Fachaufsätze lesen sich häufig wie dröge Abhandlungen: vollgespickt mit komplexen Zahlen und Formeln, abstrakten Formulierungen und kryptischen Kürzeln, die selbst für Wissenschaftler verwandter Fachdisziplinen zuweilen unverständlich sind. Das Paper von Christoph Bartneck, Professor am Human Interface Technology Labor der University of Canterbury in Neuseeland, macht da keine Ausnahme.
Das Besondere war jedoch, dass er das Paper über Atomenergie nicht selbst abfasste, sondern Apples Autocomplete-Funktion damit betraute. Die Funktion vervollständigt Eingaben mithilfe künstlicher Intelligenz.
Bartneck, von Haus aus Computer- und Robotik-Spezialist, hatte von dem Thema keine Ahnung. «Da ich selbst praktisch kein Wissen über Nuklearphysik habe, wandte ich mich an die Autovervollständigungsfunktion von iOS, um das Paper zu schreiben», notierte er – ganz manuell – in einem Blogeintrag. Die Software als Wissenschaftler. «Ich begann einen Satz mit ‹Atom› oder ‹Nuklear› und drückte dann per Zufall auf die Vorschläge der Autokorrektur.»
Heraus kam ein ziemlich diffuser und inkonsistenter Text, der überhaupt keinen Sinn ergab. Ein Satz klingt so: «Die Atome eines besseren Universums werden dasselbe Recht wie du haben in der Weise, wie wir ein grossartiger Ort für eine grossartige Zeit sein sollen, um den Tag zu geniessen, du bist eine wundervolle Person für eine wundervolle Welt, um Spass zu haben (…)»
Bartneck hübschte das Paper mit einer Wikipedia-Grafik von Kernteilchen auf und reichte es unter falschem Namen – als fiktive Atomphysikerin Iris Pear von der Umbria Polytech University (weder das Institut noch die Wissenschaftlerin existieren) – bei der International Conference on Atomic and Nuclear Physics ein.
Drei Stunden später wurde das Paper akzeptiert. Per Mail teilte die Gesellschaft der «lieben Frau Pear» mit, dass sie zu einer mündlichen Präsentation des Papers auf einer Konferenz in Atlanta eingeladen sei.
Das wirft natürlich alles andere als ein gutes Licht auf die Atom-Konferenz und ihren Review-Prozess. Entweder die Gutachter verstehen ihr Handwerk nicht. Oder sie haben das Paper nicht gelesen – sonst wäre ihnen der automatisiert erzeugte Nonsense aufgefallen.
Dass ein Fachfremder mit der Autokorrektur von iOS einen Fachaufsatz tippt und von der Thematik nichts versteht, ist kein Ruhmesblatt für die Forschungsgesellschaft. Normalerweise wird ein Aufsatz in einem mehrstufigen Verfahren (sogenannte Peer-Review-Journals) von mehreren Gutachtern geprüft, ehe er zum Abdruck akzeptiert wird.
Es ist nicht das erste Mal, dass Forscher Fachjournale mit Nonsense-Artikeln brüskieren. 2014 reichte der Computerwissenschaftler Peter Vamplew von der Federation University in Victoria einen «Aufsatz», der mit dem vulgären Titel «Get Me Off Your Fucking Mailing List» («Nimm mich von deiner scheissverdammten Mailing-Liste») überschrieben war, beim International Journal of Advanced Computer Technology ein. Das Paper bestand aus nichts mehr als diesen sieben Wörtern, die einfach wiederholt und in einem Flussdiagramm aufgedröselt wurden, was nach elaborierter Sprachanalyse aussehen sollte, aber einfach nur banal war.
Die Gutachter störte das offensichtlich wenig: Vamplews Wortverhau wurde wenig später zum Abdruck akzeptiert. Was natürlich Zweifel an der Seriosität des Open-Access-Journals weckte. Die Publikation war diskreditiert.
Um sich und der Gesellschaft weitere Peinlichkeiten zu ersparen, verzichtete Forscher Bartneck auf die Einladung. Die Organisatoren hätten einen stolzen Teilnehmerbeitrag von 1099 US-Dollar (anstelle eines Vortragshonorars) verlangt – was seine Heimatuniversität wohl nicht bezahlt hätte.
Worüber hätte er auch reden sollen? Vermutlich wäre es ihm so ergangen wie in Michael Frayns Verwechslungskomödie «Willkommen auf Skios», wo der Hochstapler Oliver Fox einen Vortrag bei der Fred-Toppler-Stiftung über «Das Versprechen der Szientometrie» halten sollte.
Bartneck beschränkte sich darauf, ein kleines Erklärvideo auf seinem Blog zu posten, wie man mit Apples Autocomplete-Funktion ein Paper schreibt.