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Zuerst ein Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron zusammen, dann ein Besuch im Weissen Haus bei US-Präsident Barack Obama, darauf Tee mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Elysée-Palast und schliesslich noch ein Höflichkeitsbesuch bei Wladimir Putin im Kreml: Fieberhaft versucht der französische Staatspräsident François Hollande eine neue «Allianz der Willigen» gegen den «Islamischen Staat» zu formen. Seine «Camembert-Koalition» steht jedoch unter keinem guten Stern.
Die USA sind der wichtigste Partner der angestrebten Koalition. Doch viel mehr als freundliche Worte kann Hollande von Barack Obama nicht erwarten. Amerika hat die Lehren aus 9/11 gezogen und seine Nahost-Politik revidiert. «Offshore balancing» heisst die neue Losung. Was das bedeutet, erklären die beiden Politologen Steven Simon und Jonathan Stevenson in der neuesten Ausgabe von «Foreign Affairs» wie folgt: «Schluss mit militärischen Operationen in Übersee und, damit verbunden, einem quasi imperialistischen Aufbauen von Nationen. Stattdessen sollen US-Interessen gezielt und fokussiert durchgesetzt werden.»
Die Zurückhaltung der USA hat mehrere Gründe: Die Abhängigkeit vom Öl ist seit dem Fracking-Boom im eigenen Land massiv zurückgegangen. Parallel dazu hat sich das Verhältnis zu Saudi-Arabien abgekühlt. Die Amerikaner haben allmählich die Schnauze voll davon, dass die Saudis nach wie vor den islamischen Fundamentalismus unterstützen und gleichzeitig die Hilfe beim Sturz des Assad-Regimes anfordern. Zudem hat der Nahe Osten wirtschaftlich für den Westen ausser Öl wenig zu bieten.
Zweifellos könnte die US-Armee die «IS»-Kämpfer in einer militärischen Operation besiegen wie einst Saddam Hussein beim Irak-Feldzug. Aber was dann? «Die militärischen Erfolge müssten politisch von der amerikanischen Öffentlichkeit unterstützt werden; eine grosse Anzahl von zivilen Experten müssten aufgebracht werden, um die Region wieder aufzubauen und zu stabilisieren; es bräuchte ein tiefes Verständnis der Gesellschaft, für welche die Vereinigten Staaten Schicksal spielen; und, am problematischsten, es bräuchte Truppen, die für die Bevölkerung und die Infrastruktur nachhaltig Sicherheit bringen würden», stellen Simon/Stevenson fest.
Kurz: Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich die USA nochmals mit Truppen im Nahen Osten engagieren und sich erneut die Finger verbrennen werden. Sie werden sich vielmehr zurückhalten in der Hoffnung, dass die unterschiedlichen Kräfte in der Region ihr Gleichgewicht selbst finden werden. Simon/Stevenson bezeichnen dies als einen Schritt zurück zur Normalität. «Der auf militärische Aktionen zentrierte Interventionismus der letzten 14 Jahre war eine Abweichung von der langen Tradition amerikanischer Zurückhaltung; er darf nicht zu einer neuen Norm werden.»
Angesichts der Brutalität des «IS» und der Tatsache, dass Selbstmordattentate kaum zu verhindern sind, ist Hollandes Hektik verständlich. Zielführend dürfte sie jedoch kaum sein. Sie überzeichnet die Gefahr des «IS» bei weitem. Ebenfalls in «Foreign Affairs» stellt der Harvard-Politologe Stephen M. Walt fest: «‹IS› wird niemals auch nur in die Nähe einer Grossmacht gelangen. Obwohl es gelungen ist, einige Sympathisanten im Ausland zu gewinnen, ist seine Ideologie engstirnig und sein Einfluss zu beschränkt, um ausserhalb von Syrien und dem Irak Wirkung zu entfalten.»
Der «IS» hat gemäss Schätzungen der US-Geheimdienste derzeit rund 30'000 Kämpfer. Er herrscht zwar über ein Gebiet, dass grösser ist als Grossbritannien, doch das meiste davon ist Wüste. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) des Kalifats wird auf zwischen vier bis acht Milliarden Dollar geschätzt. Zum Vergleich: Das BIP der Schweiz liegt bei rund 700 Milliarden Dollar. Die Staatseinnahmen des Kalifats liegen bei rund 500 Millionen Dollar. Mit anderen Worten: Wirtschaftlich ist der «IS» ein Zwerg.
Selbstverständlich muss die Welt alles daran setzen, die «IS-Terroristen» in Schach zu halten. Sie mit einem militärischen Grossaufgebot zu bekämpfen, wäre kontraproduktiv. Es würde vielmehr die gerade bei den muslimischen Fundamentalisten beliebte These eines «Kriegs der Zivilisationen» bestätigen und dem «IS» weiteren Zulauf bescheren. «Anstatt die Gefahr des IS zu hypen und damit seine eigene Propaganda zu bestätigen, täten US-Politiker besser daran, die Gruppe als untergeordnetes Problem zu betrachten, das nur bescheidene Aufmerksamkeit verdient», stellt Walt fest.
Der fatalste Irrtum der «Camembert»-Koalition liegt darin, dass sie die wahre Gefahr nicht nur übersieht, sondern gar verharmlost. Sie hat einen Namen: Wladimir Putin. Russland ist heute ein autoritärer Mafiastaat und wird von einer Clique beherrscht, die ihre Macht mit allen Mitteln verteidigt. Im Gegensatz zum «IS» hat Putin eine moderne Armee, und er hat auch Atomwaffen. In der Krimkrise hat Putin auch bewiesen, dass er schamlos lügt, um seine Ziele zu erreichen.
Putin hat alles Interesse daran, dass die vom Westen gegen Russland verhängten Sanktionen wieder aufgehoben werden und er wieder in den Kreis der G-8 aufgenommen wird. Ihm diese Chance auf dem Tablett zu präsentieren, ist nicht nur töricht. Es wäre ein Pakt mit dem Teufel.