Die griechische Regierung will nach eigenen Angaben Finanzhilfen von 53,5 Milliarden Euro beantragen, um in den nächsten Jahren ihren Verpflichtungen beim Schuldendienst nachzukommen. Im Gegenzug bietet Athen Reformen an, unter anderem bei den Renten und Steuern.
Die griechische Regierung brachte ihr Sparprogramm nach einem Bericht des staatlichen griechischen Fernsehens (ERT1) auf den Weg. Die Vorschläge seien gegen 21.30 Uhr MESZ per E-mail an den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem abgeschickt worden, berichtete der Sender am Donnerstag weiter. Wenig später bestätigte Dijsselbloems Sprecher Michel Reijns den Eingang der Vorschläge.
Die griechische Regierung veröffentlichte in der Nacht auf Freitag das 13-seitige Dokument, das sie am Donnerstagabend den Partnern der Eurozone unterbreitete. Die Vorschläge:
Athens Vorschläge kommen den Forderungen nahe, die die internationalen Gläubiger vor dem Abbruch der Verhandlungen vergangenen Monat aufgestellt hatten.
Die neuen Reformen sind Voraussetzung für ein drittes Hilfspaket, das Griechenland am Mittwoch beim Europäischen Stabilitätsmechanismus beantragt hatte. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANA berichtete, soll das griechische Parlament am Freitag darüber abstimmen, die Regierung von Alexis Tsipras auf Grundlage der neuen Vorschlagsliste mit den Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern zu beauftragen.
Für das Hilfsprogramm ist ein Zeitraum bis Ende 2018 vorgesehen. Athen fordert weiter auch Schuldenerleichterungen zur Überwindung der akuten Finanzkrise. Athen wolle eine Lösung, um seine enormen Schulden zu «regeln», heisst es. Die Staatsverschuldung hat mittlerweile rund 180 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erreicht.
Nebst dem Hilfsprogramm wirbt die Regierung in dem Papier auch um ein Investitionspaket für Griechenland im Umfang von 35 Milliarden Euro.
Auf Seite der Geldgeber-Institutionen müssen die Vorschläge aus Athen von Vertretern von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geprüft und anschliessend den Euro-Finanzministern vorgelegt werden. Diese treffen sich am Samstag.
Am Sonntag findet ein EU-Gipfel in Brüssel statt, an dem dann alle 28 EU-Staaten teilnehmen. Der Gipfel entscheidet darüber, ob Griechenland neue Kredite bekommt. Die Vorschläge seien auch wichtig, um «den Umfang des Hilfsprogramms festzulegen», verlautete von europäischer Seite.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sucht bereits nach Wegen, eine mögliche Einigung mit den Geldgebern über ein Hilfspaket durch das Parlament zu bringen, ohne einen Bruch des Regierungslagers zu riskieren. Laut der Nachrichtenagentur dpa will Tsipras die Abgeordneten seines Linksbündnisses Syriza ohne Fraktionszwang abstimmen lassen.
Tsipras kann sich allerdings darauf verlassen, dass die Abgeordneten der wichtigsten Oppositionsparteien für ein Spar- und Reformprogramm stimmen werden. Damit wäre die Mehrheit praktisch gesichert.
Wenige Stunden vor Ablauf der Frist für eine neue griechische Reformliste forderte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici umfassende und konkrete Vorschläge aus Athen zum Schuldenabbau. Allerdings deutete sich am Donnerstag auch ein Entgegenkommen der Gläubiger an.
EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, die neuen Vorschläge müssten von den Gläubigern mit «einem ebenso realistischen Vorschlag bei der Schuldentragfähigkeit» begleitet werden. Und auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, forderte eine Umschuldung – mit der gleichen Begründung.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble warf Athen Untätigkeit vor. Er habe dem neuen griechischen Finanzminister Euklid Tsakalotos gesagt: «Just do it. Das würde wahnsinnig viel Vertrauen schaffen.» Und: «Meine Fantasie, wie wir vertrauensbildende Massnahmen zwischen jetzt und Sonntag 24 Uhr bekommen sollen, ist sehr begrenzt», sagte er in Frankfurt. (dwi/sda/afp/reu)