Stolz gaben die SBB letzte Woche bekannt, dass im Jahr 2013 erstmals mehr als eine Million Passagiere pro Tag befördert wurden. Was sich im ersten Moment toll anhört, verliert bei genauerer Betrachtung an Glanz. Denn es gibt verschiedene Kennzahlen, die dafür sprechen, dass die Beliebtheit der Bundesbahnen im letzten Jahr nicht zu-, sondern eher abgenommen hat.
Vor allem bei den Vielfahrern scheinen die SBB Kredit eingebüsst zu haben. Das zeigt sich nicht nur anhand der abnehmenden Kundenzufriedenheit, sondern auch anhand der Abozahlen. Die Anzahl Inhaber eines Generalabos (GA) stagnierte 2013 bei 442 000. Es ist der erste Stillstand in den letzten zehn Jahren. Zuvor konnten die SBB seit 2004 stets neue Stammkunden dazugewinnen – trotz mehrerer Preiserhöhungen.
Eine noch deutlichere Sprache spricht der Rückgang bei den Halbtax-Abos: Ende 2012 waren 2 381 000 Halbtax-Abos im Umlauf, Ende 2013 noch 2 335 000. Die Preiserhöhung von 165 auf 175 Franken kostete die SBB also 46 000 Abonnenten. Das entspricht einem Rückgang von 1,9 Prozent – so viel wie nie in den letzten zehn Jahren. Überhaupt war es seit 2004 erst das zweite Mal, dass die Anzahl Halbtax-Abos abgenommen hat.
Die Abonnementenzahlen sinken, treue Bahnfahrer wenden sich von der Schiene ab – trotz dieser Entwicklung droht im kommenden Dezember die nächste Preiserhöhung: «Eine generelle Nullrunde ist sehr unwahrscheinlich», sagt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) in der «Schweiz am Sonntag».
Wie hoch allfällige Preiserhöhungen ausfallen werden und in welchen Bereichen entscheidet sich Ende April im VöV. Die SBB äussern sich (noch) nicht zu diesem Thema. Die Konzernspitze liess in der Vergangenheit aber immer wieder durchblicken, dass ihr die aktuellen Abopreise zu tief sind. In diesem Bereich scheinen Preiserhöhungen deshalb am wahrscheinlichsten. Vor allem das GA hat keinen einfachen Stand. Dessen Inhaber bezahlen pro zurückgelegten Bahn-Kilometer oft sehr wenig, ihre Gewinnmarge ist gering. Für die SBB sind GA-Inhaber deshalb keine besonders attraktiven Kunden – zumal viele von ihnen Pendler sind, die zu Tageszeiten reisen, in denen die Züge überfüllt sind.
Weniger Stammkunden und trotzdem ein Passagierrekord – wie geht das zusammen? Die Antwort ist einfach: Die SBB haben einmal mehr ihr Angebot ausgebaut. Vor allem in der Romandie von Lausanne nach Genf und ins Wallis kamen Verbindungen dazu. Auch die Einführung des Halbstundentakts Zürich–Schaffhausen sowie die neue TGV-Lyria-Verbindung zwischen Genf und Marseille wirkten sich positiv aus. Insgesamt ist die Anzahl Angebotskilometer gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent gestiegen. Ein Angebotskilometer entspricht einem angebotenen Passagierplatz in einem Zug oder Bus über eine Beförderungsdistanz von einem Kilometer.
Dank dem Ausbau konnte natürlich auch die Verkehrsleistung erhöht werden – allerdings nur um 1,3 Prozent. Damit erhöhte sich das Angebot stärker als die Nachfrage. Zwar transportierten die SBB im letzten Jahr 3,7 Prozent mehr Passagiere pro Tag, die durchschnittliche Anzahl Reisende pro Zug ging jedoch von 125 auf 124 zurück. Zudem reisten die einzelnen Passagiere im Schnitt 2,3 Kilometer weniger weit. Der Passagierrekord ist deshalb zu relativieren: Wo das Bahnangebot gleich blieb, haben die SBB auch keine Kunden dazugewonnen.