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Zürich

Graffiti bekämpft man am besten mit Graffiti

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Sugus-Häuser
Die «Sugus-Häuser» an der Neugasse im Zürcher Kreis 5 erstrahlen in neuem Glanz.
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Neues «Zaubermittel»

Graffiti bekämpft man am besten mit Graffiti

Seit Kurzem erstrahlen die sogenannten «Sugus-Häuser» im Zürcher Kreis 5 in neuem Glanz: Grossflächige Graffiti zieren die Fassaden. Sie sollen Sprayer von weiteren Schmierereien abhalten. Dass dies funktioniert, hat auch schon die Stadt gemerkt. 
27.10.2014, 20:2628.10.2014, 11:44
Rafaela Roth
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Die farbigen Fassaden der «Sugus-Häuser» an der Neugasse im Zürcher Kreis 5 haben schon einiges hinter sich. Wahrscheinlich hat sich jeder Sprayer Zürichs mindestens einmal darauf verewigt. Wie viele andere Liegenschaftsverwaltungen hatte die Besitzerin Simo Immobilien GmbH ein Anti-Graffiti-Abo bei der Stadt Zürich. Für mehrere 100 Franken wurden die Fassaden jeden Monat neu bestrichen – und bereiteten so immer wieder Platz für neue Tags und Graffiti. 

So sahen die «Sugus»-Fassaden noch vor ein paar Wochen aus.  
So sahen die «Sugus»-Fassaden noch vor ein paar Wochen aus.  bild: google maps

Bis die Simo genug hatte. «Ursprünglich kam ein Mieter der Überbauung mit der Idee, ein Auftragsgraffiti an der Fassade anzubringen», sagt Laura Viteritti von Simo Immobilien. Letzten Mai liess sie das erste Haus vom Streetartisten «Redl» bemalen, ein paar Monate später die zwei weiteren Fassaden an der Neugasse. «Wir sind sehr zufrieden. Die Wände sehen schön aus und seitens der Mieter haben wir viele positive Feedbacks erhalten», sagt Viteritti. Je länger das Graffiti hält, umso mehr lohnt sich der Auftrag für die Verwaltung auch finanziell. 

Das Making-of des «Sugus-Haus»

Painting a «Sugus-Haus» ...video: youtube/Patrick wehrli

Auch die Kirchgemeinde Wipkingen hat sich des Sprayer-Problems kreativ entledigt. So sahen ihre Liegenschaften an der Rötelstrasse noch vor ein paar Jahren aus: 

Kaum war die Farbe getrocknet, entstanden neue Tags an den Fassaden.
Kaum war die Farbe getrocknet, entstanden neue Tags an den Fassaden.bild: google maps

Heute beleben farbenfrohe Graffiti die graue Strasse. «Mein Sohn kam auf die Idee mit den Graffti», sagt die Liegenschaftsverwalterin Christa Gilgen. Sie überzeugte die Kirchgemeinde und holte Offerten von zwei Crews ein. Die zwei Brüder von «One Truth» mit ihrem Konzept «Gemeinsam stark» machten das Rennen. Seit rund drei Jahren sind die Figuren an der Wand. Gilgen ist erfreut: «Die anderen Sprayer respektieren das Kunstwerk und übersprayen es nicht mehr.» 

Die Arbeiten des «One Truth»-Kollektivs tragen den Titel «Gemeinsam stark». 
Die Arbeiten des «One Truth»-Kollektivs tragen den Titel «Gemeinsam stark». bild: one truth 

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Auch die Stadt Zürich bedient sich dieser Lösung. «Es gibt Orte, an denen man jahrelang keine Ruhe reinbringt», sagt die Graffiti-Beauftragte Priska Rast. «Das können Liegenschaften in Quartieren sein, in der eine Crew beheimatet ist oder gut sichtgeschützte Wände, an denen Sprayer in Ruhe arbeiten können.»

Tausendfüssler an der Sihlpromenade: Ein Auftragswerk gestaltet von «One Truth». 
Tausendfüssler an der Sihlpromenade: Ein Auftragswerk gestaltet von «One Truth»bild: one truth

Pro Jahr gibt die Stadt etwa zwei solcher neuralgischen Punkte in die Hände von Auftragskünstlern. Dabei macht die Stadt den Künstlern wenig Vorgaben: «Je mehr es danach aussieht, es sei illegal entstanden, umso effektiver wirkt es», sagt Rast. Die Kosten für die Stadt würden sich rechnen. Genaue Zahlen will Rast aber nicht nennen.

Am Ende gewinnen alle. Einzig die Künstler irritiert es, wenn ihre Werke zum Schutz vor Sprayern eingesetzt werden: «Wir machen Kunst am Bau, nicht Graffiti-Schutz», sagt Pase von «One Truth». «Graffiti ist eine zeitgenössische Kunstform, die im Gegensatz zu der Schweiz in anderen Ländern seit Jahren aktiv gefördert wird», sagt er. In der Schweiz kämpfe die Kunstform immer noch um Anerkennung. «Wir können auch nicht garantieren, dass unsere Werke nicht übersprayt werden.» Die Erfahrung aber zeigt: Ihre Werke bleiben.

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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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smoe
28.10.2014 01:54registriert Januar 2014
In Bogota, Kolumbien macht genau das ein ganzes Viertel seit geraumer Zeit und ist mittlerweile quasi ein Open Air Museum für urbane Kunst. "Schmierereien" gibt es verhältnismässig wenige. Das lockt Touristen in die Gegend und somit in die Läden. Die Stadt hat Street Art weitgehen legalisiert (Leider erst als Reaktion darauf, dass ein minderjähriger Sprayer von einem Polizisten erschossen wurde) und stellt selber grosse Flächen und Arbeitsmatrial zur Verfügung. Und das sind nicht nur dekorative Werke, sondern auch Regierungs- und Gesellschaftskritische sowie zB eine gut 20 Meter langen Wand auf der das Verbot von Stierkämpfen zelebriert wird. Dadurch lernt man auf der mehrstündigen Graffititour, geführt von lokalen Künstlern mehr über die Geschichte der Stadt und des Landes als in jedem Reiseführer.
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Sherpa_350
27.10.2014 22:40registriert März 2014
So etwas kann auch nicht jedermann. Ich finde sie wiedergeben eine frohe und farbige Vision der Kunst im grauen der Städte. Für mich ist das Kunst!
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