Für viele seiner Fachkollegen war er der «einflussreichste Psychiater seiner Zeit»: Robert Spitzer, Psychiater und ebenso gefeierter wie umstrittener Erforscher von Homosexualität, ist tot. Der Mediziner starb bereits am Freitag in Seattle im US-Bundesstaat Washington an Herzproblemen, wie am Sonntag bekannt wurde. Spitzer, der zudem an Parkinson erkrankt war, wurde 83 Jahre alt.
Auch über die Grenzen seines Fachbereichs einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Spitzer Anfang der Siebzigerjahre, weil er Homosexualität nicht länger als seelische Störung eingestuft sehen wollte. Er sorgte massgeblich dafür, dass die gleichgeschlechtliche Orientierung als Krankheit aus dem Standardwerk der Psychiatrie gestrichen wurden. (Siehe hierzu auch den Nachruf in der Washington Post). Bis dahin hatten viele die Meinung vertreten, dass Homosexuelle mit der passenden Therapie «geheilt» werden könnten.
Darüber hinaus prägte er die Psychiatrie seit dem Beginn seiner Forschungen durch die Etablierung empirischer Methoden, die bis dahin eine untergeordnete Rolle spielten. (Siehe hierzu auch den Nachruf in der New York Times). Das ermöglichte präzise Kriterien für psychiatrische Diagnosen und damit auch für die Frage, was überhaupt als Störung einzustufen sei und was nicht.
2001 geriet Spitzer allerdings gerade bei Aktivisten für die Gleichstellung Homosexueller heftig in die Kritik. Damals behauptete er in einer Studie, dass einige wenige, besonders motivierte Menschen Homosexualität durch eine sogenannte Reparativtherapie ablegen und ein erfülltes Leben als Heterosexuelle führen könnten. Schwulenverbände warfen dem bis dahin von ihnen gefeierten Spitzer vor, dass die Studie unwissenschaftlich sei und Spitzer zudem die passenden Probanden ausgesucht habe, statt einer Zufallsauswahl zu vertrauen.
Elf Jahre später folgte Spitzer dieser Argumentation, zog die Studie zurück und entschuldigte sich, «dass ich unbewiesene Behauptungen über die Wirksamkeit der Reparativtherapie aufgestellt habe». (fdi/dpa/AP)