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Hoch lebe die Schweizerische Nationalbank – drei Mal hoch!

Die SNB hat ein Zeichen gesetzt.
Die SNB hat ein Zeichen gesetzt.Bild: KEYSTONE
Kommentar

Hoch lebe die Schweizerische Nationalbank – drei Mal hoch!

Mit dem Entscheid, Negativzinsen einzuführen, hat die SNB goldrichtig gehandelt. Sie zeigt, dass sie die drohenden Gefahren erkannt hat und alles unternehmen wird, um die mittelständischen Arbeitsplätze zu retten.
18.12.2014, 14:1019.12.2014, 10:00
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Was sind eigentlich Negativzinsen? Diese Frage stellen sich Laien in diesen Tagen öfters. Die Antwort von SNB-Präsident Thomas Jordan lautet: «Nichts besonderes, es sind ganz normale Zinsen, einfach mit einem negativen Vorzeichen.» Und warum hat sich die SNB entschieden, Negativzinsen für Banken und Finanzdienstleister einzuführen? Auch hier ist die Antwort von Jordan banal: «Wir wollen den Mindestkurs von 1.20 des Frankens gegenüber dem Euro mit allen Mitteln verteidigen.» 

Thomas Jordan an der Pressekonferenz.
Thomas Jordan an der Pressekonferenz.Bild: ARND WIEGMANN/REUTERS

Trotzdem erscheint dies für Laien rätselhaft. «Muss ich jetzt dafür bezahlen, dass ich mein Geld auf die Bank trage?», lautet die nächste Frage. Mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht. Die von der SNB getroffenen Massnahmen betreffen Banken und Finanzinstitute, und 

«es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie von den Kleinsparern Geld verlangen werden»,

beruhigt Jordan. 

Niemand will seine loyalen Kunden bestrafen und es geht auch nicht um die verhältnismässig kleinen Beträge des mittelständischen Sparers, es geht um die verhältnismässig grossen Beträge von Hedge-Funds und anderen Anlegern. Was aber soll das Ganze? 

Die Rubelkrise zwingt die SNB zu handeln

Mit den Negativzinsen will die SNB die 1.20-Untergrenze des Frankens gegenüber dem Euro verteidigen. Bisher ist es ihr gelungen, dies allein mit Interventionen auf den Devisenmärkten zu bewerkstelligen. Will heissen: Die SNB hat Franken geschaffen und damit Wertschriften in Euro gekauft. Auf diese Weise hat sie Franken in den Umlauf gebracht und Euro abgeschöpft. 

Jetzt aber reichen offenbar Interventionen auf den Devisenmärkten allein nicht mehr. Schuld daran ist die Rubelkrise. Sie hat eine massive Verunsicherung an den Finanzmärkten ausgelöst. Wie nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 suchen die Investoren Sicherheit – und die finden sie im Franken. 

Flucht in den sicheren Hafen Schweizer Franken

Die Schweizer Währung wird daher auch «sicherer Hafen» genannt. Das mag zwar schmeichelhaft tönen, ist jedoch ein Fluch. Wenn sich alle auf den Franken stürzen, treibt das nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage den Preis für den Franken in die Höhe. Der Franken wird stark. 

Das ist angenehm, wenn wir im Ausland shoppen, weniger angenehm ist es, wenn wir ins Ausland exportieren wollen. Und da jeder zweite Franken bekanntlich mit dem Export verdient wird, ist ein zu starker Franken eine tödliche Gefahr für unsere Wirtschaft. 

Eine neue Eurokrise droht

Die Rubelkrise ist zudem nur die Spitze des Eisberges. Derzeit tun sich die Griechen mit der Wahl eines Präsidenten schwer. Wenn sie es bis Ende Jahr nicht geschafft haben, drohen Neuwahlen – und eine Wiederholung der Eurokrise.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zudem mehr oder weniger klar gemacht, dass sie schon bald ein so genanntes Quantitatives Easing durchführen will. Das bedeutet, dass die EZB den Euro verbilligen und die Exporte ankurbeln will. Auch dadurch wird der Franken weiter unter Druck geraten.

Der Albtraum der Notenbanker

Der Ölpreis schliesslich hat sich in kürzester Zeit halbiert. Das ist grundsätzlich Good News, aber kurzfristig für die SNB ein Problem. «Es bestehen Deflationsrisiken», sagt Thomas Jordan.

Deflation ist der Albtraum eines jeden Notenbankers. Wenn das Geld mehr wert ist, drückt die Schuldenlast stärker. Unternehmer investieren und Konsumenten shoppen nicht mehr, es entsteht eine Verelendungsspirale. In der Schweiz gibt es derzeit keine Inflation, billiges Öl könnte gar zu einer Deflation führen. Auch dagegen will die SNB mit Negativzinsen ankämpfen. 

«Es bestehen Deflationsrisiken.»
Thomas Jordan, SNB-Präsident

Sind also alle glücklich mit den getroffenen Massnahmen? Nicht ganz. Es gibt Ökonomen, die Deflation für etwas Nützliches halten und lieber höhere Zinsen und einen noch stärkeren Franken sähen. Damit würden marode Unternehmen ausgemerzt, und das sei für die Wirtschaft als Ganzes sinnvoll, argumentieren sie. Nun: Als das letzte Mal im grossen Stil mit einer Deflation ausgemerzt wurde, war das Resultat die Grosse Depression und Massenarbeitslosigkeit. Deshalb sollten wir es lieber lassen. 

Was ist wichtiger: Hohe Zinsen oder sichere Arbeitsplätze?

Die Schweizer Wirtschaft befindet sich zudem wegen des starken Frankens – auch eine Untergrenze von 1.20 ist alles andere als billig – in einem permanenten Anpassungsdruck. Eine Deflation würde daher nicht vermeintlich kranke Betriebe in den Konkurs treiben, sondern hunderttausende von kerngesunden, mittelständischen Arbeitsplätzen vernichten. 

Das will die SNB nicht zulassen und hat deswegen zum drastischen Mittel der Negativzinsen gegriffen. Sie beweist damit, dass sie erkannt hat, dass die grösste Gefahr für unseren Wohlstand nicht tiefe Zinsen sind, sondern Massenarbeitslosigkeit. Dagegen kämpft sie entschlossen an – und dafür verdient die SNB ein dreifaches Hurra!  

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