1683 hielt das Abendland den Atem an: Die Türken standen vor Wien. Die zweite Belagerung der kaiserlichen Residenzstadt durch ein osmanisches Heer nach 1529 dauerte vom 14. Juli bis 12. September. Fast gelang es den Osmanen, die Stadt zu erobern. Erst als ein Ertsatzheer eintraf, zogen sie sich zurück.
Und die Türken liessen so einiges zurück, wie sich jetzt zeigt: Bei Erdarbeiten für ein Einkaufszentrum in Tulln in Niederösterreich ist ein vollständiges Kamel-Skelett entdeckt worden. Eine kleine, verblüffende Spur der welthistorischen Schlacht, versteckt seit dem 17. Jahrhundert in einem uralten Keller.
Der Fund sei einzigartig, berichten Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Online-Fachjournal «Plos One». Bisher habe man nur Teile von Kamelen gefunden, denn meist wurden die Tiere nach dem Verenden zerlegt und zumindest teilweise gegessen. Das in Tulln ausgegrabene Exemplar ist laut Studienautor Alfred Galik vom Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie das erste vollständig erhaltene Kamel, das bisher in Mitteleuropa entdeckt wurde.
Das Skelett war bereits 2006 in einem ehemaligen Keller in Tulln gefunden worden und wurde seither eingehend unter die Lupe genommen. 2012 war es schon im Rahmen einer Sonderausstellung im Tullner Römermuseum zu sehen.
«Das Kamel war wohl eher ein Reit- als ein Lasttier», sagte Galik mit Verweis auf die geringen Verformungen der Knochen. Berichte aus jener Zeit sowie weitere Fund legten nahe, dass die Osmanen damals auch das nahe bei Wien gelegene Tulln belagert hätten. Doch die Gegnerschaft sei wohl nicht besonders ausgeprägt gewesen, wie ein Gefangenenaustausch belege.
Jedenfalls könne das Kamel als exotische Kuriosität in die Stadt an der Donau gelangt und dort später «aufgrund unsachgemässer Behandlung» gestorben sein, erklärte Galik. Zusammen mit Müll wurde es vor fast 333 Jahren im Keller eines zerstörten Gebäudes verscharrt.
Das männliche, mindestens sieben Jahre alte Kamel sei streng genommen ein Tulu, eine Kreuzung aus Dromedar und Trampeltier, sagte der Wissenschaftler unter Berufung auf DNA-Analysen. Die Öffentlichkeit werde wohl keinen Blick auf das Skelett werfen können. Die Knochen wandern nach den Untersuchungen in ein Lager. (dhr/sda/dpa)