Friede, Freude, Eierkuchen – nur sehen Ferien leider nicht immer so aus.
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Viele Beziehungen gehen nach gemeinsamen Ferien in die Brüche. Warum? Das erklärt der Paarberater Wolfgang Schmidbauer. Sein Tipp: ein bisschen mehr Distanz wagen.
Herr Schmidbauer, es heisst, dass jede dritte Scheidung nach gemeinsamen Ferien eingereicht wird. Ein realistischer Wert?
Wolfgang Schmidbauer: Ich denke, das kommt hin. Konflikte sind leichter zu neutralisieren, wenn man sich nur kurz sieht, täglich zur Arbeit geht und abgelenkt ist. Oft plant ein Paar ja auch einen Urlaub, um herauszufinden, ob noch was geht. Und manchmal kommt dabei raus, dass die Konflikte nicht daran liegen, dass man zu wenig Zeit füreinander hat.
Viel Zeit zusammen zu haben, ist dann eine unerwartet grosse Herausforderung?
Für die Verarbeitung von Kränkungen und Konflikten ist es ganz wichtig, eine Rückzugsmöglichkeit zu haben. Konflikte eskalieren immer, wenn der Rückzug reduziert wird.
Soll man also dem Partner ausgerechnet in den lang ersehnten gemeinsamen Ferien mehr Zeit allein gönnen?
Diese «liebevolle Trennung» ist ganz wichtig. Dass man sagen kann: «Wir sind unterschiedlich, du willst Bergsteigen, ich will am Pool sitzen», und es ist völlig okay, für beide. Keiner stellt die Liebesbeziehung infrage, wenn er allein etwas unternehmen will. Wichtig ist zu verstehen, dass Distanz nichts Böses ist. Im Alltag ist das einfacher, da hat jeder seine Arbeit. Im Urlaub muss das neu verhandelt werden.
Dabei sucht man doch oft lieber nach einem Kompromiss, anstatt getrennte Wege zu gehen – ist das falsch?
Nehmen wir als Beispiel eine Frau, die keine Outdoor-Touren mag, sich in einen Bergsteiger verliebt und nun denkt, sie muss alle Abenteuer mitmachen. Nach der Tour ist sie im höchsten Grade erschöpft, aber gleichzeitig stark anerkennungs- und zuwendungsbedürftig, weil sie für ihn etwas geopfert hat. Der Partner geht davon aus, dass es ihr auch ein bisschen Spass gemacht hat, und denkt: «Ich habe sie mitgenommen, obwohl sie so langsam ist – sie sollte mir dankbar sein.» Dann prallen diese Wünsche nach Anerkennung aufeinander und es kracht.
Wie kann man so etwas vermeiden?
Es reicht nicht, bei der Planung zu denken: Jeder muss für seine Interessen sorgen und notfalls ein Veto einlegen. Wichtig ist, zusammen im Vorfeld zu besprechen, wie die richtige Mischung aus Anspannung und Erholung aussieht. Manche leiden wie ein Hund, wenn sie einen Tag lang am Strand liegen müssen.
Was hilft noch dabei, mit unterschiedlichen Urlaubsgewohnheiten umzugehen?
Auf jeden Fall Humor. Das ist ein unverzichtbares Schmiermittel, wenn Paare einen gemeinsamen Alltag bewältigen.
Wenig humorvoll sind viele Urlauber allerdings, wenn es um die Urlaubskasse geht
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Viele Geldkonflikte entstehen daraus, dass jemand versucht, sein Geld zusammenhalten und trotzdem grosszügig wirken.
(Nach der Diashow geht das Interview weiter)
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wenn jemand ein Hotel bucht, das nach seinem Gefühl eigentlich zu teuer ist, und dann bei jeder Extraausgabe herumnörgelt. Viel klüger wäre es, zu sagen: «Schatz, ich bin einfach so. Ich fühle mich da nicht wohl, ich will nicht über meine Verhältnisse leben. Lass uns lieber was Einfaches suchen und dann für etwas Besonderes mehr ausgeben.» Das muss vorher geklärt werden. Wem Sparsamkeit wichtig ist, der muss dazu stehen. Und nicht so tun, als ob er grosszügig wäre, und dann herumdrucksen.
Was schweisst mehr zusammen, ein Entspannungs- oder ein Abenteuerurlaub?
Das kann ich nicht sagen. Alles, was gemeinsam positiv erlebt wird, schweisst zusammen. Vielleicht denken Sie, dass man beim Abenteuerurlaub mehr Stress mit der Aussenwelt hat, sodass man sich dadurch gegenseitig nicht so stressen kann. Aber das glaube ich nicht. Denn Stress von aussen kann auch die Beziehung unter Druck setzen, weil der Unterschied in der Bewältigung der Probleme besonders deutlich wird.
Wenn ein Paar, das noch nicht so lange zusammen ist, dann drei Wochen gemeinsam in die Ferien fährt und jeden Tag geniesst ist die Feuerprobe bestanden, oder?
Das Paar hat dann sich selber bewiesen, dass es auch die Freizeitprobleme gut regeln kann, nicht nur die Probleme im Alltag. Wenn ein Paar gerne zusammen in den Urlaub fährt und sich nach dem Urlaub gerne an die gemeinsame Zeit erinnert, dann ist das ein Zeichen, dass das Paar als Organismus gut funktioniert. Wenn Wochenenden und Urlaube vor allem Stress sind, stimmt was nicht.