Unrecht Gut gedeiht nicht – aber wenn es in einer kühnen Aktion geklaut wurde, können wir fast nicht anders, als beeindruckt zu sein. Wie bei diesen 10 ingeniösen Raubzügen, die uns Bewunderung und ein wenig Neid einflössen:
Das rote Signal, das den Lokführer in der Nacht auf den 8. August 1963 dazu bringt, den Postzug von Glasgow nach London zu stoppen, ist eine Falle: Er wird niedergeknüppelt, dann koppeln die Räuber die Lokomotive und zwei Waggons ab. Sie erbeuten 120 Säcke mit rund zweieinhalb Tonnen Bargeld – ein Jahrhundertraub. Zunächst tappt die Polizei im Dunkeln, doch dann finden die Ermittler das Versteck, das die Räuber benutzt haben, und kann in der Folge zwölf von ihnen verhaften.
Obwohl die insgesamt 16 Täter beim sorgfältig geplanten Überfall keine Schusswaffen eingesetzt haben, werden sie zu drakonischen Haftstrafen von bis zu 30 Jahren verurteilt. Der bekannteste von ihnen ist Ronald Biggs, dem die Flucht aus dem Gefängnis gelingt. Bis 2001 sitzt Biggs – mittlerweile völlig mittellos – in Brasilien im Exil, dann kehrt er freiwillig nach England zurück, wo er bis 2009 erneut in Haft kommt. Auch der Anführer, Bruce Reynolds, kann zuerst fliehen. Ein Englandaufenthalt wird ihm 1968 zum Verhängnis; er sitzt bis 1978 ein.
Nur mit Spielzeugpistolen bewaffnet erbeuten acht Männer am 1. September 1997 eine gewaltige Summe: Sie fahren als Telecom-Mitarbeiter getarnt in einem Lieferwagen bei der Zürcher Fraumünsterpost vor und transportieren in nur vier Minuten mehrere Kisten mit 53 Millionen Franken ab. Ihre Beute könnte noch grösser sein – weitere 17 Millionen Franken müssen sie zurücklassen, weil ihr Fahrzeug zu klein ist. Dennoch ist ihr Coup der grösste Raub der Schweizer Kriminalgeschichte.
Lange können sich die Posträuber jedoch nicht an ihrer Beute erfreuen – weil sie sich zu sehr an ihr erfreuen. Sie verprassen grosse Summen im Casino, wollen mit Bargeld eine Villa kaufen, prahlen herum. Bald wird einer nach dem andern verhaftet; der letzte etwa ein Jahr nach dem Coup in Miami. Auch der Informant bei der Post wird festgenommen. Die Posträuber erhalten Strafen bis zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus; mehrere von ihnen werden später erneut straffällig. Rund die Hälfte der geraubten Summe bleibt bis heute verschwunden.
«So etwas sieht man sonst eigentlich nur im Kino», kommentiert der Chef der Polizei im brasilianischen Bundesstaat Ceara nach dem Coup. Tatsächlich versetzen die Diebe – übrigens genau am Jahrestag des grossen Postzugraubs – mit ihrer Aktion die Ermittler in Erstaunen: Sie stehlen 3,5 Tonnen Banknoten im Wert von umgerechnet 64 Millionen Franken, und zwar ausschliesslich nicht registrierte, gebrauchte 50-Reais-Scheine, die aus dem Verkehr gezogen werden sollten.
Um an diese stattliche Beute zu gelangen, graben sie einen 80 Meter langen Tunnel, komplett mit Beleuchtung und Entlüftung. Sechs Lastwagen-Ladungen Aushub transportieren sie weg, aber das fällt nicht auf, weil der Tunneleingang in einem Gartenbaugeschäft liegt. Sie müssen eine zwei Meter dicke Betonmauer zum Tresorraum durchbrechen und die Sicherheits-Stahlnetze überwinden. Die Haupttäter werden schliesslich erwischt und zwischen 2008 und 2010 zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Das Geld bleibt zum grössten Teil verschwunden.
Der grösste Bankraub in der Geschichte der Niederlande findet 1944 im Zweiten Weltkrieg statt, als die Niederlande noch deutsch besetzt sind. In der Nederlandsche Bank in Almelo wartet eine grosse Geldsumme für den Weitertransport nach Deutschland, als zwölf Mitglieder des Widerstands die Bank überfallen. Sie können 13 Geldkisten mit über 46 Millionen Gulden in einem Lastwagen abtransportieren. Die niederländische Exil-Regierung hat die Aktion erlaubt; das Geld soll einen Eisenbahnerstreik finanzieren.
Doch zwei Wochen später erwischen die Deutschen einen der Täter bei einer Routinekontrolle und finden darauf sowohl dessen Komplizen wie auch das Geldversteck in einem Heuschober. Neun der Bankräuber kommen in ein KZ, nur einer von ihnen überlebt die Haft und kehrt nach dem Krieg zurück.
Mit Schneidbrennern und Brecheisen rücken die Bankräuber während eines verlängerten Wochenendes den Schliessfächern im Keller der Société Générale in Nizza zu Leibe. Dazwischen nehmen sie sich Zeit für ein Picknick – auf dem Silbergeschirr, das sie aus den Schliessfächern geholt haben. Ihre Komplizen überwachen derweil von draussen das Kommen und Gehen von Reinigungs- und Sicherheitspersonal und warnen die Männer im Keller über Walkie-Talkies. Als starke Regenfälle einsetzen, ziehen sie sich durch die Kanalisation zurück – bis zum Hals im Wasser.
Einige Stunden später wird das Verbrechen entdeckt. Im Schliessfachraum steht die Inschrift: «Ohne Schüsse, ohne Gewalt, ohne Hass». Die 13 Täter haben seit dem 7. Mai von der Kanalisation aus einen acht Meter langen, professionell abgestützten und ausgekleidetenTunnel in den Keller der Bank gegraben. Im Oktober kann die Polizei mehrere Täter verhaften, darunter das mutmassliche Gehirn des Bankraubs, Albert Spaggiari. Dem gelingt jedoch im März 1977 eine spektakuläre Flucht – er springt aus dem zweiten Stock auf ein parkendes Auto und verschwindet mit einem Komplizen auf einem Motorrad.
Ein Valentinstag-Geschenk der besonderen Art machen sich Leonardo Notarbartolo und seine Komplizen an diesem 16. Februar 2003: Sie lassen sich am Wochenende im Diamond Center im Antwerpener Diamantendistrikt einschliessen, brechen dann 123 der 160 Schliessfächer auf und räumen sie leer. Diamanten und Wertpapiere im Wert von umgerechnet 116 Millionen Franken wechseln den Besitzer, möglicherweise beträgt die Beute sogar das Vierfache. Jedenfalls handelt es sich um den grössten Edelsteinraub der Geschichte.
Die Diebe haben den Coup minutiös geplant. Notarbartolo verkehrt seit rund zwei Jahren als Händler getarnt im Center und spioniert die umfangreichen Sicherheitsmassnahmen aus: Doppelradar, Wärmesensoren, Bewegungsmelder, Zahlenschlösser mit Millionen von möglichen Kombinationen. Ein bekannter Mafioso hat zuvor erklärt, es gebe da kein Reinkommen – das alles sei «so dicht wie der Hintern einer Nonne». Zum Verhängnis wird den Ganoven ein angebissenes Sandwich mit Notarbartolos DNA, das am Tatort gefunden wird. Drei Täter erhalten Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren. Die Beute bleibt bis heute verschwunden.
Januar 1976: Im Libanon herrscht Chaos, das Land versinkt im Bürgerkrieg. Eine der Parteien ist Jassir Arafats Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die sich zu einem eigenen Machtfaktor in dem Levantestaat entwickelt hat. Die PLO braucht Geld für ihren Kampf gegen Israel – und nutzt die Wirren des Krieges, um es sich zu beschaffen. Eine zur PLO gehörende Gruppierung überfällt am 26. Januar die British Bank of the Middle East in Beirut, eine HSBC-Tochter.
Die Täter sprengen einfach eine Seitenwand, dringen in den Tresorraum ein und plündern, vermutlich mithilfe eigens eingeflogener korsischer Spezialisten, die Schliessfächer. Der Abtransport der Beute – Bargeld, Aktien, Gold und Juwelen im Wert von heute umgerechnet knapp 100 Millionen Franken – dauert zwei Tage.
Monatelang haben die Männer still und leise gearbeitet. Am zweiten Januar-Wochenende 2013 fahren sie die Ernte ein: Sie knacken die Schliessfächer in der Volksbank-Filiale in Berlin-Steglitz und erbeuten Bargeld, Münzen, Schmuck und Goldbarren im Wert von rund 10 Millionen Euro. In den Schliessfachraum eingedrungen sind sie über einen 45 Meter langen Tunnel, den sie von einer mit falschen Papieren gemieteten Tiefgarage aus gegraben haben. Weder Täter noch Beute sind bis heute gefunden worden, trotz 50'000 Euro Belohnung.
Am frühen Morgen des St.Patrick Day 1990 machen die beiden Wachleute im Bostoner Gardner Museum einen entscheidenden Fehler: Sie verlangen keinen Ausweis, als zwei Polizisten wegen einer Alarmmeldung auftauchen und Einlass verlangen. Kaum haben die Wachen die Polizisten hereingelassen, werden sie von diesen überwältigt und im Keller gefesselt – die Beamten sind nicht echt, sondern Ganoven, die sich nun anschicken, den grössten Kunstraub der Geschichte zu begehen.
Die falschen Polizisten schalten die Alarmanlagen aus und schneiden dann 13 wertvolle Gemälde aus ihrem Rahmen, darunter Kunstwerke von Vermeer, Rembrandt, Degas und Manet. Der Sammlerwert der Beute beläuft sich nach neueren Schätzungen auf 500 Millionen Dollar. 30 FBI-Agenten arbeiten an dem Fall, eine Belohnung von fünf Millionen Dollar wird für die Ergreifung der Täter ausgesetzt – vergeblich. Erst 2013 gibt das FBI bekannt, man habe die Diebe identifiziert. Von den Gemälden aber fehlt nach wie vor jede Spur.
Nur eine Viertelstunde dauert der Überfall auf die Pariser Filiale des Juweliers Harry Winston. Vier Männer, drei davon als Frauen verkleidet, betreten am späten Nachmittag das Geschäft in der feinen Avenue Montaigne unweit der Champs-Elysées. Sie bedrohen die anwesenden Angestellten – deren Vornamen sie kennen – und Kunden mit Pistolen und einer Handgranate, dann räumen sie Auslagen und Vitrinen leer. Es wird kein Schuss abgegeben.
Sechs Monate nach dem Rekordraub verhaftet eine Spezialbrigade gegen Bandenkriminalität in und um Paris insgesamt 25 Verdächtige. Die Beamten können Teile der Beute, Waffen und Bargeld sicherstellen. Anderthalb Jahre danach entdeckt die Polizei mehrere Ringe und Ohrstecker, die in einem Abwasserkanal in einem Wohnhaus im Grossraum Paris in Beton eingegossen waren.