Die SBB tüfteln am Bahnhof der Zukunft. Einerseits möchten sie die Zonen rund um die Bahnhöfe aufwerten, indem Randständige und Taxis anderswo ihren Platz finden sollen . Doch auch im Innern der Gebäude wollen die Bundesbahnen das Angebot attraktiver gestalten und den Mietermix modernisieren. Ziel: Mehr Kunden anzulocken.
Schon heute gehören die SBB-Bahnhöfe zu den grössten Shoppingcentern der Schweiz. Allerdings dominieren vielfach die stets gleichen Formate von Coop, Migros und Valora das Mieterbild. Und eigenständige Verpflegungs-Formate wie Hitzberger oder Marché wurden zuletzt von den beiden Genossenschaftsriesen aufgekauft.
Geht es nach Jürg Stöckli, der den SBB-Geschäftsbereich Immobilien leitet und somit Herr der Bahnhöfe ist, könnten Pendler schon bald beim US-Onlinehändler Amazon einkaufen. «Wir möchten Amazon gerne in der Schweiz und bei uns in den Bahnhöfen haben», sagt Stöckli. Die SBB hätten das Unternehmen von sich aus angesprochen und die Amazon-Vertreter hätten interessiert zugehört. Um was für ein Format es sich genau handelt, verrät er nicht. Allerdings gehe es eher weniger um Lebensmittel, sondern um Non-Food-Produkte.
Noch sei die Schweiz für den US-Konzern ein zu kleiner Markt, sagt Stöckli. Doch dies könnte sich schon bald ändern. Zuletzt häuften sich Spekulationen von einem Markteintritt von Amazon in der Schweiz. Laut der «Handelszeitung» habe der Onlinehändler vor, hierzulande das Food-Angebot «Pantry» zu lancieren, das seit 2015 in Märkten wie Österreich und Deutschland als «Vorratskammer in der Box» angepriesen wird. Damit soll der Wocheneinkauf beim Grossverteiler obsolet werden.
Auf den Teppichetagen von Coop und Migros beobachtet man die Schritte der Amerikaner denn auch mit Argusaugen. Das Unternehmen von US-Milliardär Jeff Bezos hat eine gewaltige Macht, erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von rund 136 Milliarden Dollar – ein Plus von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Diesen Monat kaufte Amazon die Bio-Handelskette Whole Foods für rund 14 Milliarden Dollar und machte damit deutlich, dass man das Offline-Geschäft ins Visier nimmt. Auch sonst hat sich Amazon in den stationären Detailhandel vorgewagt, betreibt bereits knapp zehn Buchläden in amerikanischen Städten. In Seattle hat die Firma zudem einen Convenience-Shop namens «Amazon Go» eröffnet mit Softgetränken, Sandwiches und anderen Lebensmitteln. Zugang zum Geschäft erhalten Kunden mit einer Smartphone-App. Das Einscannen der Preise und die Bezahlung übernehmen sie in Eigenregie.
Für SBB-Manager Jürg Stöckli ist klar: «Wenn Sie die Kunden mit neuen Marken überraschen wollen, müssen sie auch derjenige sein, der ab und zu eine Neuheit in die Schweiz bringt.» Man sei daran interessiert, den Bahnhof als Abholstation zu nutzen. «Mit täglich 1,3 Millionen Reisenden sind wir ein attraktiver Standort dafür.» Auch im Gastronomie-Bereich sei man mit bekannten Namen in Gesprächen.
Einen Tabubruch wagt Stöckli im Lebensmittelbereich. Bisher sind es in erster Linie Coop und Migros, die mit Supermärkten in Bahnhöfen eingemietet sind, die deutschen Discounter blieben aussen vor. Stöckli sagt, bei Aldi und Lidl habe in den letzten Monaten ein Sinneswandel stattgefunden, vermehrt seien auch innenstädtische Lagen in ihren Fokus gerückt. Nun kommt es zur ersten Kooperation mit den SBB: «Wir werden im Bahnhof Morges VD den ersten Vertrag mit Lidl abschliessen», sagt Stöckli. Es handle sich dabei um eine Ladenfläche von rund 1000 Quadratmetern. Die Eröffnung ist 2019 geplant, und es sei gut denkbar, dass in Zukunft weitere Aldi- und Lidl-Filialen in die SBB-Bahnhöfe einziehen werden. Gleichzeitig betont er, dass Migros, Coop und Valora starke und wichtige Partner der SBB seien.
Die Shopping-Umsätze in den Bahnhöfen würden insgesamt über Vorjahr liegen, sagt Stöckli. Und dies, obwohl der Schweizer Detailhandel in Zeiten des Einkaufstourismus und der Verlagerung ins Internet weiter schrumpft. Die SBB profitieren hingegen von den Ausnahmebewilligungen für den Sonntagsverkauf sowie von der weiterhin steigenden Anzahl Zug-Passagiere. (aargauerzeitung.ch)