Wissen
International

Milliarden-Schatz: Das Ringen um die Galeone «San José»

Milliarden-Schatz in der Karibik: Das Ringen um die Galeone «San José»

28.08.2016, 17:03
Mehr «Wissen»
Action off Cartagena, 28 May 1708. Undatiertes Ölgemälde von Samuel Scott (1702–1772), National Maritime Museum. Dargestellt ist die Explosion der San José.
Die «San José» explodiert während des Gefechts mit der englischen Flotte vor Cartagena. Gemälde von Samuel Scott.Bild: PD

Im Bauch des Schiffs sollen Münzen und Edelsteine im Wert von mehreren Milliarden liegen. Nicht nur Wissenschaftler, auch Schatzsucher haben deshalb ein Auge auf das Wrack geworfen. Kolumbien jedoch betrachtet die «San José» als kulturelles Erbe.

«Das Wort Schatz existiert in der Sprache der Archäologen gar nicht. Alle Artefakte des Schiffs gehören zum kulturellen Erbe der Kolumbianer und sind damit unveräusserlich.»
José Luis Socarrás, Archäologe

Die spanische Galeone «San José» sank 1708 vor der Küste Kolumbiens nach einer erbitterte Seeschlacht gegen die Flotte des englischen Admirals Charles Wager auf den Meeresgrund – und mit ihr Millionen Gold- und Silbermünzen, Smaragde und wertvolles Geschmeide. Als Wissenschaftler Ende vergangenen Jahres Teile des Wracks vor der Hafenstadt Cartagena entdeckten, war das eine archäologische Sensation.

«Der Fund erlaubt uns, die Handelsrouten zwischen Spanien und seinen Kolonien in Amerika zu verstehen und etwas über die Lebensweise der Menschen und die Schifffahrtstechnik dieser Epoche zu erfahren», sagt der Leiter der archäologischen Programms an der Universidad Externado de Colombia, José Luis Socarrás.

Für Schatzjäger, die auf fette Beute hoffen, hat der Wissenschaftler wenig Verständnis. «Das Wort Schatz existiert in der Sprache der Archäologen gar nicht. Alle Artefakte des Schiffs gehören zum kulturellen Erbe der Kolumbianer und sind damit unveräusserlich», sagt Socarrás. 

3 bis 17 Milliarden US-Dollar

Dass Schatzsucher ein ganz unwissenschaftliches Interesse an der «San José» haben, ist jedoch nachvollziehbar: Die Schätzungen zum Wert der Ladung reichen von 3 bis 17 Milliarden US-Dollar.

History
AbonnierenAbonnieren

Wem das Schiff gehört, ist allerdings umstritten. Gleich nach der Entdeckung der «San José» meldete Spanien seine Ansprüche an. Madrid pochte auf eine Konvention der Unesco über den Schutz von Gütern auf dem Meeresgrund. Nach diesem Abkommen gehören gesunkene Kriegsschiffe dem Staat ihrer Herkunft. Kolumbien hat die Konvention allerdings nicht unterzeichnet.

Mittlerweile zeigen sich die Spanier versöhnlicher. «Wir sind im Gespräch», sagte der Leiter des spanischen Kultur-Instituts «Acción Cultural Española», Miguel Ángel Recio Crespo, Anfang Juli bei einem Besuch in Mexiko. «Ich vertraue darauf, dass wir uns konkret austauschen, wenn die Arbeiten voranschreiten.» 

Artifacts found in the wreckage of Spanish galleon San Jose are seen in this undated handout photo provided by the Colombian Ministry of Culture on December 5, 2015. Colombia will build a museum to sh ...
Die Kanonen konnten nicht verhindern, dass die «San José» von den Engländern versenkt wurde. Bild: HANDOUT/REUTERS

In ungefähr 600 Meter Tiefe

Die Bergung des Wracks ist ausgesprochen kompliziert. «Die Galeone befindet sich in ungefähr 600 Meter Tiefe. Dort kann natürlich kein Mensch hin. Da müssen hoch entwickelte Sensoren und Roboter zum Einsatz kommen», sagt Archäologe Socarrás. «Die nächste Herausforderung wird die Konservierung der verschiedenen Materialien wie Holz, Metall und Keramik sein. Aber wir verfügen über die notwendige Technologie.»

epa05056405 An undated photo made available on 06 December 2015 and released on 05 December 2015 by the Ministry of Culture of Colombia shows pots at the underwater archaeological site of the 18th-cen ...
Töpfe an der Fundstelle des Wracks vor der Küste Kolumbiens.  Bild: EPA/COLOMBIA MINISTRY OF CULTURE HO

Spanien hatte zuvor vorgeschlagen, das Wrack einfach auf dem Meeresgrund zu belassen. «Dort liegen Hunderte Spanier begraben, die bei dem Schiffbruch ums Leben kamen», sagte Justizminister Rafael Catalá Polo. «Wir denken, es wäre das Beste, das kulturelle Erbe zu akzeptieren und es dort zu belassen, wo es ist.»

Davon hält die kolumbianische Regierung indes nichts. «Wir werden die Galeone »San José« bergen», kündigte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos kürzlich an. «Das ist ein archäologisches, wissenschaftliches Projekt – kein kommerzielles.» Die ganze Welt solle von dem Sensationsfund profitieren, nicht nur einige Schatzsucher.

«Wir ziehen weitere rechtliche Schritte in Erwägung.»
Sea Search Armada

Hartnäckige US-Schatzsucher

Die klare Ansage richtete sich vor allem an das US-Unternehmen Sea Search Armada. Die Amerikaner wollen das Wrack bereits in den 1980er Jahren geortet haben und beanspruchen die Hälfte des Gewinns. Sie hätten zehn Millionen US-Dollar in die Suche und weitere zwei bis drei Millionen Dollar in den Rechtsstreit mit Kolumbien gesteckt, schreiben die professionellen Schatzsucher in einer Stellungnahme.

Das Verfahren durchlief verschiedene nationale und internationale Instanzen. Im Oktober 2011 wies ein US-Gericht schliesslich alle Ansprüche von Sea Search Armada als unbegründet zurück. «Wir ziehen weitere rechtliche Schritte in Erwägung», heisst es bei Sea Search Armada. Denkbar sei beispielsweise eine Beschwerde wegen Verletzung eines Handelsabkommens zwischen den USA und Kolumbien.

Archäologe Socarrás will die Schatzsucher noch nicht mal in die Nähe der «San José» kommen lassen. «Die Schatzjäger-Industrie ist verantwortlich für die Zerstörung von hunderten Fundstellen auf der ganzen Welt. Ihre einzige Motivation ist es, Objekte des kulturellen Erbes zu verscherbeln», sagt der Wissenschaftler. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Randen
28.08.2016 17:14registriert März 2014
Aber die Spanier haben das doch alles gestohlen oder nicht?
488
Melden
Zum Kommentar
avatar
smoe
28.08.2016 20:16registriert Januar 2014
Die Spanier und Europa generell sollte lieber sehr still sein, wenn es um Ansprüche in Lateinamerika geht.

Aber auch der alleinige Anspruch Kolumbiens ist aus meiner Sicht nicht ganz klar (zumindest historisch, juristisch wohl schon). Kolumbien gab es wie die anderen Länder um 1700 nicht. Es waren von den Invasoren deklarierte, teilweise die heutigen Landesgrenzen überspannende Provinzen, welche in dem Teil Südamerikas von Bogotá aus regiert wurden. Dieses "Neue Königreich von Granada" war wiederum dem "Vizekönigreich Peru" unterstellt, das den Grossteil des Kontinents umfasste. Aus diesem ganzen Gebiet stammen auch die an Bord der San José zu findenden "Schätze"

Ich weiss nun auch nicht, wie es sich am besten lösen liesse, dass einerseits kein Ausverkauf an Kulturgütern stattfindet und anderseits alle beraubten Gebiete vom Fund profitieren können.
271
Melden
Zum Kommentar
6
10 Kuriositäten aus der Geschichte des Sechseläuten – und was du sonst noch wissen willst

Alle Jahre wieder «chlöpfts» in Zürich: Am Montag, dem 15. April 2024, findet das Sechseläuten statt. Hier findest du die Geschichte von zehn kuriosen Sechseläuten sowie die wichtigsten Infos zu diesem Jahr – damit du weisst, wo du wann fürs Spektakel bereitstehen musst.

Zur Story