Der letzte Lizlümmel twittert seit rund einem Jahr über die Leiden der letzten Prä-Bologna-Studierenden. Nun zählt er erstmals die triftigsten Gründe auf, wieso sein Lizenziats-Studium so lange dauerte.
@Lizluemmel @watson_news lizticle? formidable idee, will ich!
— Rafaela Roth (@RafaEllaRoth) 17. Oktober 2014
Wer hätte es gemacht, wenn nicht die Lizlümmel? Aus Zürich ist eine Ausgeh-Stadt geworden. Die Clubs sprossen in den letzten Jahren aus dem Boden wie Pilze. «Trinken, um die Clubs zu unterstützen, war uns stets ein Anliegen», erklärt der letzte Lizlümmel. «Nie wäre ich mir zu schade gewesen, mindestens zwei Semester meines Studiums in die Club-Kultur zu investieren.»
«Das Demonstrieren gegen das neue Bologna-System hat mich mindestens drei Semester gekostet», sagt der Lizlümmel. Er und seine Kumpanen haben damals zwei Monate lang im grössten Hörsaal der Universität Zürich campiert. Sie wollten verhindern, dass das Lizenziat durch das neue System mit Master und Bachelor abgelöst wird. «Dank unserem Protest wurden zum Beispiel die Abgabefristen für Arbeiten verlängert. So haben wir ein Stück Liz gerettet.»
Die Lizlümmel wollten nicht nur studieren, sondern auch für die AHV-Zahler der Zukunft sorgen. Viele Liz-Studis machten Kinder. «Es ging uns auch darum, den besorgniserregenden demografischen Entwicklungen Einhalt zu gebieten», sagt der Lizlümmel. Wie viele Semester das Kinderkriegen kostete, sei individuell. Mindestens vier seien es jedoch bei den meisten gewesen.
Inzwischen sei dieses Problem weitestgehend behoben: «Früher standen wir jedoch regelmässig vor verschlossenen Bibliothekstüren», sagt der Lizlümmel. Vor allem abends und in der Nacht, wenn die meisten Lizlümmel am produktivsten sind, war alles zu.
Die Lizlümmel arbeiteten neben dem Studium. «So hielten wir die Konjunktur am Laufen», sagt der Lizlümmel. Ohne die jobbenden Liz-Studierenden hätte es in der Schweiz kein Bier an der Bar, keine Päckli vom Velokurier und keine Callcenter-Studien gegeben, ist der Lizlümmel überzeugt. Für ihn geht die Rechnung auf: «Ich arbeitete meistens 50 Prozent neben dem Studium. Wenn ich also für ein Studium von sechs Jahren 12 Jahre brauchte, habe ich gut gearbeitet.»
«Hat man aus zu grossem Interesse. Zu viele Bücher ausgeliehen, kam man unweigerlich in einen bösen Teufelskreis», erklärt der Lizlümmel: Je mehr Bücher man auslieh, umso weniger konnte man pünktlich fertig lesen, umso mehr Mahnungen kamen bei verspäteter Rückgabe rein, umso mehr musste man arbeiten, um die Mahnungen abzubezahlen und umso weniger Zeit fand man deshalb zum Bücherlesen, was wiederum das Studium verzögerte.
«Wir Liz-Studis reflektierten noch, nicht wie die Bologna-Opfer heute», sagt der Lizlümmel. «Wir dachten stundenlang lang, im Park, beim Kaffeetrinken, in der Bibliothek, am See, in der Sauna.» Nachdenken stand im Liz-Studium ganz hoch im Kurs. Im Bologna-System bleibe dafür wenig Zeit.
«Damals war an der Uni der Liz-Spirit weit verbreitet», erklärt der Lizlümmel. Nicht nur die Studierenden hätten die Abgabetermine für ihre Arbeiten rausgezögert, auch die Dozenten nahmen sich ewig Zeit fürs Korrigieren. «Früher hat man eine Arbeit manchmal ein Jahr verspätet zurück erhalten», sagt der Lizlümmel. «Der Liz-Spirit drang bis ganz nach oben durch.»
Die Lizler studierten aus Leidenschaft. Wenn sie mal eine Seminararbeit schrieben, dann musste es ganz was Grosses werden. «Das lief dann so ab», erklärt der Lizlümmel: «Ich sagte mir: Wenn ich schon etwas schreibe, dann will ich aber gleich etwas auf Nobelpreis-Niveau. Das wäre aber zu aufwändig. Also gehe ich lieber in die Badi.»
Es gilt als das heimliche Maskottchen der Lizlümmel: Das Riesenfaultier im Zoologischen Museum der Universität Zürich. Und es bekam oft Besuch. Nicht nur von Kindern fantasieloser Eltern an verregneten Sonntagen. Die Liz-Studis besuchten es regelmässig und nahmen sich Zeit für ihr zottiges Wappentier. Die Streichelschäden am Hinterkopf des Faultiers wurden bis vor Kurzem noch regelmässig ausgebessert.