Die Ökonomen der Grossbank Credit Suisse malten in ihrer Publikation «Monitor Schweiz» im November noch ein düsteres Bild: «Galt der Wintersport einst als Perle des Schweizer Tourismus, ist er heute dessen Sorgenkind.» Von äusserst schwierigen kommenden Jahren ist die Rede. Zumindest die aktuelle Lage präsentiert sich jedoch ganz anders. Eine Umfrage in den Wintersportgebieten zeigt: Die Hotels sind vielerorts komplett ausgebucht, die Gäste in Spendierlaune.
Der Anfang dieser Wintersaison sei «absolut traumhaft», sagt Véronique Kanel von Schweiz Tourismus. «Wir gehen davon aus, dass Touristen dieses Jahr mehr Geld in den Schweizer Bergen ausgeben werden als in den letzten Jahren.». Einerseits kämen seit diesem Sommer wieder mehr Touristen aus den Euroländern. Anderseits seien die guten Schnee- und Wetterbedingungen entscheidend für die Schweizer Gäste, die wieder öfters Winterferien im eigenen Land machen würden. «Der Franken hat sich gegenüber dem Euro abgeschwächt, die Wirtschaft läuft gut und die Schneeverhältnisse sind perfekt. Es sieht ganz nach neuen Umsatzrekorden für die Festtage aus», sagt Kanel. Im Januar erwartet sie auch bei den Gästen aus Russland wieder ein Plus.
Nach massiven Einbussen von rund 40 Prozent bei den europäischen Gästen während der Eurokrise scheint die Trendwende geschafft. Die Hotelübernachtungen stiegen laut der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich schon in der Sommersaison in Grau bünden um 5,9 Prozent und im Wallis um 7,9 Prozent. Für diesen Winter erwarten die KOF in den Bergen ein Logiernächte-Plus von 3,6 Prozent.
Dass es bergauf geht, zeigen auch Anfragen in Winterdestinationen wie etwa Zermatt, Arosa oder Andermatt: Wer in letzter Sekunde noch dorthin fuhr, fand meist keine Übernachtungsmöglichkeit mehr und musste auf den Silvester-Kurztrip verzichten. Eric Favre, Direktor des Fünfsternehotels «The Alpina» in Gstaad, schwärmt: «Wir sind komplett ausgebucht. Es sieht ganz nach einem Rekordwinter aus.» Im «Hollywood der Alpen», in St. Moritz, äussern sich die Tourismus-Vertreter ebenfalls euphorisch: «Die Buchungen in der Feriendestination Engadin St. Moritz waren über Weihnachten sehr gut», sagt Stéphanie Elmer vom Tourismus büro. Das Gleiche gelte für die Silvesterzeit. Der frühe Schnee habe dazu bei getragen, dass viele Gäste kurzfristig Ferien gebucht hätten.
Den Festtagstrubel bekommt in erster Linie das Personal zu spüren. «Diese Woche ist hart», sagt ein junger Kellner von Badrutt’s Palace in St. Moritz. Das Nobelhotel, in dem Jetsetter Jürg Marquard seit vielen Jahren die Turmsuite mietet und dort seine reichen Freunde zum glamourösen Silvester-Apéro lädt, macht gemäss Angaben von Sprecherin Claudia Jann vom 22. Dezember bis 6. Januar ein Drittel des Wintersaison-Umsatzes.
Für die Angestellten heisst das: arbeiten von früh bis spät. Freie Tage hat hier derzeit niemand mehr. Der Stress macht sich bezahlt: Immerhin kassiert das Servicepersonal während der Festtage pro Kopf mehr als 1000 Franken Trinkgeld. Die exklusivste Silvester-Party der Schweiz findet am Sonntagabend definitiv im Badrutt’s Palace statt: Rund eine halbe Million Franken investiert Direktor Hans Wiedemann jedes Jahr in die Dekoration, um den Gästen einen einmaligen Abend zu garantieren. Ab 1300 Franken ist man beim Gala-Dinner dabei – exklusive der Getränke. Für die Festtage lagern im Hotel über 4000 Flaschen Champagner sowie rund 40 Kilo Kaviar.
Wie sich der aktuelle Höhenflug der Hotellerie auf die Bergbahnen auswirkt, darüber kann vorerst nur spekuliert werden. «Im Vergleich zu den letzten Jahren war der Start für die Seilbahnen super und wir sind sehr zuversichtlich für diese Saison», sagt Andreas Keller, Sprecher Verband Seilbahnen Schweiz. Ob man aber die Zahlen von 2008 er reiche oder gar übertreffe, könne man erst im April sagen. «Seit 2008 ging es Jahr für Jahr schlechter. Die Anzeichen für einen Rekordwinter sind aber da und wir sind sehr optimistisch.»