Ein kontroverses Thema hat es diese Woche zweimal in die Schlagzeilen geschafft: Diskriminierung am Arbeitsplatz. Am Mittwoch kündigte Bundesrätin Simonetta Sommaruga gesetzliche Massnahmen an, damit Frauen endlich die gleichen Löhne erhalten wie Männer.
Als weitere Massnahme soll die Justizministerin eine Frauenquote von 30 Prozent für Verwaltungsräte von börsenkotierten Unternehmen erwägen, berichtete die «NZZ am Sonntag» im letzten Monat. Anlass gab in beiden Fällen die mangelnde Bereitschaft der Wirtschaft, die Frauendiskriminierung aus eigenem Antrieb zu beseitigen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den älteren Arbeitskräften: Am Donnerstag stellte die OECD einen Bericht vor. Er stellt der Schweiz grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus, macht aber dennoch Verbesserungspotenzial aus. Bemängelt wird, dass die Benachteiligung von älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt hierzulande nicht verboten ist.
Diskriminierte Frauen, benachteiligte Alte: Das ruft nach staatlichen Interventionen. Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) will man von einer gesetzlichen Regelung aber nichts wissen. Besser sei es, die Unternehmen verstärkt für die Problematik der Altersdiskriminierung zu sensibilisieren.
Geharnischte Proteste gab es aus der liberalen Ecke: Die FDP verwahrte sich gegen ein staatliches Lohndiktat. NZZ-Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli fühlte sich bemüssigt, gleich zweimal kommentarmässig in die Tasten zu hauen. Die Einstellungs- und Lohnpolitik gehöre «zu den zentralen Pfeilern der betrieblichen Freiheit», mahnte er.
Zwar hat Schöchli recht, wenn er konstatiert, dass Diskriminierung allgegenwärtig ist: Nicht nur Frauen und Alte werden benachteiligt, auch Stellenbewerber mit fremdländischen Namen, wenig Selbstbewusstsein oder unattraktivem Äusseren. «Per Dekret lassen sich solche Vorurteile nicht ausrotten», meint er. Nur: Muss man sie deswegen schulterzuckend hinnehmen und darauf hoffen, dass in der Wirtschaft irgendwann ein Umdenken stattfindet?
Schweizerinnen und Schweizer reagieren empfindlich auf Ungerechtigkeit, vor allem, wenn sie sich selber betroffen fühlen. Viele haben den Eindruck, sie kämen lohn- und karrieremässig nicht vom Fleck, während am oberen Ende der Fahnenstange die Party ungebremst weitergeht. Und sie fürchten den sozialen Abstieg im Alter. «Materielle Ängste befeuern die Zuwanderungsskepsis heute stärker als jeder wahrgenommene Dichtestress», kommentierte der Tages-Anzeiger.
Das Ja zur SVP-Zuwanderungsinitiative ist deshalb genauso ein Warnsignal wie die Annahme der Abzockerinitiative. Gleichzeitig haben sich in den letzten Jahren alle Versuche als chancenlos erwiesen, die Altersrenten zu beschneiden. In einem derartigen politischen Klima könnten auch staatliche Massnahmen gegen Diskriminierung an der Urne eine Mehrheit finden.
Es läge an der Wirtschaft, von sich aus tätig zu werden. Sie müsste darauf hinarbeiten, dass weibliche Angestellte nicht benachteiligt werden, weil sie in Lohnverhandlungen weniger fordernd auftreten als Männer. Sie müsste aus eigenem Interesse dafür sorgen, dass mehr Frauen in Führungspositionen befördert werden. Eine neue Studie der Credit Suisse zeigt, dass Unternehmen mit Frauen im Topkader bessere Finanzkennzahlen aufweisen. Und sie müsste dem Knowhow ihrer älteren Arbeitnehmer Sorge tragen, statt sie nur als Kostenfaktor zu sehen.
Versprechungen dieser Art gibt es, nicht wenige sogar, doch konkrete Massnahmen lassen auf sich warten. Als «ernüchternd» bezeichnete Martin Dumermuth, der Direktor des Bundesamtes für Justiz, in diesem Frühjahr die Tatsache, dass die Frauenquote in den Leitungsgremien der 100 grössten Firmen des Landes im letzten Jahr bloss 12 Prozent betrug.
Wenn die Wirtschaft versagt, muss es halt doch der Staat richten. Die ehemalige Max-Havelaar-Chefin und heutige Mehrfach-Verwaltungsrätin Paola Ghillani etwa war stets gegen Frauenquoten. «Aber langsam beginne ich, an der Richtigkeit meiner Haltung zu zweifeln. Besonders da man sieht, wie langsam sich in diesem Thema etwas bewegt», sagte sie letztes Jahr in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger.