Ist Conchita Wurst nun ein Mann in Abendrobe oder eine Frau mit Bart? Sind die Brüste echt oder nicht? Für alle, die nicht selbst recherchiert haben: Conchita Wurst ist eine Kunstfigur. Hinter ihr steckt ein schwuler Mann, Tom Neuwirth. Als Dragqueen tritt er seit einer Talentshow im österreichischen Fernsehen auf – und mag es nach dem grossen Auftritt auch, wieder in seine Männerkleidung zu wechseln.
Tom Neuwirth ist somit keine Transperson, sondern ein Schwuler, der als Travestiekünstler auftritt, also in Frauenkleider schlüpft und das weibliche Geschlecht mimt. «Ich bin ein Mann und werde es auch bleiben», sagte er unmissverständlich gegenüber der «Bild».
Mit ihrem Vollbart treibt Conchita Wurst das Verwirrspiel auf die Spitze. Der Bart sei Statement und Provokation zugleich. Genau wie der Name. Beides soll sagen: «Es ist wurst, wie man aussieht, man soll nur sein Leben toll gestalten», liess sich Neuwirth zitieren.
Allerdings lässt sich nicht nur beim Eurovision Song Contest auf den ersten Blick schwer einordnen, ob ein Mensch Mann oder Frau ist. Einen Überblick, was alles möglich sein kann in Sachen Geschlecht, bietet Facebook mit einem Angebot an seine amerikanischen Nutzer. Diese haben in ihren Profileinstellungen seit diesem Jahr die Möglichkeit, neben «male» und «female» die Option «custom» anzuklicken und unter 58 Alternativen jene auszuwählen, die ihren Geschlechtsausdruck am besten trifft.
Auch in anderen Ländern strebt Facebook solche Auswahlmenüs an. In den USA erarbeitete Facebook die Liste in enger Zusammenarbeit mit den LGBT-Organisationen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transmenschen). Viele der Geschlechter-Bezeichnungen unterscheiden sich wegen verschiedener Begriffe nur stilistisch. Das sind die wichtigsten:
Für die wenigsten Nutzer hat die Facebook-Liste einen Nutzen. Statistiker sprechen von einem von 30'000 Menschen, der sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, aber biologisch als Mann geboren worden ist. Umgekehrt beträgt die Häufigkeit 1 zu 10'000. Für diese wenigen hat die grössere Auswahl eine riesige Bedeutung.
Facebook aber ist erst der Anfang. In der Schweiz ist seit einem Jahr eine Geschlechtsanpassung für Transmenschen keine zwingende Voraussetzung mehr, dass sie ihre Geschlechteridentität im amtlichen Ausweis erfassen lassen können. So gibt es amtlich bestätigte Männer mit weiblichen Geschlechtsorganen und umgekehrt Frauen mit männlichen Genitalien.
Das Lobbying der LGBT-Interessengruppen hat damit auch hierzulande erste handfeste Erfolge erzielt. Anderswo hatten sie ihren Einfluss sogar bis in den Reisepass geltend gemacht: So akzeptieren Länder wie Australien, Neuseeland, Deutschland, Bangladesch, Indien, Nepal oder Pakistan ein drittes Geschlecht respektive bieten Bürgern die Möglichkeit, im Pass anstelle der Zuordnung zu männlichem oder weiblichem Geschlecht ein X zu setzen oder dieses Feld frei zu lassen.