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Hungerast: Das steckt dahinter und so kannst du ihn vermeiden

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Wenn du gegen die Wand läufst: Das steckt hinter dem «Hungerast» und so kannst du ihn vermeiden

Einige nennen ihn den «Mann mit dem Hammer», für andere ist es, als würden sie gegen eine Wand laufen. Gemeint ist der Hungerast, ein im Sport häufig auftretendes Phänomen. Doch was verbirgt sich dahinter?
07.07.2016, 09:51
paolo Colombani / fit for life
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Der Hammer, die Wand oder der Hungerast im Marathonlauf ist der Moment – gewöhnlich irgendwo um Kilometer 34 – wo laut eines Artikels des Time-Magazins aus dem Jahre 2010 «der Körper all seine Kohlenhydrat-Speicher aufgebraucht hat und mit der Fettverbrennung arbeiten muss. Dies verursacht Schmerz, Schwindel und extreme Müdigkeit».

Wer dem Hungerast wissenschaftlich auf die Schliche kommen will, rennt ebenfalls rasch gegen eine Wand. Denn obwohl bis zu 50 Prozent der Finisher von Marathonläufen angeben, während des Laufes einen Hungerast erlitten zu haben, gibt es kaum Forschung zu diesem Phänomen. Mit Ausnahme weniger Studien aus der Sportpsychologie.

Eine Kopfsache?

Bei rund 300 Marathonläuferinnen und -läufern mit einer Laufzeit von durchschnittlich vier Stunden untersuchten Psychologen die wesentlichen Merkmale eines Hungerasts. Die am häufigsten genannten Empfindungen waren

  • eine generelle Ermüdung,
  • ein unbeabsichtigtes Langsamerwerden,
  • der Wunsch, zu gehen, anstatt zu laufen,
  • der Fokus-Wechsel weg von einer bestimmten Wunschzeit hin zum Bestreben, den Lauf überhaupt noch zu finishen.

Bei den Ursachen spielten folgende Faktoren eine Rolle:

  • die Angst vor dem Hungerast (wer ihn befürchtete, der lief in der Tat viel häufiger gegen die Wand als die anderen).
  • das Geschlecht (Männer waren fast doppelt so häufig betroffen wie Frauen),
  • die Erfahrung (wer im Vorfeld mehr lange Trainingseinheiten absolvierte, erlitt weniger häufig einen Hungerast).

Beim In-die-Wand-Laufen spielen somit nicht nur die Beine, sondern auch der Kopf eine entscheidende Rolle.

Zu wenig Benzin im Tank?

Ein zentraler Aspekt des Hungerasts ist das unbeabsichtigte Langsamerwerden. Letztlich geht es dabei um die Ermüdung während einer Leistung. Das Schwinden der Kohlenhydratspeicher im Körper ist nur eine von vielen Ursachen.

Die Ermüdung ist auch durch Trainingsstatus, Lauftempo, starke Dehydration, Umgebungstemperatur oder die erwähnten mentalen Aspekte beeinflussbar.

Es wäre daher zu einfach, den Hungerast nur auf das Erschöpfen der Kohlenhydratspeicher zurückzuführen. Der eingangs erwähnte Time-Artikel ist somit nur bedingt richtig.

Und gänzlich falsch ist die Aussage, die Fettverbrennung beginne erst, nachdem die Kohlenhydratspeicher aufgebraucht seien. Die Fettverbrennung läuft von Beginn weg.

Ebenfalls nicht korrekt ist die Pauschalaussage, dass die Kohlenhydrat-Speicher um Kilometer 34 entleert seien. Der Zeitpunkt – oder die Distanz – bei dem die Speicher entleert sind, hängt von der gespeicherten Menge an Kohlenhydraten, der Zufuhr an Kohlenhydraten während des Laufs, der Laufintensität und dem Trainingsstatus ab.

Je nach Kombination dieser Faktoren läuft man bei Kilometer 34 gegen die Wand, bei Kilometer 37 oder erst bei Kilometer 41. Oder gar nicht.

Wie so oft in der Sporternährung kann man somit auch bei den Kohlenhydrat-Speichern – oder speziell beim Hungerast – keine generellen Angaben machen, die für alle gelten.

So kann man die Wand verschieben

Idealerweise versucht man, die «Wand» hinter die Ziellinie zu verschieben.

Langfristige Massnahmen sind:

  • Trainingsmethoden, welche die Ausdauerleistung und Fettverbrennung verbessern,
  • das Austesten einer erhöhten Zufuhr an Kohlenhydraten während des Trainings (bis 90 Gramm pro Stunde sind möglich).

Dieser Artikel ist im aktuellen Fit for Life erschienen:

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Kurzfristige Massnahmen sind:

  • die Kohlenhydrat-Einnahme von acht oder mehr Gramm pro Kilogramm Körpergewicht in den letzten Tagen vor dem Anlass,
  • eine ausreichende Hydration am Tag vor dem Event,
  • kein Verzehr von schwer verdaulichen Nahrungsmitteln in den letzten 24 bis 36 Stunden vor dem Anlass.

Während des Rennens liegt dann der Fokus auf Kohlenhydraten und Flüssigkeit:

  • Rund 60 Gramm pro Stunde (bis 90 Gramm pro Stunde, falls trainiert) und 0,4 – 0,8 Liter pro Stunde.
  • Oder so viel, dass die Schweissverluste am Ziel nicht grösser sind als rund 4 Prozent des Körpergewichts. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn die Pace nicht zu hoch ist.

Falls die Wand dennoch schon vor dem Zielstrich kommt, bleiben zwei Massnahmen:

Pace runter und Kohlenhydrate hoch. Es spielt dann keine grosse Rolle, welcher Art die Kohlenhydrate sind. Hauptsache, es gibt überhaupt welche und die Menge bleibt im üblichen Rahmen von rund 60 Gramm pro Stunde (oder eben 90 Gramm pro Stunde). Mehr kann der Körper nicht aufnehmen, was sich dann meist in Form von Durchfall äussert.

Kennst du den «Hungerast»?

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