Während zweieinhalb Jahren musste die Schweizerische Nationalbank viel Kritik einstecken. Die plötzliche Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1,20 Franken im Januar 2015 liess die Landeswährung erstarken. Meist lag der Euro deutlich unter der psychologisch wichtigen Marke von 1,10 Franken, zum Leidwesen von Exporteuren, Gastgewerbe und Detailhandel.
Und nun das: Innerhalb weniger Tage machte der Eurokurs einen Sprung von 1.10 auf über 1.15 Franken. Der rasante Anstieg und die Schwächung des Frankens in dieser kurzen Zeitspanne sorgen für Furore. Was steckt dahinter? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Der Hauptgrund ist der Aufschwung in der Eurozone. Das Wirtschaftsklima ist so gut wie seit 17 Jahren nicht mehr. Alle Indikatoren zeigen nach oben, während die Arbeitslosigkeit sinkt. Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), hat einen schrittweisen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik angedeutet. Beides lässt den Euro gegenüber dem Franken erstarken.
Ein weiterer Grund ist die Schwäche des US-Dollar, der nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten einen Höhenflug erlebte. Der erhoffte Wirtschaftsboom durch Steuersenkungs- und Infrastrukturprogramme ist jedoch weit und breit nicht in Sicht. Der Dollar hat sich deshalb gegenüber Euro und Franken abgeschwächt, der Kurs liegt wieder deutlich unter 1 Franken.
Angesichts der rasanten Kursentwicklung steht der Verdacht im Raum. Experten halten es für möglich, dass die Nationalbank «den ausgedünnten Handel in der Ferienzeit» nutzte, um «den Franken mit wenig Einsatz weiter zu schwächen», so die NZZ. Konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es nicht, und die Nationalbank äussert sich nicht zu ihren Interventionen am Devisenmarkt.
In erster Linie die kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Industriebereich, die hauptsächlich in die Eurozone exportieren. Sie litten besonders unter dem starken Franken. Hoffen kann auch der Fremdenverkehr. Die Touristen aus Europa, die die Schweiz in den letzten Jahren gemieden haben, könnten zurückkehren. Für den Detailhandel ist der stärkere Euro ebenfalls ein gutes Zeichen, der Einkaufstourismus dürfte weniger attraktiv werden.
Jenen Firmen, die überwiegend im Dollarraum tätig sind – etwa aus der Pharmabranche oder der Uhrenindustrie –, könnte die schwache US-Währung einen Strich durch die Rechnung machen. Sie hebt nach Ansicht von Analysten die positiven Auswirkungen des stärkeren Euros teilweise auf.
Die Sparer können hoffen, dass sie in absehbarer Zeit wieder etwas mehr Zins erhalten werden. Allerdings hat die Erstarkung des Frankens gegenüber dem Euro den Schweizer Konsumenten eine höhere Kaufkraft beschert und die Ferien im europäischen Ausland verbilligt. Nun dürfte ein gegenteiliger Effekt eintreten, Waren aus und Ferien in Europa werden teurer.
Das hängt davon ab, ob es mit der Wirtschaft in der Eurozone weiter aufwärts geht. Und von der politischen Lage, die sich beruhigt hat. Die Wahl von Emmanuel Macron in Frankreich und die absehbare Wiederwahl von Angela Merkel am 24. September in Deutschland dürfte in den beiden wichtigsten Ländern der Eurozone für stabile Verhältnisse sorgen.
Die internationale Lage bleibt jedoch unberechenbar, und das nicht nur wegen Donald Trump. Eine Eskalation könnte zu einer erneuten Fluchtbewegung in den Franken führen. Fragezeichen gibt es auch zur Entwicklung der US-Wirtschaft, deren Aufschwung immerhin schon seit sieben Jahren andauert.
Falls die EZB aus ihrer expansiven Geldpolitik aussteigt, sind höhere Zinsen die Folge. Das verschafft auch der Nationalbank Luft, um die Negativzinsen anzuheben. Das dürfte aber nicht so schnell geschehen. Analysten gehen davon aus, dass dies frühestens Mitte 2018 oder gar erst Anfang 2019 der Fall sein wird. Immerhin scheint die Gefahr gebannt, dass die Nationalbank die Zinsen weiter ins Minus senken muss.