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«Es ist eine Realität, dass Frauen Kinder kriegen. Deshalb muss man sie nicht von der Arbeitswelt ausschliessen»

Weibliche Führungskräfte

«Es ist eine Realität, dass Frauen Kinder kriegen. Deshalb muss man sie nicht von der Arbeitswelt ausschliessen»

Sie hören nicht zu und pflegen ein antiquiertes Bild der Frau – die Männer. Das sagt Hans Weenink, ehemaliger Kadermann bei der Weltbank, und plädiert für ein Umdenken der Unternehmen.  
10.04.2014, 16:2025.06.2014, 09:52
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Sie heissen Stefanie, Daniela, Kathrin und Andrea. Sie lächeln, grüssen freundlich, erkundigen sich nach dem Wohlbefinden, verteilen Häppchen und Broschüren und informieren kompetent. Sie rackern, vielleicht zehn Stunden. «Heute werden es sicher zwölf», sagt Kathrin. Es ist Messe – Fachmesse für Personalmanagement in Oerlikon. Es ist ein sonderbarer Ort, künstlich und kalt. Nirgends kann die Hierarchie in der Arbeitswelt, das Gefälle zwischen Mann und Frau, besser studiert werden als hier. An der Spitze, da stehen die Mannen, daneben die Frauen. So sieht das aus, wie damals: Er auf dem Thron, sie daneben. 

Auf dem Podium steht Hans Weenink, der bis zu seiner Pensionierung 2012 als Kadermann Fachkräfte für die Weltbank rekrutierte, und referiert über ebendiese Ungleichheit zwischen Frau und Mann. Über den Mangel an weiblichen Führungskräften in der Arbeitswelt. Er, der aussieht wie der Rektor eines Gymnasiums mit der weichen Stimme des grossen Rudi Carrell, will, dass man ihm zuhört. Im Publikum sitzen 20 Frauen und fünf Männer. Die Frauen hängen an Weeninks Lippen, fühlen sich verstanden, nicken. Die Männer arbeiten. Ein Tontechniker, ein Mann fürs Licht, zwei Vertreter der Online-Plattform Female Focus, die den Vortrag organisiert haben – und der Journalist. Fünf Männer also.

«Männer, die mir nicht zuhören und sich dem Thema verwehren, tun mir leid.»
Hans Weenink

Herr Weenink, Sie plädieren für eine bessere Integration der Frau in die Arbeitswelt und für mehr weibliche Arbeitskräfte in Führungspositionen, aber keine männliche Seele hört Ihnen zu. Es muss frustrierend sein.
Hans Weenink: Das ist tatsächlich sehr frustrierend. Es zeigt, dass die Arbeitswelt, so wie wir sie heute kennen, noch immer von Männern dominiert wird, die nicht zuhören wollen. Dass wir immer noch nicht begriffen haben, welch wichtige Rolle Frauen in einer modernen Arbeitswelt spielen. Auch ich mache mir Vorwürfe. 

Wieso?
In meinen 40 Jahren als Personalberater in verschiedenen Branchen ist es mir nicht gelungen, meine Vorgesetzten für dieses Thema zu sensibilisieren. Auch ich habe mich dabei ertappt, zu wenig Energie darauf zu verwenden, Frauen den Zugang zu Führungspositionen zu ermöglichen. Nicht zuletzt deshalb halte ich diese Vorträge über die Zukunft der Frauen in Top-Führungspositionen. Wir müssen das Thema zuoberst auf die Agenda hieven. 

Hans Weenink.
Hans Weenink.Bild: sza

Was nützt es, wenn Männer nicht zuhören? 
Männer, die mir nicht zuhören und sich dem Thema verwehren, tun mir leid. Sie verpassen eine grosse Chance, etwas zu lernen. Männer haben einen Tunnelblick, leben in ihrer eigenen Welt und wollen nicht wahrhaben, dass sich ihre Einstellung schleunigst ändern muss. Zwar hört man immer wieder, dass sich männliche Manager für weibliche Führungskräfte stark machen. Doch vieles, was da gesagt wird, sind reine Lippenbekenntnisse. Und das, obwohl anerkannte Studien belegen, dass Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil im Management bessere Ergebnisse erzielen.

«Die Frauenquote würgt die Diskussion darüber ab, weshalb Frauen in Führungspositionen untervertreten sind.»
Hans Weenink

Hier an der Messe trifft man fast nur Frauen, die sich informieren und mit der Rekrutierung von Arbeitskräften auseinandersetzen. Das Personalwesen wird von Frauen dominiert, das letzte Wort jedoch hat immer noch der Vorgesetzte in Anzug und Krawatte. Das ist paradox. 
Ach, ich habe das so viele Male gesehen. Nur ein Bruchteil der Führungspositionen in internationalen Unternehmen haben Frauen inne. Obendrein delegieren die Männer die Rekrutierung der Arbeitskräfte an weibliche Fachkräfte. Sie sind es, die gewissenhaft ihre Arbeit erledigen, bei strategischen Entscheidungen jedoch ausgeschlossen werden. Ist die Rekrutierung schliesslich erfolgreich, reklamieren die Männer den erzielten Erfolg für sich. Es wäre doch sehr wünschenswert, eine weibliche Führungskraft dürfte die finale Entscheidung treffen.

Müssen die Männer nicht einfach zu ihrem Glück gezwungen werden? Was halten Sie von Frauenquoten?
Nichts. Ich mag es nicht, wenn eine Quote per Gesetz verordnet wird. Es ist ganz einfach: Wenn Unternehmen ihre Führungspositionen nicht schleunigst mit Frauen besetzen, haben sie verloren. Es gibt schlicht zu wenig gut qualifizierte Männer auf dem Markt. 

Auch viele Frauen lehnen die Quote ab ... 
… denn sie fühlen sich bevormundet. Die Quote würgt die Diskussion darüber ab, weshalb Frauen in Führungspositionen untervertreten sind. Genau das können wir derzeit nicht gebrauchen. Es handelt sich um ein strukturelles Problem, dem man nicht mit Mathematik beikommen kann. Und es ist absurd, anzunehmen, das Problem würde gelöst, wenn ein paar Röcke im Management sitzen. Wollen wir etwa den Männern das Gefühl geben, es sei damit getan?

In Ihrem Vortrag haben Sie immer wieder betont, dass sich die Sichtweise der Männer verändern muss. 
Männer haben eine klare Vorstellung davon, wie ein Unternehmen geleitet werden muss. Nämlich so wie vor 20 Jahren. Sie haben immer noch das Gefühl, dass sich Frauen gleich verhalten müssen wie sie – die Männer. Es geht um das Bild der Frau, das sich kaum verändert hat. 

«Männer haben eine klare Vorstellung davon, wie ein Unternehmen geleitet werden muss. Nämlich so wie vor 20 Jahren.»
Hans Weenink

Welches Bild? 
Mir sagte mal ein Verwaltungsrat, er sei auf der Suche nach einem CEO für das Ostasien-Geschäft gewesen. Die Shortlist bestand aus vier Männern und einer schwangeren Frau. Sie war die perfekte Kandidatin, um Welten besser als ihre männlichen Mitbewerber, wie mir der Verwaltungsrat versicherte. Trotzdem hat die Frau den Job nicht bekommen.

Weil sie schwanger war. 
Nicht genau. Der Verwaltungsrat dachte sich: Eine Frau, die bald ein Kind bekommt, sei wohl nicht willig, einen solch anspruchsvollen Job in einer neuen Umgebung anzunehmen. Das Absurde: Er hatte sie nicht einmal gefragt, ob sie sich das vorstellen könnte. Die Wahl fiel dann auf einen Mann.

Die Frau als Mutter, der Vater als Ernährer – basta. Ein überaus antiquiertes Rollenbild. 
Ein Rollenbild, das sich insbesondere in der Geschäftswelt hartnäckig gehalten hat. Es ist eine Realität, dass Frauen Kinder kriegen. Deshalb muss man sie nicht von der Arbeitswelt ausschliessen. Wir müssen flexible Modelle kreieren, die es Frauen erlauben, Kinder zu kriegen und gleichzeitig arbeiten zu können. Verschiedene Statistiken belegen, dass sich enorm viele Frauen vom Arbeitsleben verabschieden, weil ihnen das Arbeitsmodell nicht erlaubt, Familie und Job unter einen Hut zu bringen. 

«Wir müssen flexible Modelle kreieren, die es Frauen erlauben, Kinder zu haben und gleichzeitig arbeiten zu können.»
Hans Weenink

Wo sehen Sie solche Modelle? 
Beispielsweise im Silicon Valley, also speziell bei den Dotcom-Unternehmen. Microsoft, Facebook, Yahoo und Google. In diesen Unternehmen bekleiden viele Frauen wichtige Führungspositionen. Diese Arbeitgeber erlauben weiblichen Führungskräften mit Hilfe von flexiblen Arbeitsmodellen Schwangerschaft und Arbeit besser zu koordinieren. Solche Modelle werden sich über kurz oder lang durchsetzen. 

Zahlen und Fakten zur Schweiz (2013)
Innerhalb von fünf Jahren ist der Frauenanteil in den Verwaltungsräten von 10 auf 13 Prozent gestiegen, hält der aktuelle Schilling-Report fest. Mehr als jeder fünfte frei gewordene Sitz in einem Verwaltungsrat wurde in letzter Zeit mit einer Frau besetzt, in den SMI-Unternehmen jeder dritte vakante Sitz. In den Geschäftsleitungen dominieren die Männer: Dort stieg der Frauenanteil innerhalb von neun Jahren von 4 auf 6 Prozent. Mit Susanne Ruoff bei der Post, Jasmin Staiblin bei Alpiq und Suzanne Thoma bei der BKW zählt die Schweiz im Moment nur drei Konzernchefinnen. (sza)
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