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Schule - Bildung

Regel in Egerkingen: Wer kein Deutsch spricht, wird bestraft

Von wegen «wie einem der Schnabel gewachsen ist» – Kein Deutsch in der Pause hat Strafkurs zur Folge.
Von wegen «wie einem der Schnabel gewachsen ist» – Kein Deutsch in der Pause hat Strafkurs zur Folge.
Bild: KEYSTONE

Neue Regeln für Schüler in Egerkingen: Wer kein Deutsch spricht, wird bestraft

Die Primarschule Egerkingen führt Regeln ein, welche sich rechtlich in einem Graubereich befinden. Wer etwa kein Deutsch spricht, wird bestraft.
28.01.2016, 15:0628.01.2016, 16:28
Philipp Felber /&nbsp;Oltner Tagblatt<br data-editable="remove">
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Der Egerkinger Gemeinderat hat an seiner letzten Sitzung Ausführungsbestimmungen zur Schulordnung erlassen. Dies weil der Regierungsrat die Gemeinden in einem Brief im Herbst 2015 in die Pflicht nahm, dass sie ihre Funktion bei der strategischen Leitung der Schulen vermehrt wahrnehmen müssen.

Deshalb sind in vielen Gemeinden sogenannte Ausführungsbestimmungen zu Schulordnungen geschaffen worden, welche den Schulalltag in den Primarschulen und den Kindergärten regeln sollen. In den Bestimmungen sind klare Regeln, welche in der Schule zu gelten haben, aufgeführt. Davon ist in Egerkingen zumindest eine im Graubereich der gesetzlichen Grundlage, wie Gemeindepräsidentin Johanna Bartholdi selbst zugibt.

Deutsch ist zwingend

Das Dokument zeigt vor allem, dass es an der Egerkinger Primarschule offenbar einige Brennpunkte gibt, die der Gemeinderat anpacken möchte. Auffällig der Punkt «Umgangssprache» der Bestimmungen:

«Während den gesamten Schulzeiten und auf dem ganzen Schulareal ist die Umgangssprache Deutsch.»

Der Grund: In einzelnen Klassen haben bis zu 70 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Die Schule verliere auf diese Weise ihre integrative Funktion, wenn sich schlussendlich die deutschsprachigen Kinder anzupassen hätten. Um die Vorgaben durchzusetzen sieht der Gemeinderat besondere Massnahmen vor. Beim ersten Vergehen wird ein mündlicher Verweis ausgesprochen, beim zweiten ein schriftlicher Verweis an die Eltern mit der Androhung auf Anordnung eines kostenpflichtigen Deutschkurses.

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Und beim dritten Verstoss wird dieser kostenpflichtige Deutschkurs à 10 Lektionen für 550 Franken verfügt. «Wir sind hier vielleicht etwas in einem Graubereich», gibt Bartholdi zu. Es sei aber vor allem darum gegangen, mal Klartext zu sprechen. «Es kann nicht sein, dass die Schweizer Kinder ausgegrenzt werden.»

Sensibilisierung übers Portemonnaie

Diese Bestimmungen dann auch durchzusetzen, sei aber mit einem gewissen Augenmass zu regeln. «Ein gewisses Mass an Pragmatismus können wir von den Lehrer erwarten. Es geht vor allem um Situationen, wo von einzelnen Gruppen bewusst gegen die deutschsprachigen Kinder gearbeitet wird», erklärt die Gemeindepräsidentin.

Als Grundlage der Deutschunterrichtsverfügung sieht der Gemeinderat hier den Paragrafen 24 des Volksschulgesetzes. «Wenn wir bei einem ersten solchen Fall die Deutschunterrichtsverfügung erlassen, kommt natürlich eine Rechtsmittelbelehrung hinzu. Und dann lassen wir es mal darauf ankommen.» Zusätzlich werden laut der Verfügung die Eltern zur Kasse gebeten, wenn sie etwa an Elterngesprächen nur über einen Dolmetscher zu kommunizieren in der Lage sind.

«Mit Schulwegfahrten nimmt man den Kindern eine Möglichkeit, sich mit anderen Kinder zu treffen und auf diese Weise auch selbstständig zu agieren.»
Gemeindepräsidentin Johanna Bartholdi

Bartholdi erklärt die Massnahmen mit einer gewissen Empörung, aus der der Gemeinderat gehandelt habe. «Es kann nicht so weiter gehen, dass man das Gefühl hat, das Gemeinwesen kommt für alles auf.» Es könne nicht sein, dass die Gemeinde für die Erziehung, für Dolmetscher oder für zusätzlichen Deutschunterricht aufkomme. Darum müsse man die Eltern sensibilisieren. Und das gehe am besten über das Portemonnaie.

Nicht mit dem Auto in die Schule

Auch in anderen Bereichen des Schulalltags scheint nicht alles so zu laufen, wie es sich der Gemeinderat vorstellt. So lässt etwa die Disziplin der Eltern zu wünschen übrig, wenn es darum geht offizielle Schulanlässe zu besuchen. «Es kommt immer wieder vor, dass Eltern nicht auftauchen, etwa auch bei Elterngesprächen mit der Lehrkraft des eigenen Kindes», erklärt Bartholdi.

Dies soll verhindert werden, in dem klar geregelt wird, dass unentschuldigtes Fernbleiben bei einem solchen Anlass von der Schulleitung mit Disziplinarmassnahmen geahndet werden können. Und diese Massnahmen sehen, auch hier laut Volksschulgesetz, unter anderem auch eine Busse von bis zu 1000 Franken.

Ein weiteres Problem, dass offensichtlich konkret dem Schulalltag entspricht, sind Schulwegfahrten, welche der Gemeinderat unterbinden möchte. «Dies ist schon länger ein Problem in Egerkingen. Vor allem nimmt man den Kindern so eine Möglichkeit, sich mit anderen Kinder zu treffen und auf diese Weise auch selbstständig zu agieren», erklärt Bartholdi. Selbstverständlich seien diese Fahrten nicht verboten, es gäbe immer gute und pragmatische Gründe, warum Eltern ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen. Doch möchte der Gemeinderat diese auf ein Minimum reduzieren.

Gegen Kampfhosen und bauchfrei

An der Egerkinger Volksschule soll ein Klima herrschen, in welchem sich alle wohlfühlen, heisst es in den Ausführungsbestimmungen weiter. Dabei wird konkret auf Mobbing-Situationen eingegangen, die immer wieder, nicht nur in Egerkingen, zu reden geben. Weiter als anderswo geht man aber in Egerkingen neuerdings in der Durchsetzung gewisser Verhaltensregeln.

So findet sich ein konkreter Dresscode, der etwa Kampfhosen, trägerlose Tops oder Oberteile, welche zu tief geschnitten oder den Bauch frei lassen, verboten. Vergehen gegen diese Regelungen werden geahndet. So muss, wer zum zweiten Mal mit nicht dresscode-konformen Kleidern in die Schule kommt, ein von der Schule zur Verfügung gestelltes Oberteil oder Hosen anziehen. «Solche Massnahmen sind auch in anderen Schule üblich», erklärt Bartholdi.

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88 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SVRN5774
28.01.2016 17:24registriert Februar 2015
Ausländerin hier. Ich finde, wer hier in der CH lebt, soll die Sprache lernen (wenigstens Hochdeutsch). Es stimmt wirklich, dass Schweizer manchmal ausgegrenzt werden. KA ob es immer noch so ist, aber damals als ich noch in die Schule ging, war es sogar für manche unterbelichtete Ausländer eine Beleidigung ein Schweizer zu sein.
Es ist überhaupt nicht rassistisch oder fremdenfeindlich, wenn Schweizer denken, dass Ausländer sich benehmen müssen. Mir geht langsam dieses 1. und 2. WK- Denken von bestimmten Leuten auf die Nerven. Wir leben nicht mehr in der Vergangenheit. Lasst Blitze regnen! ⚡️
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Philosoraptor form. Beckham
28.01.2016 16:03registriert August 2015
Im Sprachaufenthalt in Vancouver durften wir auch nur Englisch sprechen. Mussten Znüni oder ä. mitnehmen, wenn wir uns nicht daran gehalten haben. Klar, wir waren etwas älter und wollten die Sprache auch lernen. Aber vom Prinzip her ist es ja dasselbe.
Die Formulierung hätte man vielleicht etwas anpassen können. Weniger Angst vor Ausgrenzung, sondern mehr Erfolg beim Lernen der Sprache :-).
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Wasmeinschdenndu?
28.01.2016 15:47registriert April 2015
Wieso nicht? Erstens sind wir hier in der Schweiz und zweitens verstehe ich nicht wieso man auf Serbisch oder Albanisch sprechen muss auf dem Pausenplatz. Eine gemeinsame Sprache fürdert das Zusammengehörigkeitsgefühl und vereinfacht die Integration.
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