Diana und Leon (Namen geändert) nutzten gemeinsam einen Computer und pflegten daher einen offenen Umgang mit persönlichen Daten. Die E-Mail-Zugänge waren für beide Ehepartner frei verfügbar, denn sie hatten die Passwörter als Gedankenstütze für den Fall des Vergessens auf kleinen Kärtchen notiert, die für beide jederzeit zugänglich in einem Korpus in der Wohnung aufbewahrt wurden.
Eines Tages fiel Diana ein neues E-Mail-Konto auf, das ihr Ehemann eingerichtet hatte. Sie sah, dass das Passwort identisch war mit jenem des gemeinsamen Kontos. Ob sie sich einmal kurz anmelden soll?
Sie fragte einen Bekannten, der sich mit den einschlägigen Gesetzesvorschriften auskennt, und erfuhr, dass sie sich in einer Grauzone bewegen würde. Diana war unsicher und googelte: «Mache ich mich strafbar, wenn ich das Konto meines Mannes anschaue?» Die Antwort der Suchmaschine wusste sie vor dem Bezirksgericht Bremgarten nicht mehr, wo sie sich wegen mehrfachem unbefugten Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem verantworten musste.
Sie landete auf der Anklagebank, weil sie damals der Versuchung nicht widerstehen konnte und sich in Leons Mail einloggte. Dieser wiederum liess sich die Bespitzelung durch seine Gattin nicht gefallen und erstattete Anzeige.
Was Diana auf dem Konto ihres Mannes sah, war für sie ein Schock: «Er stand bereits über längere Zeit mit mehreren Frauen in Kontakt. Ich habe ihn mit seinen Affären konfrontiert, worauf er relativ rasch aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist», erzählte sie vor Gericht. Es folgte eine sehr schwere Zeit mit einem schwierigen Verhältnis zwischen ihr und Leon, wie sie sagte. «Mein Vertrauen in ihn war weg. Wir haben nicht mehr miteinander gesprochen.» Inzwischen leben die beiden schon längere Zeit getrennt, sind aber noch immer verheiratet.
Gerichtspräsident Peter Thurnherr wollte von Diana wissen, weshalb sie ihren Mann nicht gefragt habe, ob sie sein Mail-Konto öffnen dürfe und ob er damit einverstanden wäre. «Nein, bestimmt nicht. Er hätte mir gedroht», meinte die betrogene Ehefrau. Der Gerichtspräsident hakte nach: «Wäre das die Situation gewesen, um doch wieder miteinander zu kommunizieren?» Sie verneinte kategorisch.
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erliess gegen Diana im Februar dieses Jahres einen Strafbefehl und sprach eine Geldstrafe von 9900 Franken (bedingt), eine Busse plus Gebühr und Polizeikosten von rund 4300 Franken aus. Sie sei mehrfach und vorsätzlich unbefugterweise in ein fremdes Datenverarbeitungssystem eingedrungen. Dabei habe sie Daten beschafft beziehungsweise heruntergeladen. «Darunter mindestens 23 Dateien (Bildaufnahmen), welche den Zivil- und Strafkläger und eine junge weibliche Person darstellen», wie aus dem Strafbefehl hervorgeht, gegen den die Beschuldigte Einsprache erhob.
Die Rechtsvertreterin von Leon hielt fest, dass Diana immer wieder ins Mail-Konto ihres Mandanten eingedrungen sei, Mails gelesen, heruntergeladen, Anhänge und Fotos auf ihrem PC gespeichert habe. Dieser Computer, eine externe Harddisk, ein USB-Stick und acht Kärtchen mit Passwörtern wurden übrigens beschlagnahmt.
Dianas Verteidiger beantragte einen Freispruch und die Übernahme der Kosten und Auslagen durch die Staatskasse. Die Staatsanwaltschaft wollte seiner Mandantin Hacking unter Strafe stellen, «doch sie ist keine Hackerin und hat auch keine Passwörter geknackt», betonte der Verteidiger. Vielmehr habe der Kläger sein E-Mail-Konto nicht besonders gesichert und ein bereits vorhandenes Passwort nochmals verwendet. Diana sei per Zufall auf das Konto und die Zugangsdaten des Accounts gestossen, die sozusagen in Form der erwähnten Kärtchen auf dem Präsentierteller lagen.
Im Sinne des Strafbefehls fällte Gerichtspräsident Peter Thurnherr das Urteil, reduzierte allerdings die vom Staatsanwalt beantragte Geldstrafe von 9900 auf 1500 Franken, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die Busse setzte er von 2000 auf 300 Franken herunter.
In seiner Begründung wies er darauf hin, dass normal gesicherte Daten geschützt seien. Durch das ungefragte Eindringen ins E-Mail-Konto ihres Mannes habe sich die Beschuldigte strafbar gemacht. Sie habe sogar Skrupel empfunden, ansonsten hätte sie sich vorgängig nicht über die Rechtslage erkundigt. «Die Unvorsichtigkeit ihres Ehemannes hat sie ausgenützt, wobei sie nur minimale kriminelle Energie an den Tag legen musste. Denn der Zugriff auf das besagte Konto wurde der Beschuldigten leicht gemacht», schloss der Gerichtspräsident. (aargauerzeitung.ch)