Genmais ist gesünder als herkömmlicher Mais. Zu diesem Schluss – der für viele umweltbewusste Menschen einer Provokation gleichkommen dürfte – kommt eine neue italienische Meta-Studie. Die Forscher der Scuola Superiore Sant'Anna in Pisa haben dafür Daten von mehr als 6000 Untersuchungen aus den letzten 21 Jahren ausgewertet.
Die unlängst im Fachblatt Scientific Reports erschienene Analyse hat ergeben, dass der gentechnisch veränderte sogenannte Bt-Mais um einen Drittel weniger mit Pilzgiften kontaminiert ist als genfreier Mais. Bt-Mais produziert ein Protein, das Insekten – besonders den gefürchteten Fressfeind Maiszünsler – tötet; er leidet deshalb weniger unter Insektenfrass, der die Pflanze wiederum anfällig für Pilzbefall macht.
Neben der geringeren Kontamination durch krebserregende und allergene Pilztoxine hat der transgene Mais zudem den Vorteil, dass weniger Insektizide eingesetzt werden müssen. Ausserdem bringt er höhere Erträge als herkömmlicher Mais – je nach Standort durchschnittlich zwischen 5,6 und 24,5 Prozent.
Wie man es dreht und wendet: Genmais ist eigentlich umweltfreundlicher als normaler Mais. Und es gibt einen breiten wissenschaftlichen Konsens, dass Genmais die Gesundheit zumindest nicht stärker gefährdet als Mais aus traditionellem Anbau. Warum hat Genmais dann so eine schlechte Presse – wie auch andere gentechnisch veränderte Pflanzen wie transgene Baumwolle oder «Golden Rice»?
Auf letzteren, der seit den 90er Jahren unter anderem auch von einem ETH-Forscher entwickelt wurde, hat sich besonders die Umweltorganisation Greenpeace eingeschossen. Dabei sollte dieser gentechnisch veränderte Reis den notorischen Vitamin-A-Mangel beseitigen, mit dem die armen Bevölkerungsschichten in manchen Ländern zu kämpfen haben. Laut WHO erblinden jedes Jahr rund 500'000 Kinder wegen der Mangelkrankheit, die Hälfte von ihnen stirbt.
Für Greenpeace ist Golden Rice jedoch eine Art Trojanisches Pferd der Gentechnik; ein PR-Instrument, mit dessen Hilfe die Agro-Multis die Akzeptanz für gentechnische Verfahren erhöhen wollen. Mögliche Gesundheitsgefahren seien immer noch nicht ausreichend untersucht und auch unter Wissenschaftlern umstritten.
An der Grünen Gentechnik, also der Anwendung gentechnischer Verfahren der Pflanzenzüchtung, hat sich eine Art Glaubenskrieg entzündet. Und der Ton wird zusehends gehässiger: 2016 forderten über 100 Nobelpreisträger Greenpeace öffentlich dazu auf, die Kampagne gegen den Golden Rice endlich zu stoppen. In ihrem offenen Brief warfen die Wissenschaftler der Umweltorganisation ein «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» vor. Andere sprachen selbst von einem «Holocaust».
Die öffentliche Meinung aber steht hinter den Genfood-Gegnern – jedenfalls in Europa. Drei von vier Deutschen finden gentechnisch veränderte Lebensmittel ungesund. In den USA dagegen sind sie seit 1996 fester Bestandteil der Lebensmittelindustrie. Bis zu 80 Prozent aller heute in den USA verkauften Produkte enthalten gentechnisch modifizierte Inhaltsstoffe. Die Bestimmungen zur Kennzeichnung solcher Stoffe sind freilich laxer als in Europa. In den meisten europäischen Ländern ist der Anbau von Gentech-Pflanzen zudem verboten, auch in der Schweiz.
Trotz des mittlerweile jahrzehntelangen nahezu ungebremsten Konsums von Genfood haben auch umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen keine Hinweise darauf erbracht, dass Lebensmittelallergien oder Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Autismus in den USA stärker zugenommen hätten als im gentechfeindlichen Europa.
Die Ablehnung der Grünen Gentechnik dürfte – neben der Angst vor einer Wissenschaft, die in einer Art Frankensteinschem Machbarkeitswahn alle ethischen Bedenken in den Wind schlägt – vor allem mit einem Schreckgespenst namens Monsanto zu tun haben. Der amerikanische Saatgutkonzern, der derzeit gerade vom deutschen Chemieriesen Bayer übernommen wird, ist für manche Umweltschützer die Verkörperung des Bösen.
Und Monsanto tut wenig, um dieses Image Lügen zu strafen. Zum einen treten Vertreter des Agromultis mitunter schon mal arrogant auf, zum andern aber hat Monsanto mit der gerichtlichen Durchsetzung von Patenten auf gentechnisch veränderten Pflanzen viel böses Blut verursacht, und zwar nicht nur bei den betroffenen Landwirten.
Und Monsanto, das ist auch Glyphosat: Der Konzern vertreibt in grossem Umfang genetisch gegen das Herbizid resistent gemachte Pflanzen. Glyphosat kann dann gegen Unkraut eingesetzt werden, ohne dass es die Kulturpflanze gleich mit vernichtet. Das Glyphosat verkauft Monsanto denn auch im Paket mit dem Saatgut.
In der Tat ist die Grüne Gentechnik ganz überwiegend Teil der modernen Agrarindustrie mit allen Nachteilen, die diese Produktionsweise mit sich bringt: Monokulturen, ökologische Einöden, Pestizid- und Herbizideinsatz. Es trifft auch zu, dass Gentech-Saatgut heute nahezu ausschliesslich von Grosskonzernen hergestellt und verkauft wird – dieser Umstand ist aber vor allen Dingen den teuren Genehmigungsverfahren geschuldet, die kleinere Firmen unmöglich finanzieren können.
Manche Vorwürfe, die gegen die Gentechnik ins Feld geführt werden, dienen indes einzig dazu, diese zu dämonisieren. Ein Beispiel dafür ist die angebliche Selbstmordwelle unter indischen Bauern, die Gentech-Baumwolle anbauen. In Wahrheit gibt es keine Hinweise darauf, dass die Zahl der Suizide mit der Einführung des Gentech-Saatguts zugenommen hätte. Insgesamt dürften die indischen Kleinbauern von der transgenen Baumwolle eher profitiert haben.
Ein anderes Beispiel ist die berüchtigte «Rattenstudie» des französischen Wissenschaftlers Gilles-Eric Séralini, die 2012 Schlagzeilen machte. Séralini behauptete, die Fütterung von gentechnisch verändertem Mais habe bei Ratten zu Krebserkrankungen und einem frühen Tod geführt. Die Studie genügte jedoch wissenschaftlichen Ansprüchen nicht und wurde im Jahr darauf von der Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology zurückgezogen.
Das Misstrauen gegenüber der Grünen Gentechnik beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass es unmöglich ist, gentechnisch veränderte Pflanzen mit absoluter Sicherheit «einzuhegen». Durch Pollenflug kann deren Erbgut beispielsweise einen benachbarten Acker «kontaminieren». Allerdings – das wird oft vergessen – verändert auch die herkömmliche Züchtung von Kulturpflanzen deren Erbgut.
Was die Diskussion über die Vor- und Nachteile der Grünen Gentechnik erheblich erschwert, ist der Umstand, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Studien zum Thema gibt. Kaum verwunderlich kommen Untersuchungen von gentechkritischen NGOs dabei zu Ergebnissen, die deutlich negativer sind als jene von industrienahen Verbänden.
Aus diesem Grund sind Meta-Studien wichtig – beispielsweise die Analyse von 147 Studien aus verschiedenen Ländern, die von den Göttinger Agrarwissenschaftlern Matin Qaim und Wilhelm Klümper 2014 erstellt wurde. Sie kommt trotz der Berücksichtigung von gentechkritischen Studien zum Schluss, dass der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen insgesamt höhere Erträge bringt und weniger Pflanzenschutzmittel erfordert als bei der konventionellen Landwirtschaft.