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Unsere düstere Seite half uns, die Welt zu besiedeln

Darstellung eines archaischen Homo sapiens: Ein Stammesgenosse mit einem Groll und einem Speer konnte eine tödliche Gefahr sein.
Darstellung eines archaischen Homo sapiens: Ein Stammesgenosse mit einem Groll und einem Speer konnte eine tödliche Gefahr sein.
Bild: PD

Migration in der Urzeit: Unsere düstere Seite half uns dabei, die Welt zu besiedeln

27.11.2015, 10:1827.11.2015, 10:36
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Vor fast zwei Millionen Jahren entstand in Ostafrika eine neue Menschenart: Homo erectus, der «aufgerichtete Mensch». Rund 300'000 Jahre lang begnügte er sich mit seiner afrikanischen Heimat, dann breitete er sich nach Asien und Europa aus. Und zwar gemächlich: Bis er Indonesien erreichte, verging knapp eine Million Jahre. 

Rekonstruktion eines Homo erectus.
Rekonstruktion eines Homo erectus.
Bild: PD

Ganz anders unser direkter Vorfahre: Homo sapiens, entstanden vor etwa 200'000 Jahren, war ein wahrer Migrations-Turbo. Zwar blieb er die ersten 100'000 Jahre in Afrika, doch als er dann aufbrach, gelangte er in nur gerade 50'000 Jahren nach Australien. Was war es, das unsere Ahnen so zur Eile antrieb? 

Penny Spikins glaubt die Antwort auf diese Frage zu kennen: Es waren nicht ökologische Zwänge oder das Bevölkerungswachstum, die das Tempo der Migration beschleunigten, sagt die Paläoanthropologin von der Universität York, sondern Veränderungen in den Beziehungen der Menschen untereinander.

Die Kehrseite der engen Zusammenarbeit

Um ihr Überleben zu sichern, mussten die frühen Menschen immer enger miteinander zusammenarbeiten; sie waren voneinander abhängig. Je enger die Zusammenarbeit wurde, desto stärker entwickelte sich ein Bedürfnis, Artgenossen auszugrenzen und zu bestrafen, die Abmachungen nicht einhielten oder sonst wie nicht kooperieren wollten. Damit entwickelte unsere Spezies, glaubt Spikins, eine «düstere Seite». 

Die religiösen und emotionalen Bande, die eine Gruppe in der Krise zusammenhalten konnten, hatten eine Kehrseite: Menschen, deren Vertrauen zerstört wurde und die sich verraten fühlten, konnten heftige negative Gefühle entwickeln – Aggressionen, die mitunter auch tödliche Folgen hatten.

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Lieber das Weite suchen

Mit der verbesserten Waffentechnik war zudem jeder Stammesgenosse mit einem Groll und einem Speer eine tödliche Gefahr. Dies sorgte dafür, dass Personen, die sich in einem Konflikt mit einer anderen Person oder Gruppe wiederfanden, vorsichtshalber Abstand nahmen. Zugleich erleichterten es die grösseren sozialen Gruppen, andere Aussenseiter zu finden, mit denen man eine neue Kolonie gründen konnte. 

Verbreitung des Homo sapiens nach dem Aufbruch aus Afrika, 100'000 Jahre vor unserer Zeit. 
Verbreitung des Homo sapiens nach dem Aufbruch aus Afrika, 100'000 Jahre vor unserer Zeit. 
Karte: Universität York

«Moralische Konflikte machen Menschen mobiler – der wütende Ex-Verbündete, Ex-Freund oder die ganze Gruppe, bewaffnet mit einem vergifteten Speer, nach Rache oder Gerechtigkeit dürstend, sind ein starker Beweggrund, das Weite zu suchen, selbst wenn es ziemlich riskant ist», schreibt Spikins in ihrer Studie, die im Fachmagazin «Open Quaternary» erschienen ist. 

Die deutliche Beschleunigung der Wanderungsbewegung unserer Spezies, die vor 90'000 bis 100'000 Jahren einsetzte, habe sich also menschlichen Emotionen verdankt – und es gebe auch keine Parallele dazu im Tierreich, stellt Spikins fest. (dhr)

Dok: «Die Anfänge der Menschheit (3/3) – Homo sapiens, der letzte seiner Art.»
YouTube/HeldDerDokus

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