen sollten. Sie sollten dies jedoch mit dem gebührenden Respekt tun. Die «Financial Times» bringt es auf den Punkt: «Einige der smartesten Menschen sind in der Geschäftswelt zuhause. Einige von ihnen verstehen es meisterhaft, eine Bürokratie zu managen. Sie können deshalb sehr viel Gutes bewirken, wenn sie ihre Dienste der Regierung zur Verfügung stellen. Trotzdem irrt sich Mr Kushner: Die Regierung sollte nicht wie ein grossartiges Unternehmen geführt werden. Sie sollte wie eine grossartige Demokratie gelenkt werden. Das ist weit schwieriger.»