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Justiz

«Racial Profiling»: Stapo Zürich hat zu Recht einen Schwarzen kontrolliert

Wa Baile mit seiner Verteidigerin (ganz links) vor dem Gerichtsgebäude an der Wängistrasse.
Wa Baile mit seiner Verteidigerin (ganz links) vor dem Gerichtsgebäude an der Wängistrasse.bild: watson

«Racial Profiling»: Stapo Zürich hat zu Recht einen Schwarzen kontrolliert

Er verweigerte eine Personenkontrolle der Polizei und kriegte dafür eine Busse. Heute wehrte sich Mohamed Wa Baile vor Bezirksgericht dagegen – laut dem 42-Jährigen war die Kontrolle rassistisch motiviert. Die Richter sahen zu wenige Beweise – Wa Baile muss die Busse bezahlen. Doch der will weiterkämpfen. 
07.11.2016, 17:3907.11.2016, 18:01
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So viele Menschen kommen selten zu einem Prozess, bei dem es lediglich um eine Übertretung der allgemeinen Polizeiverordnung geht: An diesem Montagnachmittag stehen sich vor dem Zürcher Bezirksgericht mehrere dutzend Interessierte die kalten Beine in die Bäuche. Sie haben es nicht in den Gerichtssaal geschafft, weil dieser mit 45 Zuschauern schon proppenvoll ist, doch hier sein wollen sie trotzdem.

So viele Menschen kommen also selten zu so einem Prozess, aber es geht hier eben auch um mehr als eine Übertretung der allgemeinen Polizeiverordnung. Es geht um Fragen nach Rassismus und Gleichberechtigung und um den aussichtsarmen Kampf gegen Vorurteile.

Mohamed Wa Baile, 42, ETH-Bibliothekar, Schweizer mit kenianischen Wurzeln, wohnhaft in Bern, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Kampf zu führen. Wa Baile war im Februar 2015 von der Zürcher Stadtpolizei im Hauptbahnhof angehalten worden, man wollte ihn kontrollieren, doch er weigerte sich. Schliesslich durchsuchten ihn die Beamten, fanden einen Ausweis, mit dem sie sich begnügten, und büssten Wa Baile wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anordnung.

Rassismus oder im falschen Moment weggeschaut?

Wie die Kontrolle einzuschätzen ist, darüber gehen die Meinungen im Gerichtssaal an der Wängistrasse auseinander. Der Mann sei ihnen verdächtig vorgekommen, da er den Blick abgewandt habe und ihnen habe ausweichen wollen, heisst es im Polizeirapport. Ausweichen sei im Pendlerstrom gar nicht möglich gewesen, sagt Wa Baile, er sei bloss kontrolliert worden, weil er schwarz sei. Zudem sei er es leid, ständig ins Visier der Polizei zu geraten, und dies unabhängig davon, wie er sich verhalte.

Wa Bailes Schuldspruch wird verlesen.
Wa Bailes Schuldspruch wird verlesen.bild: watson

Doch der Einzelrichter sieht in Wa Bailes Ausführungen zu wenige Beweise dafür, dass die Kontrolle als ungerechtfertigt zu beurteilen ist und bestätigt den Strafbefehl und die Busse von 100 Franken. Das Gericht könne nicht den Schluss ziehen, dass die Hautfarbe ausschlaggebend für die Kontrolle war. Auf institutionelle Mängel bei der Stadtpolizei und flächendeckendes «Racial Profiling» ging er nicht ein. Er wende das Gesetz an, er mache keine Politik, sagt er abschliessend.

«Zu viel Aufwand, zu wenig Chancen»

Für die Menschen, die sich vor dem Gerichtsgebäude versammelt haben, Aktivisten, Freunde, Schweizer, Afrikaner, Asiaten und Araber, geht es bei diesem Fall aber um Politik. Ein Mitglied der Allianz gegen «Racial Profiling» liest Wa Bailes Schuldspruch vom Handy laut ab, Enttäuschung macht sich in der Menge breit, überrascht ist aber nicht wirklich jemand. Der Fall sei halt eben beispielhaft für den institutionellen Rassismus der Polizei in der ganzen Schweiz, heisst es.

Wa Baile spricht vor Aktivisten und Journalisten vor dem Bezirksgericht.
Wa Baile spricht vor Aktivisten und Journalisten vor dem Bezirksgericht.bild: watson

Ein Anwalt, der sich zur Gruppe dazugestellt hat, sagt, die meisten Fälle würden gar nicht vor Gericht landen, weil die Anwälte den Geschädigten generell davon abraten – «zu viel Aufwand, zu wenig Chancen». Obwohl Wa Baile verloren hat, sei es aber trotzdem gut, dass er vor Gericht gezogen sei. So entstünde wenigstens eine Diskussion, so werde wenigstens das öffentliche Augenmerk wieder etwas auf dieses virulente Problem gelenkt.

Deshalb will Wa Baile auch weitermachen. Betrübt, aber entschlossen, verspricht er draussen vor dem Gerichtsgebäude nach dem Prozess den Menschen, die auf ihn gewartet haben, dass er alle juristischen Mittel ausschöpfen werde, um gegen rassistische Polizeikontrollen zu kämpfen.

Neben dem Gang vor das Bezirksgericht hat er auch ein verwaltungsrechtliches Verfahren ausgelöst: Er will, dass nachträglich festgestellt wird, dass die Polizeikontrolle widerrechtlich war, da kein Anlass dazu bestand. Ausserdem hat die Verteidigerin bereits angekündigt, den Fall vor Obergericht zu bringen. (dwi/sda)

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159 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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wonderwhy
07.11.2016 21:10registriert Februar 2016
Er fühlt sich diskriminiert weil er glaubt nur aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert worden zu sein. Kontrolliert! Was will er denn erreichen mit seiner Klage? Aufgrund seiner Hautfarbe NICHT mehr kontrolliert zu werden?
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ElenderKuschelwuschel
07.11.2016 22:00registriert Juni 2016
Oh ja, das ist sooo ein wichtiges Thema. Denn Schwarze können nie verdächtig sein. Es ist immer Rassismus.
Wenn ich von der Polizei kontrolliert werde, ist es normal, aber wenns einem Schwarzen passiert, ist es voll böse und gemein.
Echt jetzt....hört mal auf, zu jammern.
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Madison Pierce
07.11.2016 21:07registriert September 2015
Die Polizisten können nicht alle Passanten kontrollieren, also überprüfen sie jene, bei denen die Chance auf einen Fund am grössten ist. Es werden wohl mehr Schwarze mit Drogen herumlaufen als Weisse.

Ist wie am Zoll: als Jugendliche mit Rasta-Kollegen sind wir jedes Mal kontrolliert worden, jetzt als Erwachsene nie mehr.

Aber ich verstehe natürlich, dass ihn das nervt, schliesslich kann er seine Hautfarbe nicht ändern wie wir unsere Kleidung.
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