Polizisten mit Helmen und Gummischrotgewehren bewachten am Donnerstag das Stadthaus. Auch drinnen war das Aufgebot ungewöhnlich gross. Gleich drei Stadträte stellten sich den Fragen der Journalisten. Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP), Finanzdirektor Daniel Leupi (Grüne) und Polizeivorsteher Richard Wolff (AL). Kameras und Tonbänder liefen, und die Tastaturen der Livetickerer ratterten. Der Aufmarsch von Politikern und Medienschaffenden stand in Kontrast zur Sache, um die es geht.
Es geht um Lärm aus einem besetzten Haus im Quartier Albisrieden. Gemäss langjähriger Praxis duldet die Stadt Zürich Hausbesetzer auf dem Koch-Areal, bis dort voraussichtlich in fünf Jahren mit dem Bau von gemeinnützigen Wohnungen und Gewerbeflächen begonnen werden soll. Genutzt wird das Areal von vornehmlich jungen Leuten für Ausstellungen, Sporttraining, Veranstaltungen und immer wieder auch für Partys. Der Lärm, der dabei in die Nachbarschaft dröhnt, löste eine Diskussion aus, die in der polizeilich geschützten Pressekonferenz gipfelte.
Der Lärm vom Koch-Areal habe im laufenden Jahr zu 171 Reklamationen geführt, strichen verschiedene lokale Medien in ihrer Berichterstattung hervor. Die Botschaft war klar. Kaum ein Tag verstreicht, ohne dass Anwohner unter Lärm leiden. Eine Analyse der Daten der Stadtpolizei relativiert nun diesen Eindruck. 34 Ruhestörungen wurden zur Anzeige gebracht. Der Kreis der Betroffenen ist zudem beschränkt. «Fast alle der 171 Lärmklagen stammen von den gleichen vier bis fünf Personen», sagt Mathias Ninck, Sprecher des Sicherheitsdepartementes. Über eine laute Party an einem Samstag beschwerten sich die gleichen Anwohner zum Teil mehrmals. Ninck betont: «Jede Lärmklage ist eine zu viel. Darum haben wir reagiert und den Besetzern neue Regeln gesetzt.» Diese wurden an der Pressekonferenz verkündet und gleichzeitig per E-Mail an die Besetzer gesandt. Partys müssen sie künftig zwei Wochen vorher anmelden, sonst droht die Räumung.
Die beschränkte Zahl Personen, die sich beschweren, entspricht der Umgebung, in der sich das Koch-Areal befindet. In unmittelbarer Nähe stehen Bürogebäude, ein Autohaus, zwei Tankstellen und nur wenige Wohnhäuser. Wie die Faust aufs Auge zum besetzten Haus passt die Siedlung «James» in unmittelbarer Nähe des Geländes. Sie bietet ihren Mietern einen Concierge-Service an wie im Hotel. Lärm ist in der Stadt Zürich ein Dauerärgernis. «Die Gesellschaft ist heute stärker auf das Thema sensibilisiert», sagte Bärbel Zierl vom Zürcher Umwelt- und Gesundheitsschutz, als die «Schweiz am Sonntag» im August die hohe Zahl an Lärmreklamationen thematisierte. Die Stadtpolizei verzeichnete im vergangenen Jahr 4550 Klagen wegen Ruhestörung. Doch keine Lärmquelle hatte bisher die Wirkung des Koch-Areals. 131 Artikel erschienen laut Mediendatenbank im letzten Monat über das besetzte Haus. Höhepunkt war ein Leitartikel des «Tages-Anzeigers», in dem zwei Reporter unter dem Titel «Es reicht» die «Laisser faire» Politik des Stadtrats anprangerten.
Die mediale Lawine in Gang zu setzen, halfen auch Politiker der FDP. Sie boten sich als Vermittler zwischen Lärmgeplagten und Journalisten an und machten in einer Fraktionserklärung den Hilferuf einer Anwohnerin publik. Als die ersten Artikel erschienen waren, legte die SVP nach. Gemeinderat Urs Fehr reichte beim Statthalter eine Aufsichtsbeschwerde ein. Die Polizei solle das Koch-Areal analog zum Platzspitz räumen. Zur Erinnerung: Der Platzspitz wurde 1992 geräumt, nachdem sich dort über Jahre eine offene Drogenszene installiert hatte. Es ging um den Verkauf und den Konsum von Heroin. Es gab Tote. Beim Koch-Areal geht es um Nachtruhestörung und mutmasslich ein paar Hanfpflanzen.
Wenn die Mikrofone aus sind, sagt selbst ein SVP-Gemeinderat, dass der Rummel um das Koch-Areal übertrieben sei. Doch es ist eines der Themen, mit dem die Volkspartei im links-grün dominierten Zürich punkten kann. SVP-Präsident Mauro Tuena, der ebenfalls zur Pressekonferenz am Donnerstag erschienen ist, denkt bereits laut darüber nach, wie er doch noch eine Räumung erwirken kann. Das Koch-Areal dürfte weiterhin Thema bleiben. Derweil stellt die Asyl-Organisation Zürich (AOZ) Container auf dem Areal auf. Eine Baubewilligung wurde dafür laut Direktor Thomas Kunz noch nicht erteilt.