Unser Erbgut unterscheidet uns zuverlässig von anderen Menschen: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei nicht miteinander verwandte Menschen dasselbe Erbgut aufweisen, liegt nur bei etwa eins zu einer Milliarde; für blutsverwandte Geschwister beträgt sie 1:10'000. Aus diesem Grund spielt der genetische Fingerabdruck in der Forensik seit den 80er Jahren, als die DNA-Analyse entwickelt wurde, eine wichtige Rolle.
Eineiige Zwillinge aber stellen für Ermittler ein Problem dar: Ihr Erbgut unterscheidet sich nicht – bis auf bestimmte Regionen in den T- und B-Lymphozyten des Immunsystems. Weil sich daher nicht zweifelsfrei eruieren liess, von welchem Zwilling eine gefundene DNA-Probe stammte, mussten schon mehrmals Verfahren eingestellt werden.
Theoretisch bestand zwar die Möglichkeit, im Erbgut von eineiigen Zwillingen nach einzelnen Mutationen zu fahnden. Dazu müsste aber die gesamte DNA beider Zwillinge vollständig sequenziert werden – ein ungeheurer zeitlicher und finanzieller Aufwand.
Englische Wissenschaftler haben jedoch einen Weg gefunden, um die DNA von Zwillingen schnell und kostengünstig auseinanderzuhalten. Graham Williams von der University of Huddersfield und seine Kollegen analysierten zu diesem Zweck die Methylierung der DNA. Darunter versteht man chemische Anlagerungen an der DNA-Doppelhelix, die bei bestimmten Genen das Ablesen verhindern und sie dadurch abschalten.
Diese Methylierung wird, anders als die eigentliche DNA, durch Umwelteinflüsse beeinflusst. Unterschiedliche Umgebungen und Lebensstile – beispielsweise ein Zwilling, der zu rauchen beginnt, während der andere Nichtraucher bleibt – ziehen daher eine unterschiedliche Methylierung nach sich.
Um die Unterschiede in der Methylierung festzustellen, erhitzen die Wissenschaftler das Erbgut so lange, bis sich die Einzelstränge der DNA-Doppelhelix voneinander lösen – ein Vorgang, der «Aufschmelzen» genannt wird. «Wenn eine DNA-Sequenz stärker methyliert ist als die andere, dann werden sich die Schmelztemperaturen beider Proben unterscheiden», sagt Williams. Dieser messbare Temperaturunterschied ermögliche die Unterscheidung der eineiigen Zwillinge.
Das neue Analyseverfahren, HRMA (High resolution melt curve analysis, «hochauflösende Schmelzkurven-Analyse») genannt, funktioniert allerdings nur dann, wenn ausreichend DNA-Material zur Verfügung steht. Dies ist an einem Tatort nicht immer der Fall. Hinzu kommt der Umstand, dass die Methylierung sich bei jungen Zwillingen oder solchen, die in sehr ähnlichen Umgebungen leben, nicht ausreichend unterscheiden könnte.
Trotz dieser Einschränkungen sind Williams und sein Team davon überzeugt, dass ihre Analysen den Weg zu einem relativ schnellen und billigen Testverfahren geebnet haben, das die Unterscheidung von eineiigen Zwillingen bei forensischen Untersuchungen ermöglicht. (dhr)