Die meisten Investoren hassen Volatilität. Sie lieben sie. Weshalb?
Volatilität sorgt für Opportunitäten. Nehmen Sie den sogenannten «Angst-Index», den Vix. Jedes Mal, wenn der Vix in den letzten 30 Jahren jeweils einen Höchststand erreicht hat, stiegen danach die Aktienkurse an. Mit anderen Worten: Wer zugreift, wenn alle Angst haben, der verdient danach Geld.
Jedesmal?
Nun, es gibt zwei Ausnahmen: Im Jahr 2000, als die Tech-Blase geplatzt ist und in der Finanzkrise 2008. Beide Male sprechen wir von einer Rezession.
Derzeit erreicht der Vix wieder Höchststände. Sind das Kaufgelegenheiten oder Anzeichen einer Rezession?
Die Märkte sind ohne ersichtlichen Grund rund zehn Prozent gefallen, die Aktien sind billiger geworden. Wir glauben nicht an eine Rezession. Also kaufen. Es ist wie im Supermarkt: Wenn Ihr Lieblingswein wegen einer Aktion zehn Prozent billiger ist, dann schlagen Sie zu.
Warum tun sich die meisten Investoren mit dieser simplen Logik so schwer?
Weil sie nicht zwischen Risiko und Volatilität unterscheiden. Eine Rezession ist ein Risiko: Wenn man in einer Rezession falsch liegt, wird es richtig teuer. 2008 verloren die Investoren die Hälfte ihres Geldes. Volatilität hingegen kann die verschiedensten Gründe haben. Aus den Verhaltenswissenschaften wissen wir jedoch, dass Menschen es hassen, zu verlieren. Deshalb rennen sie auch in volatilen Phasen zum Ausgang. Zu verkaufen, wenn die Kurse am Boden liegen, ist jedoch eine katastrophale Idee.
Wie treffen Sie Ihre Kauf- und Verkaufsentscheide?
Psychologie allein reicht nicht, man muss auch den wahren Wert einer Aktie erkennen. Von der Volatilität der Märkte kann man nur profitieren, wenn man systematisch vorgeht.
Wie entscheiden Sie, ob der Mini-Crash im Februar nicht der Anfang einer Rezession war, sondern bloss harmlose Volatilität?
Wir fragen uns: Hat sich fundamental etwas geändert? Sind beispielsweise die Gewinne der Unternehmen eingebrochen? Wir konnten nichts dergleichen entdecken. Die Weltwirtschaft brummt nach wie vor. Es waren marktechnische Gründe, die zu dieser kurzen Panik geführt haben. Dazu kam ein leichtes Ansteigen der Zinsen für Staatsanleihen.
Haben Sie objektive Kriterien, nach denen Sie vorgehen?
Nein, wir handeln letztlich subjektiv.
Irren Sie sich gelegentlich?
In der Finanzkrise haben wir ebenfalls Geld verloren. Wir haben – wie sehr viele andere auch – nicht erkannt, dass diese Krise eine weltweite Rezession auslösen würde. 2008 war auch für uns ein sehr schmerzhaftes Jahr. Aber wenn eines von 18 Jahren schlecht war, dann kann ich damit leben.
Viele führende Ökonomen haben uns eine lang anhaltende Periode mit schleppendem Wachstum in Aussicht gestellt. Jetzt boomen die Märkte rund um den Globus.
Ökonomen irren sich stets. Kein Ökonom kann über längere Zeit genauere Prognosen machen als der Durchschnitt. Meine 86-jährige Mutter kann die Inflation der nächsten Jahre genauso gut voraussagen wie die Schar von Ökonomen, die für die Nationalbanken arbeiten.
Wie kommt das?
Wirtschaftswachstum und Inflation vorauszusehen ist ganz einfach zu komplex. Daher setzen wir nicht auf vermeintlich exakte Prognosen, sondern auf die Verhaltenspsychologie; und deshalb haben wir es gerne, wenn die Märkte volatil sind und nervöse Investoren falsche Entscheide treffen.
Kurz gesagt: Sie profitieren von der Dummheit und der Angst der anderen?
Wir sind alle Menschen, und Menschen scheuen gemäss ihrer Natur das Risiko. Die Verhaltenspsychologie hat dies überzeugend nachgewiesen. Nehmen Sie folgende Wette: Wir werfen eine Münze auf, bei Kopf verlieren Sie 100 Franken, bei Zahl gewinnen Sie 300 Franken. Sie sollten diese Wette annehmen, denn im Schnitt gewinnen Sie. Doch die meisten Menschen schlagen diese Wette aus, weil sie das Risiko, 100 Franken zu verlieren, nicht eingehen wollen.
Was bedeutet das für das Verhalten beim Investieren?
Viele Menschen kaufen Staatsanleihen, obwohl sie dabei kaum eine Rendite erzielen, ja in der verrückten Welt, in der wir leben, gar mit negativen Zinsen bestraft werden. Sie scheuen nach wie vor das Risiko, in Aktien zu investieren, obwohl das viel vernünftiger wäre.
Risiko ist keine konstante Grösse. Manchmal ist die Welt riskanter als in normalen Zeiten.
Falsch. Die Welt ist immer riskant. Und gerade, wenn alle das Gefühl haben, alles sei im grünen Bereich, dann wird es richtig gefährlich. Niemand hat den Brexit vorausgesehen, oder die Wahl von Donald Trump. Wir wissen nicht, was morgen geschehen wird, ob es zu einem Handelskrieg kommen wird – oder ob fremde Wesen auf unserem Planeten landen werden.
Müssen wir stets auf Schocks gefasst sein?
Ja, aber nicht jeder Schock ist negativ. Vor zwei Jahren hat niemand erwartet, dass die Weltwirtschaft boomen wird. Das kann man auch als einen positiven Schock interpretieren.
Wir befinden uns am Ende eine Zyklus'. Diese These hört man oft. Was sagen Sie?
Ich denke in Zeiträumen von 18 Monaten. Das Risiko, dass es in den nächsten 18 Monaten zu einer Rezession kommen wird, betrachte ich als klein.
Wie begründen Sie das?
Die Zinsen sind nach wie vor sehr tief, die Zentralbanken sind den Märkten wohlgesinnt. Unternehmen und Konsumenten verhalten sich vernünftig. Warum sollte es also eine Rezession geben?
Vielleicht, weil ein Handelskrieg ausbricht?
Vielleicht, doch politische Prognosen sind, wie erwähnt, ein Ding der Unmöglichkeit.