Alle paar Wochen fahre ich ins Saarland, um meine Eltern und Freunde für ein paar Tage zu besuchen. Da die Deutsche Bahn keine wirklich gute und vor allem gleich schnelle Alternative bietet, fahre ich meistens mit dem Auto. Die 350 Kilometer pro Strecke und die damit verbundenen Spritkosten nehme ich gerne auf mich. Doch nun sollen diese Kurztrips nach Deutschland für mich deutlich teurer werden. Denn Verkehrsminister Alexander Dobrindt will in Deutschland eine Pkw-Maut einführen.
Sollte er mit seinem Plan ans Ziel gelangen, würde das Gesetz am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Bevor der deutsche Autofahrer anfängt, sich aufzuregen, gibt der Verkehrsminister Entwarnung: «Die Maut wird keinen deutschen Autofahrer zusätzlich belasten.» Der Grund: Die Vignette wird mit der Kfz-Steuer verrechnet.
Doch wie ist das mit mir? Ich bin auch eine «deutsche Autofahrerin». Bloss lebe ich in der Schweiz, zahle die Abgaben für mein Auto hier und werde somit – was die deutsche Vignette betrifft – wie eine Ausländerin behandelt. Das bedeutet, dass ich mir entweder auch eine Jahresvignette zulegen oder eines der zeitlich begrenzten Angebote nutzen muss: Eine Zehn-Tages-Vignette soll laut Dobrindts Plan 10 Euro kosten, für 20 Euro bekommt man eine Zwei-Monats-Vignette.
Die beiden zeitlich begrenzten Angebote erscheinen mir wenig sinnvoll: Denn normalerweise besuche ich meine Freunde und Verwandte in Deutschland bis zu zehn Mal pro Jahr. Das würde bedeuten, dass ich zehn Mal zehn Euro, also insgesamt 100 Euro, bezahlen müsste. Mit jeder einzelnen Vignette könnte ich dann zehn Tage in Deutschland herumfahren, was mir herzlich wenig bringt, da ich selten länger als drei Tage am Stück in Deutschland verbringe und mindestens zehn Tage bis zu meinem nächsten Besuch vergehen.
Die Zwei-Monats-Vignette bringt mir genau so wenig, da meine Besuche so aufs Jahr verteilt sind, dass ich wahrscheinlich genau dann wieder nach Deutschland reisen würde, wenn meine alte Vignette gerade abgelaufen wäre. Ich müsste also fünf- oder im schlimmsten Fall sechsmal eine Zwei-Monats-Vignette kaufen. Damit würde ich dann bei 100 beziehungsweise 120 Euro liegen. In beiden Fällen könnte ich also ebenso gut eine Jahresvignette ausstellen lassen. Für meinen Geschmack wäre eine Tagesgebühr noch am sinnvollsten.
«In meinem Fall wäre es auch noch möglich, die Maut gänzlich zu umgehen», dachte ich im ersten Moment, als ich von den Plänen einer deutschen Kfz-Maut gehört habe. Denn meine Eltern wohnen ganz nah an der französischen Grenze. Begebe ich mich also auf den Heimweg, fahre ich ab Basel auf französischen Autobahnen – wo ich ebenfalls Maut zahle, die jedes Jahr leicht angehoben wird – und erst die letzten zehn Kilometer bin ich auf deutschen Strassen unterwegs.
«Da kann ich dann ja die Autobahn vermeiden», dachte ich für mich. Tja, das würde mir nur leider nichts bringen, denn die geplante Maut in Deutschland soll nicht – wie in der Schweiz, in Frankreich und in Österreich – nur für Autobahnen, sondern auch für alle Bundes-, Landes- und Kommunalstrassen gelten. Um eine Vignette käme ich ab 2016 bei einem Besuch meiner Eltern also nicht mehr rum.
Dass ich mir eine jährliche Gebühr zwischen 100 und 150 Euro durchaus leisten können sollte, da ich hier in der Schweiz deutlich mehr Geld verdiene als ich es in Deutschland würde, ist mir völlig klar. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Deutschen aber aufregen, wenn sie eine Jahresvignette für 40 Franken kaufen müssen, wenn sie in der Schweiz Ski fahren wollen, finde ich, dass ich mich ebenso gut darüber aufregen darf, dass ich nun deutlich tiefer in die Tasche greifen muss, wenn ich ab und zu meine Eltern besuchen möchte.
Oder ich muss sagen: «Schade Mama, ab 2016 komme ich leider nur noch zweimal im Jahr zu Besuch.» Zwar würde diese dann sofort einen Einzahlungsschein zücken, um mir die Kosten zu ersparen und mich doch häufiger nach Deutschland zu locken – meinen Ärger über die deutsche Vignetten-Politik würde das aber auch nicht besänftigen.