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Schneider-Ammann: «Wir gehen nicht in die Welt hinaus, um zu missionieren»

Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit US-Handelsminister Wilbur Ross. 
Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit US-Handelsminister Wilbur Ross. Bild: twitter

Schneider-Ammann: «Wir gehen nicht in die Welt hinaus, um zu missionieren»

Bundesrat Johann Schneider-Ammann ist seit Mittwoch zurück von seiner Reise. Der Wirtschaftsminister war zu Besuch in Russland, Indonesien, Saudi-Arabien und den USA. Im Interview zieht er nun Bilanz.
19.07.2017, 16:1119.07.2017, 17:23
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Was war die Motivation für ihre Marathonreise?
Eine Marathonreise war nicht geplant, aber es standen mit diesen vier Ländern spezifische Diskussionen an, die ich erledigen wollte. Durch die Besuche zieht sich auch ein roter Faden: Die wirtschaftliche Situation und das Berufsbildungssystem. Wo immer wir waren, wurden wir darauf angesprochen, so auch hier in Washington. Meine Gesamtbilanz: Die Berufsbildung hat eine grosse gesellschaftliche Bedeutung, das wurde mir überall bestätigt.

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Wie sehen Sie die Chancen, dass die Berufslehre auch in den USA zum Standard wird?
Von Handelsminister Wilbur Ross über Bildungsministerin Betsy DeVos und Arbeitsminister Alexander Acosta bis zu Ivanka Trump – bei allen war ein grosser Wille spürbar, der professionellen Tätigkeit wieder zu mehr Sozialprestige und Anerkennung zu verhelfen, um so die Industrialisierung, die Innovation und die Vollbeschäftigung zu fördern. Aber das wird ein langwieriger Prozess.

«Es ist bekannt, dass es eine gewisse Entwicklung Richtung Lokalisierung und Protektionismus gibt. Man sucht das Heil darin, dass man primär zu den eigenen Jobs schaut.»

Mit dem US-Handelsminister haben Sie auch über die Liste der Länder gesprochen, die einen Handelsbilanzüberschuss mit den USA vorweisen – darunter die Schweiz. Drohen uns seitens der USA Massnahmen?
Wir haben über diese Liste gesprochen und festgestellt, dass die Schweiz im Realbereich einen Vorteil hat, die USA aber im Dienstleistungsbereich die Nase vorne haben, so dass die Handelsbilanz ungefähr ausgewogen ist. Ich habe den Eindruck bekommen, dass Herr Ross eine gewisse Entwarnung gegeben hat. Abgehakt ist die Sache aber noch nicht.

Sie sind in Washington während der «Made in the USA»-Woche, während der in den Vereinigten Staaten produzierte Güter gefeiert werden. War die Idee, dass das, was in einem Land verkauft wird, auch in diesem Staat produziert werden sollte – auch in den anderen drei Ländern ein Thema?
Es ist bekannt, dass es eine gewisse Entwicklung Richtung Lokalisierung und Protektionismus gibt. Man sucht das Heil darin, dass man primär zu den eigenen Jobs schaut. Das darf aber nicht über Abschottung und Abgrenzung passieren, sondern durch Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. «Made in the USA» können sich die Amerikaner mit dem grössten Binnenmarkt zu einem gewissen Grad leisten. Ein kleiner Markt wie die Schweiz käme gar nicht auf diese Idee. Offene Märkte führen zu grösseren Handelsströmen, was wiederum grössere Wertschöpfung und mehr Beschäftigung bedeutet.

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Sie haben mit den USA, Russland und Saudi Arabien und Indonesien vier sogenannte «Global Players» besucht. Will die Schweiz damit signalisieren, dass sie auch in der obersten Liga mitspielt?
Das war nicht die Idee. Wir gehen nicht in die Welt hinaus um zu missionieren, aber die Schweiz muss Kontakte knüpfen und gute Vernetzung suchen. Das hat sich auch in den USA gezeigt: Ich habe meinen Amtskollegen Wilbur Ross jetzt zum zweiten Mal getroffen, und je besser man sich kennt, um so direkter kann man miteinander reden. Ich bin in meinem Beruf mein Leben lang zu Kunden gereist, vor allem auch wenn sie gar nichts von mir wollten. Später, wenn ihre Investitionsprojekte umgesetzt wurden, erinnerten sie sich an mich und griffen auf uns zurück. Das ist für mich ein Massstab, der auch für die Politik gilt: Man muss sich kennenlernen, mit der Zeit Vertrauen aufbauen – dann sind die Voraussetzungen für gute Verhandlungen gegeben.

«In Saudi-Arabien sagte man uns, die Schweiz sei die Zentralbank für Vertrauen.»

Geniesst die Schweiz dieses Vertrauen in der Welt noch?
In Saudi-Arabien sagte man uns, die Schweiz sei «die Zentralbank für Vertrauen». Das ist sehr nett zu hören, aber ich warne davor, dass sich die Schweiz dieses Label ans Revers heftet, weil das zu gefährlicher Selbstgefälligkeit führen würde. Wir machen zwar viel gut, dürfen uns aber keinesfalls auf den Lorbeeren ausruhen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, aber gleichzeitig einen Beitrag zur internationalen Vernetzung leisten. Ohne bessere Verhältnisse im Welthandel kann sich dieser nicht entwickeln und neue Chancen eröffnen.

Wie präsentieren Sie Ihren Gesprächspartnern die Schweizer Wirtschaft?
Wir stellen uns der Welt als solide und faire Geschäftspartner, die den Handelsbezug suchen und auch grössere Marktanteile anstreben. Je grösser der Marktzugang – beispielsweise in Indonesien, Russland, Saudi-Arabien oder den USA – umso sicherer ist die Beschäftigungssituation in der Schweiz. Ich mache meine Politik mit der Zielsetzung, dass möglichst alle bei uns im Land Perspektiven haben können – also einen Job, eine gewisse Unabhängigkeit und ein selbstbestimmtes Leben. Wir wollten bei den Besuchen aufzeigen, wie innovativ und wettbewerbsfähig wir sind.

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Was bringt das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien?
Wie jedes Doppelbesteuerungsabkommen soll es zu Investitionen – hier oder dort – animieren. Die Rahmenbedingungen, die intakt sein müssen, damit sich ein Schweizer Investor überlegt, in einem Land zu investieren, bestehen aus der Trilogie dreier Abkommen: Einem Steuerabkommen, einem Investitionsschutz- sowie einem Freihandelsabkommen. Im Prinzip sind diese Voraussetzungen in Saudi-Arabien für Privatinvestoren nun geschaffen.

«Aussenpolitik ist immer auch Aussenwirtschaftspolitik.»

Vom indonesischen Präsidenten Joko Widodo, den Sie auch getroffen haben, heisst es, er glaube daran, dass die Wirtschaft alleine alles richten könne. Haben Sie das auch so gesehen?
Nein. Präsident Widodo lud uns zu einem Höflichkeitsbesuch ein. Das werte ich als Signal, dass Indonesien auf die Schweiz schaut und unsere Werthaltung achtet. Indonesien hat einen Binnenmarkt von 230 Millionen Einwohnern, dazu ein Mittelstands-Entwicklungspotential von zusätzlichen 40 Millionen Personen in den nächsten paar Jahren. Die Kaufkraft ist grösser als in vielen anderen Ländern. Für die Schweiz als Exportland ist dies interessant. Wir bemühen uns um ein Freihandelsabkommen mit dem Land, und haben bereits 13 Verhandlungsrunden hinter uns. Es gibt jetzt noch zwei weitere Runden, in denen die Karten auf den Tisch gelegt werden sollten. Wenn ein Abkommen realisiert werden kann, so dient der EFTA-Mustervertrag als Vorlage, und dort werden sowohl die Menschenrechte wie die ökologische Verträglichkeit angesprochen.

Welche Themen haben Sie in Russland besonders angesprochen?
Ein Thema in Russland waren die Sanktionen, die über das Land im Zuge der Ukraine-Krise verhängt wurden. Eine Aufhebung dieser Massnahmen würde eine wirtschaftliche Entwicklung erlauben, die attraktiver ist als das, was zur Zeit in Russland läuft. Aber die Russen anerkennen, dass die Schweiz nicht dazu benutzt werden darf, die Sanktionen der EU und der USA zu umgehen. Solange die Minsker Verträge nicht ohne Wenn und Aber umgesetzt sind, bleibt der Handel mit den Gütern, die dem Sanktionsregime unterstehen, unterbunden.

Sie haben auf ihrer 10-tägigen Reise auch viele aussenpolitische Themen angesprochen, so die Situation in der Ukraine, die Menschenrechte in Indonesien und die Katar-Krise in Saudi-Arabien. Steht mit dem Rücktritt von FDP-Kollege Burkhalter für Sie gar ein Departementswechsel an?
Nein, ein Wechsel ins Aussenministerium steht sicher nicht an. Aber Aussenpolitik ist immer auch Aussenwirtschaftspolitik. Wir haben unseren Wirtschaftsauftrag erfüllt, und da dieser international wahrgenommen wird, geht es nicht ohne politische Komponente. Kollege Burkhalter ist erstens informiert und begrüsst es zweitens, dass wir diese Länder besuchten. Die Schweiz hat als neutrales, hochentwickeltes, aber kleines Land ohne versteckte Agenda enormen Kredit. Wir haben das Angebot, als Vermittler zwischen Iran und Saudi-Arabien zu agieren, vorgebracht. In beiden Ländern finden nun Verhandlungen statt, um dieses Mandat genau zu umschreiben, das dauert seine Zeit. Wir stehen zur Verfügung, aber die Bedingung ist, dass beide Seiten um unsere Vermittlung bitten. 

(wst/sda)

[dhr, 22.01.2017] Geld, Banken, Weltwirtschaft

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