Gott, sagt man, habe die Republikanische Partei geschaffen, damit sie die Steuern senken würde. In diesem Sinne hat die Grand Old Party (GOP) nun zugeschlagen und die grösste Steuerreform seit den Achtzigerjahren durch den Kongress gepeitscht. Zusammen mit dem Präsidenten feiert sie dies als ihren grössten Triumph des ersten Jahres der Ära Trump. Es könnte jedoch auch zu ihrem grössten Albtraum werden.
Steuern erhebt der Staat, um seine Ausgaben zu begleichen. Doch Steuern sind weit mehr: Sie sind das mächtigste Anreizsystem für Wirtschaft und Gesellschaft. Wo investiert und was konsumiert wird, hängt zu einem grossen Teil davon ab, wen der Fiskus belohnt und wen er bestraft. Wie sieht das bei der Trump’schen Steuerreform aus?
Kern der Steuerreform ist die Reduktion der Unternehmenssteuern von derzeit 35 Prozent auf 21 Prozent. Dieser Schritt ist grundsätzlich unbestritten. Die USA haben heute noch absurd hohe Unternehmenssteuern, im Zeitalter der Globalisierung ein Unding. In Europa etwa liegt der Satz der Unternehmenssteuern bei durchschnittlich rund 18 Prozent.
Die reinen Zahlen jedoch trügen. Das US-Steuergesetz kannte bisher jede Menge Schlupflöcher, nur die grössten Deppen haben den vollen Betrag bezahlt. Apple beispielsweise, das reichste Unternehmen der Welt, soll mithilfe hochbezahlter Juristen nicht einmal ein Prozent seines Gewinnes versteuern.
Diese Steuerschlupflöcher werden teilweise eliminiert. Gleichzeitig werden jedoch neue geschaffen. Davon profitieren in erster Linie Banken, Hedge-Fonds und Immobilienhaie, mit anderen Worten: Donald Trump und seine Kumpels an der Wall Street. Ökonomisch gesehen ist die Wirkung umstritten.
Die massive Steuersenkung erfolgt zu einem Zeitpunkt, in dem die amerikanische Wirtschaft brummt und die Unternehmen Rekordgewinne schreiben. Es gibt daher keinen vernünftigen Grund, die Nachfrage anzukurbeln. Im Gegenteil, die Gefahr, dass die Wirtschaft überhitzt und die Notenbank die Leitzinsen rasch erhöhen muss, wird grösser.
Die Befürworter der Reform betonen denn auch, dass die Reform primär die Angebotsseite der Wirtschaft stärken würde, dass sie die Unternehmen dazu verleiten würde, mehr zu investieren. Das wiederum hätte mehr Jobs und höhere Löhne zur Folge.
Auch diese These ist umstritten. Eine Umfrage von Bloomberg unter Unternehmern hat ergeben, dass diese kaum daran interessiert sind, ihr Investitionen hochzufahren. Es ist wahrscheinlicher, dass die Steuergeschenke in Form von Dividendenerhöhungen und Aktienrückkäufen an die Aktionäre verteilt werden. Deshalb ist es auch fraglich, dass Trump sein Ziel, mit der Steuerreform das durchschnittliche jährliche Wachstum des Bruttoinlandprodukts auf drei Prozent anzuheben, erreichen wird.
Rund 80 Prozent aller Amerikanerinnen und Amerikaner werden zunächst weniger Steuern bezahlen müssen. Das ist die gute Botschaft. Doch das Ausmass der Erleichterung ist umstritten. Sicher ist hingegen, dass die Laufzeit dieser Steuervergünstigungen – im Gegensatz zu den Unternehmenssteuern – beschränkt ist. Mindestens kurzfristig werden die Haushalte mehr Geld in der Tasche haben. Das sollte nach Adam Riese den Konsum beflügeln.
Die Sache mit den Löhnen ist weniger klar. Die Arbeitslosigkeit befindet sich in den USA bereits jetzt auf einem historischen Tiefstand. Was fehlt, sind Facharbeiter, die das lausige amerikanische Bildungssystem nicht in genügendem Masse hervorbringt. Zuwanderung von ausländischen Fachkräften ist bei der Trump’schen Regierung nicht wirklich populär. Eine spürbare Wirkung hätte eine massive Erhöhung der Mindestlöhne. Auch davon will Trump nichts wissen.
Sie ist die grosse Verliererin. Die Reform enthält keinerlei Anreize, die Menschen dazu verleiten, sich ökologisch sinnvoller zu verhalten. Im Gegenteil: In der ursprünglichen Fassung war gar vorgesehen, Subventionen für Wind- und Sonnenenergie zu kappen. Das ging selbst den Hardlinern der GOP zu weit, vor allem in Staaten, in denen Cleantech bereits ein bedeutender Jobmotor geworden ist (Texas, Nevada und Kalifornien beispielsweise). Eine sinnvolle Steuerreform hätte diese Anreize noch verstärkt, doch Trump liebt bekanntlich Kohle.
Trump und der GOP ist es nicht gelungen, Obamas Gesundheitsreform abzuschaffen. Die Steuerreform wird Obamacare jedoch arg schwächen: Die obligatorische Pflicht für eine Krankenversicherung entfällt. Vor allem junge Menschen werden sich daher die Kosten der Krankenkasse sparen. Das wird dazu führen, dass die Prämien der übrigen Versicherten steigen; und es wird auch dazu führen, dass kranke junge Menschen sich bei den Notfallstationen der Spitäler melden, im Wissen, dass man sie nicht einfach sterben lassen wird. Wirtschaftlich gesehen ist das die dümmste Art, ein Krankenkassensystem zu betreiben.
Über die Bedeutung der Bildung und Forschung im digitalen Zeitalter müssen keine Worte mehr verloren werden. Die Steuerreform hilft keinem der beiden, im Gegenteil: Die Kosten für Privatschulen sollen abzugsfähig werden. Das wieder wird die bereits heute lausigen öffentlichen Schulen weiter schwächen. Auch die Forschung wird leiden, Universitäten und Intellektuelle sind Trump suspekt.
Trumps Steuergeschenke haben einen hohen Preis. Die Staatsschulden werden in den nächsten zehn Jahren um bis zu 1,5 Billionen Dollar steigen. Das haben unabhängige Berechnungen ergeben. Die Befürworter bestreiten dies mit dem Argument, mehr Wirtschaftswachstum würde zu mehr Steuereinnahmen führen und die Reform würde sich somit von selbst finanzieren. Dieses Argument mag in der Theorie gut tönen, ist in der Praxis jedoch immer wieder widerlegt worden. Wer es nicht glaubt, soll einen St. Galler oder einen Luzerner fragen.
Die massive Neuverschuldung ist denn auch der ganz grosse Haken an der Trump’schen Steuerreform. Weil die Republikaner grundsätzlich höhere Staatsschulden ablehnen, diese jedoch mit grösster Wahrscheinlichkeit eintreten werden, wird bald eine heftige Spardiskussion losbrechen. Mit einer Mehrheit der GOP im Kongress ist auch klar, wo der Rotstift angesetzt werden soll: bei den Sozialabgaben. Das bei der Bevölkerung sehr beliebte Programm der Medicare, einer Versicherung für Pensionierte, und Medicaid, ein Programm für sozial Schwächere, dürften als Erstes zurückgefahren werden.
Kurz: Es besteht die Gefahr, dass mit der Steuerreform die sozial Schwächsten vor die Hunde geworfen werden, damit die Reichsten noch reicher werden. Diese Gefahr ist der Bevölkerung sehr bewusst. Die Steuerreform ist äusserst unbeliebt, mehr als die Hälfte lehnt sie ab, nur ein Drittel unterstützt sie.
Trump und die GOP setzen darauf, dass die Wirkung der Steuerreform diese negative Stimmung vertreiben wird. Wenn nicht, dann müssen sie bei den Zwischenwahlen im Herbst 2018 mit einem gewaltigen Backlash rechnen. Bereits jetzt befinden sich die Demokraten im Aufschwung. Sollte es ihnen gelingen, im November eine Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat zu erringen, dann wäre auch Präsident Trump in höchster Gefahr.