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Jetzt kommt das Minikraftwerk für zuhause

Urs Weidmann vor seinem Minikraftwerk Econimo.
Urs Weidmann vor seinem Minikraftwerk Econimo.

Vergesst AKWs: Jetzt kommt das Minikraftwerk für Zuhause

Im Kanton Zug startet nach den Sommerferien ein Experiment, das unsere Energieversorgung revolutionieren könnte.
01.07.2017, 11:1304.07.2017, 14:01
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Als Urs Weidmann vor der Entscheidung stand, was er studieren sollte, befand sich die Welt gerade in der Erdölkrise. Hierzulande versuchte man, mit autofreien Sonntagen über die Runden zu kommen. «Es kann doch nicht sein, dass wir so vom Öl abhängig sind», sagte sich damals der junge Weidmann und beschloss, Elektroingenieur zu werden.  

30'000 Minikraftwerke können 5 AKWs ersetzen

Mehr als vierzig Jahre später steht Weidmann kurz davor, seinen Vorsatz in die Tat umzusetzen. Seine Firma Silent-Power hat ein Minikraftwerk entwickelt, das nach einem einjährigen Testlauf bereit ist, in die Massenproduktion zu gehen.

Econimo heisst das kleine Wunderwerk mit grossem Potenzial. «30'000 davon könnten alle Atomkraftwerke in der Schweiz ersetzen», sagt Weidmann. «Das wäre auch finanzierbar. Ein Econimo wird rund 50'000 Franken kosten. Das wären insgesamt 1,5 Milliarden Franken.» Zum Vergleich: Das jüngste AKW in Finnland hat bisher rund 20 Milliarden Dollar verschlungen – und ist immer noch nicht in Betrieb.  

email: robert.jaeggi@bluewin.ch
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KKW Gösgen Morgendämmerung
Winznau
September 2016 06.00 Uhr
Von: Robert Jäggi
Wird in ein paar Jahrzehnten stillgelegt: AKW Gösgen.

Bis es so weit war, musste Weidmann einige Umwege einschlagen. Bald erkannte er, dass Technik allein nicht genügt. Der begnadete Ingenieur liess sich deshalb in einem Zweitstudium zum Banker ausbilden. «Es braucht den Hebel über die Finanzen», sagt er.  

Danach heuerte er bei der Investmentbank Credit Suisse First Boston an. Dort erhielt er nach der Atomkatastrophe von Harrisburg den Auftrag, das erste geothermische Kraftwerk in den USA zu betreuen. So konnte er sich ein umfangreiches Know-how in Sachen Stromerzeugung zulegen.  

Methanol ist wie Benzin, aber ohne Nebenwirkungen

Entscheidend für Weidmann war eine Entdeckung des ungarisch-amerikanischen Chemikers George Olah. Dieser entwickelte ein Verfahren, wie man aus CO2, Wasser und elektrischem Strom Methanol herstellen kann. Olah wurde dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.  

Methanol ist eine Art synthetisches Benzin, allerdings ohne schädliche Nebenwirkungen. Es explodiert nicht und beim Verbrennen entsteht weder Russ noch Feinstaub. Stattdessen zerfällt es ganz einfach wieder in seine Ausgangsstoffe, CO2 und Wasser.  

«Jeder Bauernhof kann Methanol erzeugen.»
Urs Weidmann

Die segensreichen Qualitäten von Methanol sind in der chemischen Industrie längst erkannt. Es ist heute die weltweit am zweitmeisten gehandelte Flüssigkeit. Hergestellt wird es aus Erdgas. Führender Hersteller von Methanol ist daher Katar, das über beinahe unerschöpfliche Erdgas-Vorräte verfügt.

ZUR EIDGENOESSISCHEN ABSTIMMUNG VOM 21. MAI 2017 UEBER DAS ENERGIEGESETZ STELLEN WIR IHNEN ZUM THEMA SOLARENERGIE FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG – Photovoltaikpaneele auf dem Dach eines Gebaeud ...
Photovoltaik auf dem Hausdach eignet sich für die Produktion von Methanol.Bild: KEYSTONE

Das Methanol aus dem Persischen Golf hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Es ist nicht klimaneutral, will heissen, das CO2 wird aus der Erde geholt und danach in die Luft gepustet. Das ist im Zeitalter der Klimaerwärmung nicht mehr zu verantworten.  

Das Verfahren von Silent-Power hingegen verfolgt einen anderen Ansatz. Das CO2 stammt nicht aus Erdgas, es wird direkt aus der Atmosphäre gefiltert. Das ist heute technisch machbar. So betreibt der ETH-Spin-off Climeworks in Hinwil bereits eine entsprechende Pilotanlage.  

Ideale Partnerschaft

Methanol ist ein geradezu idealer Partner von Solar- und Windenergie. Diese Energieformen sind schwer kalkulierbar, weil Sonnenschein und Windkraft nicht im Voraus zu berechnen sind. Für die Methanol-Produktion spielt das keine Rolle. Im Gegenteil: Die Stromüberschüsse können so verwertet werden.  

Econimo ist somit beides: Ein Minikraftwerk und eine Maxi-Batterie. Mehr noch, es kann zudem noch Wärme und Kälte erzeugen, ist somit im Sommer eine Klimaanlage und im Winter eine Heizung. Das Gerät eignet sich daher für grosse Wohnhäuser, aber auch für Schulen, Bürogebäude, Hotels, etc.  

epa05606545 An undated handout picture made available on 28 October by Samsung Heavy Industries Co. shows a Suezmax oil tanker, at an unknown location at sea, South Korea, the equivalent of three tank ...
Supertanker können auch mit Methanol beladen werden.Bild: EPA/YONHAP/SAMSUNG HEAVY INDUSTRIES

Heute werden in der Schweiz rund 40 Prozent des Stromes in Atomkraftwerken hergestellt. Ein Atommeiler muss jedoch spätestens nach 50 bis 60 Jahren vom Netz genommen werden, weil der Beton unter dem dauernden Neutronenbeschuss dann rissig und die Anlage zu riskant wird. Mühleberg wird deshalb 2019 stillgelegt. Als letztes Werk wird in 20 bis 30 Jahren dieses Schicksal auch Leibstadt ereilen.  

Neue AKWs zu bauen ist wirtschaftlich unsinnig und politisch unmöglich geworden. Weidmanns Minikraftwerke könnten die entstehende Lücke füllen. Eine neue Stromversorgung zeichnet sich ab. Sie wird nach einer anderen Logik funktionieren als die bestehende: Anstelle weniger Grosskraftwerke, die den Strom mit einen komplexen Netz übers ganze Land verteilen, entsteht eine Vielzahl kleiner, dezentraler Produktionsstätten.  

Überschüssiger Solarstrom sinnvoll verwendet

«Jeder Bauernhof kann Methanol erzeugen», sagt Weidmann. Das Prinzip ist einfach: Auf Scheune und Stall werden Photovoltaik-Anlagen installiert. Das CO2 wird von Anlagen bezogen, die es aus der Luft filtern. Mit dem an Sonnentagen überschüssigen und deshalb billigen Solarstrom wird Methanol erzeugt, das sich einfach lagern und billig transportieren lässt. Dieses Methanol wird zu den Minikraftwerken gekarrt, und diese Minikraftwerke springen ein, wenn zu wenig Strom aus nachhaltigen Quellen im Netz vorhanden ist.  

Auf diese Weise erhält die Schweiz eine Stromversorgung, die klimaneutral ist. Will heissen: Es wird nicht mehr CO2 in die Luft geblasen, als von der Atmosphäre entnommen wird. Für diese Versorgung müssen keine Milliarden in ein technisch hochgezüchtetes und damit pannenanfälliges, smartes Stromnetz investiert werden. «Es funktioniert weitgehend mechanisch», so Weidmann.  

Urs Weidmann und sein Team.
Urs Weidmann und sein Team.

Die Schweiz erhält auch eine Energieversorgung, die uns davon entlastet, jährlich rund 13 Milliarden Franken an die Ölscheichs und Putin zu überweisen. Mit Methanol kann man nämlich nicht nur Strom erzeugen, man kann damit auch Auto- und Flugzeugmotoren antreiben.  

«In fünf Jahren wird in unserer Energielandschaft alles anders sein.»
Urs Weidmann

Das allerdings lässt sich nicht mit Minikraftwerken bewältigen. Weidmann denkt an eine Art Methanol-Raffinerien, die an geeigneten Orten stehen und mit billigem Strom betrieben werden, beispielsweise an ein Gezeiten-Kraftwerk auf schottischen Inseln. «Dort sind die Wellen genügend hoch, um sehr viel sehr billigen Strom zu erzeugen», sagt er. Das Methanol könnte dann mit den bereits existierenden Tankschiffen transportiert und über die bereits bestehende Tankstellen-Infrastruktur verteilt werden.  

Das mag zu gut tönen, um wahr zu sein. Doch Weidmann ist kein Träumer. Sein Leistungsausweis spricht für sich: Silent-Power ist mit erstklassigen Fachleuten bestückt, im Verwaltungsrat sitzen grosse Namen aus der Wirtschaft, seine Firma gewinnt bedeutende Innovationspreise und zu seinen Partnern zählen die Wasserwerke Zug.  

Den Ein-Jahres-Test hat Econimo problemlos überstanden. Zusammen mit den Wasserwerken Zug will Weidmann jetzt einen grossflächigen Versuch starten. Derzeit ist er dabei, das nötige Kapital aufzutreiben. «In fünf Jahren», sagt Weidmann, «wird in unserer Energielandschaft alles anders sein.»

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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7immi
01.07.2017 15:01registriert April 2014
eine spannende idee, die als weiterer baustein zu einer lösung führen könnte. schlussendlich werden wir ein zusammenspiel von zentralen und dezentralen kraftwerken brauchen, um den strombedarf zu decken. es gibt keine patentlösung, es gibt nur teillösungen, die man zusammensetzen muss. alle haben vor- und nachteile, nur durch richtige kombination kann man diese eliminieren / kompensieren. diese idee könnte einen wichtigen beitrag zur speicherung von energie beitragen. ich bin gespannt auf den grossversuch.
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FrodoBeutlin
01.07.2017 20:02registriert Juli 2017
Habt ihr eine Quelle für diese News oder ein wissenschaftlicher Artikel der dahinter steht?
Ich würde mich gerne darüber vertiefter informieren, aber mir fehlt der Link dazu.
Allgemein fände ich es sehr schön, wenn ihr bei solchen Artikeln einen Link zum vertieften informieren angeben könntet.
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rodolofo
01.07.2017 15:47registriert Februar 2016
Super Neuigkeit!
Das ist genau das Puzzle-Teil, das für eine erfolgreiche Energie-Wende hin zu den "Erneuerbaren" noch fehlte:
Eine Speichermöglichkeit von überschüssigem Strom für die Zeit, in der wenig Wind bläst und die Sonne nicht scheint, mit Methanol (Wasserstoff wäre auch noch eine Möglichkeit.)
Jetzt ist die Sache geritzt!
AKW's adee!
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