Zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde das aufstrebende Deutschland zur Bedrohung für die britische Weltmacht. Auf ähnliche Weise wird China jetzt zur Gefahr für die Supermacht USA. «Die meisten von uns zweifeln nicht mehr daran, dass das Schicksal der Welt und unserer Werte vom Ausgang des Kampfes zwischen einem aufstrebenden China und der Hegemonialmacht USA abhängt», schreibt etwa Edward Luce in seinem Buch «The Retreat of Western Liberalism».
Noch vor ein paar Monaten deutete alles daraufhin, dass dieser Konflikt bis auf Weiteres aufgeschoben ist. Donald Trump hatte zwar im Wahlkampf Peking mehrmals mit Strafzöllen gedroht, doch das alles schien sich nach einem Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping im April in Minne aufzulösen.
Die beiden Staatsmänner trafen sich in Florida auf Trumps Luxusresidenz Mar-a-Lago, assen gemeinsam «den besten Schokoladenkuchen der Welt» und einigten sich auf eine friedliche Zusammenarbeit. Xi versprach, den ungezogenen Kim Jong Un zu bändigen. Trump verzichtete auf Drohungen und freute sich darüber, dass seine Tochter Ivanka die Erlaubnis erhielt, ihre Modeartikel auch im Reich der Mitte an die Frau bringen zu dürfen.
Ein paar Monate später ist Schluss mit Kumbaya, das Verhältnis zwischen den USA und China hat sich massiv verschlechtert. Trump ist schwer enttäuscht, dass es Xi nicht gelingt, den unartigen Kim an die Leine zu nehmen. Die Chinesen ihrerseits fürchten offenbar eine Instabilität in Nordkorea mehr als den Zorn der USA.
Das Resultat sind steigende Spannungen zwischen den beiden. Die amerikanische Marine hat in der Nähe der umstrittenen künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer Manöver durchgeführt, etwas, das die Chinesen gar nicht gerne sehen. Zudem hat Trump Waffenverkäufe an Taiwan in der Höhe von 1,4 Milliarden Dollar genehmigt und einer chinesischen Bank die Lizenz entzogen, weil sie mit Nordkorea Geschäfte getätigt hat.
Schliesslich meint es der US-Präsident mit dem Handelskrieg offenbar Ernst. Allgemein wird erwartet, dass er demnächst Strafzölle für Stahlimporte verkünden wird, eine Massnahme, die in erster Linie gegen China gerichtet ist.
China ist nicht gewillt, dies alles widerstandslos hinzunehmen. Gegen Strafzölle will man bei der Welthandelsorganisation WTO vorstellig werden, gemeinsam übrigens mit den Europäern und den Japanern.
Die Manöver im Südchinesischen Meer kommentierte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums sinngemäss so: Die Amerikaner sollten diesen Unsinn sofort einstellen, denn die chinesische Seite werde «alles unternehmen, um die nationale Souveränität zu verteidigen». Sie sind dazu immer besser in der Lage. Die chinesische Armee rüstet seit Jahren massiv auf.
Bekanntlich wiederholt sich die Geschichte nicht, doch Parallelen zur Situation vor dem Ersten Weltkrieg sind nicht zu übersehen. Auch damals kam es zu vielen Geplänkeln, bevor der eigentliche Krieg eher zufällig ausbrach. Zwischen den USA und China scheint sich eine ähnliche Konstellation zu entwickeln.
Auf der einen Seite steht eine aufstrebende Supermacht, die nach zwei Jahrhunderten der Demütigung ihren Stolz wieder gefunden hat und nicht gewillt ist, sich erneut demütigen zu lassen. Auf der anderen Seite steht eine Supermacht, die tief gespalten ist und deren Präsident völlig unberechenbar agiert. Sollte der Konflikt um Nordkorea aus dem Ruder laufen, könnte dies gewaltige Konsequenzen haben.