Hinter den Mauern des Basler Pharmakonzerns Novartis rumpelt es gewaltig. Alleine an einem Tag letzter Woche offenbarte Novartis 15 Mitarbeitenden ihre Kündigung. Im Stundentakt.Betroffen sind primär Ingenieure, die sich bei Novartis weltweit um die technischen Bereiche der Produktionswerke kümmern. Die jüngsten Ankündigungen trafen sie bis ins Mark.
Denn: Novartis gab im Mai bekannt, 500 Stellen zu streichen. Damals habe die Chefetage den nun Betroffenen noch in Aussicht gestellt, sie hätten nichts zu befürchten, sagt eine Auskunftsperson zur «Nordwestschweiz», die mit der Situation vertraut ist. «Nun folgte trotzdem der Paukenschlag.» Der betroffene Bereich zählt etwa 100 Mitarbeitende und gehört zur Einheit Novartis Technical Operation, die weltweit rund 28'000 Angestellte beschäftigt.
Raue Sitten auf Novartis-CampusDie stark amerikanisierte Kultur des Konzerns steht seit längerem nicht gerade für Zimperlichkeit, wenn es um Entlassungen geht. Vom «Haifischbecken», einer «Hire-and-Fire»-Kultur, die ihresgleichen suche, berichten Firmenkenner regelmässig.
Doch die Gangart letzter Woche habe alle schockiert, so der Vertraute, der den Konzern seit vielen Jahren kennt. Am Vortag letzte Woche hätten die Betroffenen eine E-Mail bekommen, in der sie für den Folgetag zum 1:1-Gespräch mit ihrem Vorgesetzten aufgefordert wurden.
In einem abgelegenen Gebäude auf dem NovartisCampus wurden sie dann einzeln vom Chef und einer Person der Personalabteilung empfangen. In hölzernen Worten, die der Chef auf Englisch von einem Zettel ablas, hiess es dann kurzum: Wir brauchen Sie nicht mehr.
Anders als Novartis nach aussen gegenüber den Gewerkschaften beteuert, habe sich keiner im Konzern mit den jüngsten Betroffenen hingesetzt, um nach möglichen Alternativen im Unternehmen zu suchen, so die Auskunftsperson. «Es hätte Möglichkeiten gegeben, die betroffenen Ingenieure anderswo einzusetzen. Da bin ich mir ganz sicher.»
Denn: Der Pharmakonzern baut Stellen in der chemischen Produktion ab, um dafür die zukunftsweisende und lukrativere Herstellung biotechnologischer Wirkstoffe auszubauen. Es wäre ein Leichtes gewesen, die betroffenen Ingenieure anderswo unterzubringen, sagt der Vertraute. Es handle sich um hoch qualifiziertes Personal, viele von ihnen hätten auch Produktionsanlagen für biologische Präparate betreut und seien in wichtigen Projekten involviert gewesen.
Bei Novartis entgegnet man der steigenden Nervosität mit Nüchternheit. Der Konzern bestätigt die 15 Vorankündigungen zur Entlassung von letzter Woche. Sie fallen unter den Stellenabbau, den der Konzern im Mai angekündigt hatte. Davon betroffen sind insgesamt 500 Stellen. Der Sozialplan für diesen Abbau sieht vor, dass Betroffene mit einer Frist von vier Monaten über ihre Kündigung vorinformiert werden müssen. Findet sich in der Zeit keine interne Lösung, tritt die Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten ein.
Im konkreten Fall von letzter Woche unterstütze nun das Job-Center die interne Stellenvermittlung für diese Mitarbeiter und evaluiere mögliche Umschulungen, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Dies sei erst möglich, wenn die betroffenen Mitarbeitenden über den drohenden Stellenverlust in Kenntnis gesetzt worden sind. Wie viele der geplanten Entlassungen bereits seit September als Vorankündigungen bekannt gegeben wurden, gibt der Konzern nicht bekannt. Man habe aber bereits für «über die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter geeignete Lösungen gefunden», so die Sprecherin.
Noch vor wenigen Wochen forderten die Gewerkschaften mehr Umschulungsbemühungen von Novartis. Das Unternehmen werde sonst seiner sozialen Verantwortung seinen Mitarbeitern gegenüber nicht gerecht, sagte Kathrin Ackermann, Syna-Zentralsekretärin Chemie- und Pharmaindustrie im Oktober zur «Nordwestschweiz». Der Konzern habe mittlerweile für einen Teil der Betroffenen Informationen vorgelegt, wie interne Lösungen gefunden werden konnten, so Ackermann.
Trotzdem sitzt der Schock bei den betroffenen Mitarbeitern in Basel tief. Besonders bei den 15 Mitarbeitern, die vergangene Woche die Hiobsbotschaft bekamen – obschon sie bei der Ankündigung zum Abbau im Mai keineswegs vorgewarnt worden waren. Die Verunsicherung im Konzern steige, dass es weitere bislang unberührte Bereiche auf dieselbe Art und Weise treffen könnte, sagt die Auskunftsperson. Es sei enttäuschend und verheerend, dass der Konzern falsche Signale ausgesandt hatte, anstatt frühzeitig offenzulegen, welche Bereiche betroffen sein werden.
Dieses Vorgehen kritisiert auch die Gewerkschaft Angestellte Schweiz – so dieses denn zutreffe, sagt Hansjörg Schmid: «Ein Unternehmen wie Novartis muss bei einem Stellenabbau frühzeitig im Sinne einer Good Governance darauf aufmerksam machen, welche Bereiche tangiert sind. Damit sich die betroffenen Mitarbeiter auf eine mögliche Kündigung einstellen können.»
Die soziale Verantwortung des Pharmakonzerns ist angekratzt. Dafür summieren sich die Kosteneinsparungen; ganz nach dem Mantra des Managements. Dieses lautet spätestens seit 2014: Effizienz steigern, Kosten sparen. Damals hatte der nun abtretende CEO Joe Jimenez beschlossen, die operativen Tätigkeiten auf der Administrations- und Produktionsseite über alle Divisionen hinweg zu bündeln. Der laufende Stellenabbau resultiert daraus. Der interne Kostendruck habe sich massiv verstärkt, heisst es aus firmennahen Kreisen. Wo kein kurzfristiger Nutzen absehbar ist, gäbe es keine Zustimmung von oben, sagt der Vertraute.
Unternehmensberater gingen immer häufig ein und aus, viele Senior Manager hätten einen entsprechenden Hintergrund. Die Kultur werde von Noch-CEO Joe Jimenez geprägt – einem Manager, der in seiner Karriere immer wieder bewiesen hat, dass er eines besonders gut kann: Prozesse effizienter gestalten und Kosten einsparen. Ab 2020 will Novartis mit den Sparübungen jährlich eine Milliarde Dollar an Kosten aus dem Unternehmen ziehen.