Es gibt heutzutage ganz verschiedene Arten von Stadtplänen: U-Bahn-Pläne, Karten für Feinstaub und die coolsten Kneipen, sogar Übersichten leerstehender Wohnungen gibt es. Jeder kleinste Winkel der Stadt wird vermessen, auf Google Street View können wir bis in den Vorgarten des Nachbarn hineinzoomen. Doch was ist mit Gerüchen? Wie riecht es in den Strassen? Wo duftet es nach frischen Croissants? Und wo stinkt es nach Fisch oder Abgasen?
Ein internationales Forschungsteam um Daniele Quercia von der University of Cambridge ist diesen Fragen nachgegangen. Zunächst erstellten die Wissenschaftler ein «Urban Smell Dictionary», ein Wörterbuch, das die gängigsten Begriffe für Geruchsempfindungen erfasste (etwa Backwaren, Dung, Benzin, Rauch, Urin). Für ihre Analyse in den Städten London und Barcelona zogen sie geobasierte Daten der sozialen Netzwerke Flickr, Twitter und Instagram heran.
Der Hintergrund: Ist bei dem Nutzer der Ortungsdienst aktiviert, kann man seine Tweets und Posts einem Standort zuordnen. Auf Flickr sammelten die Forscher eine halbe Million Bilder (inklusive Text), die in den Stadtgrenzen von London und Barcelona aufgenommen wurden. Hinzu kamen noch 35'000 Instagram-Fotos sowie 113'000 geobasierte Tweets. Allein für London identifizierten die Forscher auf Instagram über eine halbe Million «Geruchswörter».
Die Tags und Tweets wurden danach mit dem Vokabular des Wörterbuchs verglichen und bestimmten Kategorien zugeordnet: zum Beispiel Metro, Müll, Emissionen und Essen. Die Social-Media-Daten wurden schliesslich in Verbindung mit Daten zur Luftqualität auf die einzelnen Stadtbezirke heruntergebrochen.
Herausgekommen sind «urban smellscapes» bzw. «smelly maps», Stadtpläne der Gerüche. Auf dem Kartenmaterial kann man detailliert nachsehen, in welchen Strassenzügen Londons oder Barcelonas es besonders nach Tieren, Natur oder Essen riecht. Zum Beispiel duftet es auf dem Boqueria-Markt in Barcelona und dem Borough Market in London besonders gut nach Essen. Abfall- und Rauchgerüche konzentrieren sich in den Bargegenden Barceloneta und Blackfriars in London. Auch der Gestank von Emissionen wurde – anhand von Schlüsselbegriffen wie Treibstoff, Benzin oder Staub – auf der Karte abgetragen.
Die katalanische Metropole schneidet in der Feinstaubbilanz deutlich besser ab als London. Das Urteil, das die Forscher fällen, ist eindeutig: «Barcelona ist vorwiegend durch Gerüche, die mit Essen und Natur verbunden sind, charakterisiert, wohingegen London durch Abgase und Abfall gekennzeichnet ist.»
Die «stinkmap», wie sie einige Medien bereits apostrophieren, könnte für Stadtplaner ein wichtiger Anhaltspunkt sein, wie man bestimmte Quartiere von Geruchsbelästigungen befreit. Feinstaubwerte sind meist nur ein grober Indikator. Emissionen haben auch einen subjektiven Charakter, das machen die Forscher in ihrem Paper deutlich. Gerüche prägen in hohem Masse das Erlebnis von Städten.
Das Innovative an der Studie ist, dass sie die bisherigen Stadtpläne um eine neue Facette ergänzt. Vielleicht gelingt es Computerwissenschaftlern demnächst eine Navigations-App zu programmieren, die uns den olfaktorisch angenehmsten Weg durch die Stadt weist. Die Losung «Immer der Nase nach» bekäme dann eine ganz neue Bedeutung.