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Macht uns das Smartphone blöd?

Apple-Gründer Steve Jobs im Jahr 2007 mit dem ersten iPhone.
Apple-Gründer Steve Jobs im Jahr 2007 mit dem ersten iPhone.Bild: Getty Images North America

Macht uns das Smartphone blöd?

Das Smartphone ist ein neuer Körperteil geworden. Doch macht es uns gescheiter – oder macht es uns dumm und abhängig? Bei den Wissenschaftlern sind die Meinungen geteilt.
27.03.2015, 14:5228.03.2015, 19:19
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Vor rund acht Jahren präsentierte Steve Jobs das erste iPhone. Seither hat das Smartphone unser Leben gründlich verändert. Darüber herrscht Einigkeit. Die durchschnittliche Schweizerin und der durchschnittliche Schweizer greifen mittlerweile gegen 100 Mal pro Tag zum Smartphone. Wir unterhalten und informieren uns und wir erledigen immer häufiger unsere Finanzgeschäfte damit. Für Alles und Jedes gibt es eine App. Kurz: Wer kein Smartphone hat, ist kein ganzer Mensch mehr.

Doch macht uns das Smartphone auch klug? Darüber sind die Meinungen in der Wissenschaft geteilt, es gibt zwei diametral entgegengesetzte Standpunkte: Für die einem verblödet das Smartphone die Menschen. Für die anderen hingegen ist das Smartphone ein Schritt hin zu einer Symbiose von Mensch und Maschine und damit der Anfang eines Quantensprungs in der Entwicklung des homo sapiens.

Hier die wichtigsten Vertreter und Ansichten der beiden Lager.

Die Smartphone-Pessimisten

Nicholas Carr

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bild: Merrick Chase
«Je gescheiter die Software, desto dümmer der User.»
Nicholas Carr

2011 wurde das Buch «Die seichten Untiefen» von Nicholas Carr für den Pulitzer-Preis nominiert. Carr ist zwar ein bekennender Internet- Enthusiast. Was die Auswirkungen der digitalen Medien auf die Menschen betrifft, ist er zutiefst skeptisch. Er befürchtet, dass Smartphone und soziale Medien wie Facebook und Twitter die Errungenschaften der Aufklärung wieder zunichte machen. 

Wer sich nur auf diese Weise informiere, so Carr, verliere allmählich die Fähigkeit, längere zusammenhängende Texte zu verstehen. Carr zeigt auf, dass das menschliche Gehirn für Multitasking ungeeignet ist und dass es eine fatale Illusion ist zu glauben, man werde sich künftig bald einmal per Chip im Kopf die Fähigkeit erlangen, eine Fremdsprache zu beherrschen oder mathematische Probleme zu lösen.

Im Gegenteil. Carr kommt zum wenig erfreulichen Schluss: «Je gescheiter die Software, desto dümmer der User.»

Sherry Turkle

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Bild: Getty Images North America
«Wir freuen uns, ständig miteinander in Verbindung zu stehen, erhalten aber selten die volle Aufmerksamkeit des anderen.»
Sherry Turkle

Sherry Turkle ist Psychologin am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) und befasst sich seit Jahrzehnten mit künstlicher Intelligenz und ihren Auswirkung auf die Menschen. Ihr Buch «Verloren unter 100 Freuden» wurde ein internationaler Bestseller. Sie hat darin ausführlich untersucht, wie Teenager mit ihrem Smartphone umgehen und ist dabei zu wenig schmeichelhaften Schlüssen gekommen.

Das Smartphone führe dazu, so Turkle, dass die Beziehungen der Jugendlichen untereinander immer unpersönlicher werden. Selbst das Telefonieren ist für viele Teenager zu intim geworden, sie bombardieren sich stattdessen mit SMS. Dank dem Smartphone können sie sich immer weniger der Aufsicht ihren «Helikopter»-Eltern entziehen und werden permanent überwacht.

Gleichzeitig nimmt die Abhängigkeit von den Eltern zu. Turkle schildert den Fall einer 18-jährigen College-Studentin, die 15 Mal pro Tag mit ihrer Mutter kommuniziert. Das Smartphone lässt die Menschen auch emotional verkümmern. Man findet zwar rasch Anschluss, aber nur oberflächlich. «Wir freuen uns, ständig miteinander in Verbindung zu stehen, erhalten aber selten die volle Aufmerksamkeit des anderen», stellt Turkle fest. «Wir können in Sekundenschnelle ein grosses Publikum erreichen, aber was wir zu sagen haben, ebnen wir mit einer neuen Sprache der Abkürzungen ein.»

Andrew Keen

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«Facebook macht uns unglücklich und neidisch.»
Andrew Keen

Der Brite Andrew Keen ist einer der fundamentalsten Kritiker der Internet- und Smartphone-Euphorie. In seinem soeben veröffentlichten Buch «Das Internet ist nicht die Antwort» rechnet er erneut mit dem Silicon Valley ab. Keens These dabei: Die neue Kultur von Facebook, Google & Co. macht die Menschen nicht unabhängiger und schon gar nicht glücklicher.

Es entsteht ein neuer Cyber-Feudalismus, der einzig einer schmalen Elite von Milliardären dient, dem breiten Mittelstand aber schadet. Smartphones und soziale Medien in ihrer heutigen Form führen gemäss Keen in Entfremdung und eine neue Knechtschaft der Menschen. Gleichzeitig nehmen Einsamkeit und Neid zu.

«Facebook sollte uns eigentlich in ein glückliches, globales Dorf zusammenführen», stellt Keen fest. «Das Gegenteil trifft zu. Facebook macht uns unglücklich und neidisch.»

Die Smartphone-Optimisten

Jeremy Rifkin

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Bild: EPA/DPA
«Statistiken belegen, dass in den Industrienationen noch keine Generation so tolerant war die wie heutige.»
Jeremy Rifkin

Der US-Politologe Jeremy Rifkin gehört zu den führenden Vordenkern der Moderne. Er hat inzwischen mehr als 20 Bücher veröffentlicht. Seit ein paar Jahren widmet er sich intensiv dem Internet und seinen Folgen für die Gesellschaft.

Rifkin ist überzeugt, dass die «Dritte Industrielle Revolution» zu einer Befreiung der Menschen führen wird. Soziale Medien und Smartphones spielen dabei eine zentrale Rolle. Zusammen mit einer dezentralen, nachhaltigen Energieversorgung und einem intelligenten Netz werden sie eine «empathische Zivilisation» ermöglichen, eine sanfte und ökologische Marktwirtschaft.

Obwohl Rifkin nicht leugnet, dass die neuen Medien auch eine narzisstische Selfie-Kultur fördern, ist seine Bilanz unter dem Strich positiv: «Statistiken belegen, dass in den Industrienationen noch keine Generation so tolerant war, so nachdrücklich die Gleichberechtigung unterstützte und für die Rechte Benachteiligter eintrat wie die heutige.»

Ray Kurzweil

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Bild: AP
«Wir werden für eine gesunde Umwelt sorgen, genug Lebensmittel für eine wachsende Bevölkerung haben, alle Krankheiten besiegen, das menschliche Leben massiv verlängern und die Armut beseitigen.»
Ray Kurzweil
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Ray Kurzweil ist so etwas wie der Gottvater all derjenigen, die daran glauben, dass man mit intelligenter Software zwei Ziele auf einen Schlag erreichen kann: Über Nacht wahnsinnig viel Geld verdienen und gleichzeitig die Menschheit retten. Die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin haben Kurzweil deshalb auch als Berater in ihr Unternehmen geholt.

Kurzweil geht davon aus, dass es zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz nur einen Unterschied gibt: künstliche Intelligenz lässt sich vermehren. Weil sich die Anzahl der Transistoren auf den Computerchips nach wie vor alle zwei Jahre verdoppelt, nehmen die Leistungen der Smartphones explosionsartig zu. Kurzweil träumt daher davon, dass etwa im Jahr 2040 menschliche und künstliche Intelligenz miteinander verschmelzen.

Dann wird die Welt sein wie es der Werbespot von Toyota verspricht: Nichts ist unmöglich. «Dank diesen Technologien sind wir in der Lage, die grossen Herausforderungen der Menschheit anzunehmen», stellt Kurzweil in seinem Buch «How to Create a Mind» fest. «Wir werden für eine gesunde Umwelt sorgen, genug Lebensmittel für eine wachsende Bevölkerung haben, alle Krankheiten besiegen, das menschliche Leben massiv verlängern und die Armut beseitigen.»

Michio Kaku

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Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA
«Wir werden unsere Erinnerungen downloaden, psychische Erkrankungen heilen und unsere Intelligenz erhöhen.»
Michio Kaku

Wem Kurzweil noch zu realistisch erscheint, der kann sich an Michio Kaku wenden, einen renommierten Physikprofessor an der City University in New York. Während viele Wissenschaftler befürchten, dass die Menschheit nach den rasanten Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit allmählich an ihre Grenzen stösst, stehen wir bei Kaku erst am Anfang einer phantastischen Reise, die nicht nur in ferne Galaxien, sondern in alternative Universen führen wird.

Das Universum begann mit dem Big Bang, dem Urknall. Nach ein paar Milliarden Jahren entstand der Planet Erde mit Leben, seit rund 60'000 Jahren gibt es den homo sapiens. Doch wir leben immer noch auf einer wenig entwickelte Zivilisationsstufe, die Kaku Typ I nennt. Mehr als zu Flügen zu benachbarten Planeten reicht es nicht. In der Typ II-Zivilisation haben die Menschen gelernt, die Energie eines gesamten Sterns zu verwerten und können daher die Milchstrasse besiedeln, in Typ III das gesamte Universum. Schliesslich werden die Menschen lernen, das Universum zu verlassen und durch «Wurmlöcher» in parallele Universen vorzudringen.

Bis dahin werden zwar noch ein paar Billionen Jahre vergehen, aber auch die absehbare Zukunft wird spektakulär. Wer werden, so Kaku, «allein mit unseren Gedanken die Gegenstände in unserer Umgebung steuern, unsere Erinnerungen downloaden, psychische Erkrankungen heilen, unsere Intelligenz erhöhen, verstehen, wie unser Gehirn funktioniert und Backup-Kopien davon erstellen.» 

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