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Schwarzer Tod: Die Pest überlebte Jahrhunderte in Europa

Verheerender Seuchenzug: Bürger der Stadt Tournai (heute Belgien) begraben ihre Toten.
Verheerender Seuchenzug: Bürger der Stadt Tournai (heute Belgien) begraben ihre Toten.
Bild: Wikimedia Commons

Forscher zeigen auf: Die Pest überlebte Jahrhunderte in Europa

13.01.2016, 20:16
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Die Pest hat in den vergangenen Jahrhunderten Millionen von Menschenleben gekostet. Auch in Europa wütete sie in mehreren Wellen. Forscher haben nun entdeckt, dass der Erreger nicht nur eingeschleppt wurde, sondern auf dem Kontinent auch überdauert haben könnte.

Darauf deuten Bakteriengene hin, die Forscher in Skeletten aus dem 14. bis 17. Jahrhundert in München und Brandenburg entdeckt haben. Demnach wurde der Erreger – das Bakterium Yersinia pestis – nicht nur wie bekannt immer wieder in Seuchenzügen neu eingeschleppt. Das berichten deutsche Wissenschafter im Fachjournal «PLOS ONE».

Tödliches Bakterium: Der Pesterreger, Yersinia pestis.
Tödliches Bakterium: Der Pesterreger, Yersinia pestis.
Bild: AP Rocky Mountain Laboratories

«Wir haben in den Zähnen der untersuchten Skelette Erbinformationen des Pesterregers gefunden und den molekularen Fingerabdruck untersucht», sagte Holger Scholz vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Vergleiche zeigten, dass die Erreger aus verschiedenen Pest-Wellen genetisch nahezu identisch waren. Somit könne das Bakterium auch in Europa selbst überlebt haben.

Die Pest existiert bis heute
Die erste belegte Pestepidemie begann im 6. Jahrhundert. Allein im 14. Jahrhundert tötete der Erreger Yersinia pestis nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 50 Millionen Menschen.

Die Krankheit tritt in verschiedenen Formen auf, die alle zum Tod führen können: Die Beulenpest wird durch einen Floh verbreitet und äussert sich unter anderem in der Schwellung von Lymphknoten. Die Lungenpest gelangt über die Atemluft von Mensch zu Mensch.

Symptome sind unter anderem Husten und blutiger Auswurf. Zudem kann alleine oder als Komplikation der anderen Formen eine Pestsepsis entstehen, eine Blutvergiftung durch den Pesterreger, mit Verwirrtheit, Nierenversagen, Milz- und Lebervergrösserungen bis zum Herz-Kreislauf-Kollaps.

1894 wurde das Bakterium Yersinia pestis entdeckt. Heutzutage sind bei früher Diagnose die Heilungschancen durch Antibiotika hoch. Die WHO zählte 2013 dennoch knapp 800 Erkrankte, von denen 126 starben. 
(sda/dpa)

Vergleich des genetischen Fingerabdrucks

Gemeinsam mit Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität und der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie in München hat der Mikrobiologe 30 Skelette untersucht. Aus 6 davon liess sich das Erbgut der Pestbakterien zu Analysen verwenden.

Damit konnten die Wissenschafter die Pesterreger-Stämme von der Mitte des 14. bis weit ins 17. Jahrhundert hinein vergleichen. Zudem wurden die Ergebnisse mit bereits entzifferten Erreger-Genen anderer Skelette in Europa abgeglichen.

In welchem Wirt der Erreger überlebt hat, ist allerdings nicht bekannt. «Vielleicht waren es Läuse, aber das können wir nicht nachweisen», sagte der Molekularbiologe Scholz.

Europäische Linie

Pestexperte und Paläogenetiker Johannes Krause von der Universität Tübingen sieht die Ergebnisse seiner Kollegen als spannenden Hinweis darauf, dass es bei der Pest tatsächlich eine europäische Linie gab, die heute aber wieder ausgestorben ist.

Der Pestzug im Mittelalter.
Der Pestzug im Mittelalter.
Bild: Wikipedia

«Wir finden das gleiche Muster in einer ähnlichen Studie und kommen auch zu dem Schluss, dass wir in Europa nach dem Schwarzen Tod einen Pest-Stamm haben, der sich daraus entwickelte und über die nächsten Jahrhunderte in Europa existiert hat», sagte Krause. Als Schwarzer Tod wird die mehrjährige Pestepidemie in Europa ab 1347 bezeichnet.

Wissenschafter gehen schon seit Jahrzehnten der Frage nach, warum die Pest über drei Jahrhunderte in Europa existieren und es immer wieder zu grossen Pandemien kommen konnte.

Eine Theorie geht davon aus, dass sie immer wieder über die Handelswege aus Zentralasien eingeschleppt wurde. Eine andere besagt, dass der Pesterreger auch irgendwo in Europa ein Zuhause gefunden und so die Infektionen ausgelöst hat. Beides scheint nun möglich. Weltweit werden weiterhin Pestfälle gemeldet, vor allem aus Afrika. (dhr/sda/dpa)

Doku: «Der Schwarze Tod – Pest im Mittelalter.»
YouTube/suicidal667
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So sportli­ch war das Mittelalter
Wenn man an Sport denkt, kommen Bilder der modernen Sportarten hoch: Fussball, Rennvelos, Rugby und Skifahren. Doch was ist eigentlich mit dem lange verklärten Mittelalter? Gab es damals schon Sport und ist dieser für den Raum der heutigen Schweiz vergleichbar mit modernen Wettbewerben?

Zur Frage, ob Sport im Mittelalter und darüber hinaus bereits praktiziert wurde, ist eine lang anhaltende Debatte auszumachen: Modernisten gegen Traditionalisten, quasi. Erstere sagen, Sport sei erst mit der Industrialisierung, der damit verbundenen Freizeitgestaltung und der Säkularisierung entstanden. Erst ab dem 19. Jahrhundert hätten Menschen sportliche Wettbewerbe bestritten, einheitliche Regeln erfunden und sich in Clubs und Vereinen organisiert.

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