Während die christliche Welt Ostern feierte, erlebte Jemen ein blutiges Wochenende. Bei einer mehrtägigen Operation kamen Dutzende Kämpfer des Terrornetzwerks Al-Kaida ums Leben. Das Innenministerium in der Hauptstadt Sanaa sprach von 55 getöteten Extremisten allein am Sonntag. Der Einsatz im Süden des Landes dauerte von Samstag bis Montag, beteiligt waren US-Drohnen, jemenitische MIG-29-Kampfjets sowie Elitesoldaten.
Unter den Toten befindet sich angeblich einer der meist gesuchten Terroristen: Ibrahim al-Asiri, der gefürchtete Chef-Bombenbauer der Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), wie der Ableger des Terrornetzwerks im Jemen genannt wird. Er soll in der Nacht zum Montag in der Provinz Schabwa bei einem Angriff von jemenitischen Spezialeinheiten auf einen Geländewagen umgekommen sein.
Augenzeugen sagten, sie hätten ein zerstörtes Fahrzeug und drei verkohlte Leichen gesehen. Nach dem Angriff seien die Leichen in einen Helikopter geladen und weggebracht worden. Regierungsbeamte in Sanaa zeigten sich gegenüber der britischen «Daily Mail» zuversichtlich, dass sich al-Aisri unter den Toten befindet. Ein DNA-Test soll den Beweis liefern. Falls sich die Vermutung bestätigt, wäre dies der grösste Erfolg im Kampf gegen islamistische Terroristen seit der Tötung von Osama bin Laden vor drei Jahren.
Der 32-jährige Ibrahim al-Asiri, ein gebürtiger Saudi, war bestrebt, möglichst raffinierte Bomben zu bauen, mit denen er die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen überlisten und Flugzeuge in die Luft sprengen konnte. Er soll die Unterhosen-Bombe konstruiert haben, die der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab an Weihnachten 2009 in einer Passagiermaschine über der US-Stadt Detroit erfolglos zünden wollte. Auch die mit Plastiksprengstoff präparierten Druckerpatronen, die 2010 zwei Frachtflugzeuge mit Ziel USA zum Absturz bringen sollten, gingen auf sein Konto.
Seine Ruchlosigkeit stellte al-Asiri 2009 unter Beweis, als er seinen jüngeren Bruder Abdullah mit einer Bombe im After auf eine Selbstmordmission schickte. Er sollte sich als reuiger Terrorist ausgeben und den für die Terrorbekämpfung zuständigen saudischen Prinzen Mohammed bin Naif töten. Der Anschlag scheiterte: Die Bombe zerfetzte Abdullah, der Prinz wurde nur leicht verletzt.
Die Grossoperation vom Wochenende in Jemen galt jedoch nicht in erster Linie dem berüchtigten Bombenbauer, wie US-Regierungsbeamte erklärten. Ausgelöst wurde sie durch ein neues Video. Es zeigt ein Treffen von rund 100 mutmasslichen Dschihadisten in einem Trainingscamp im jemenitischen Gebirge. Dabei handelte es sich laut dem US-Sender CNN um «die grösste und gefährlichste Al-Kaida-Versammlung seit Jahren».
Als Hauptredner trat Nasir al-Wuhayshi auf, der selber aus dem Jemen stammt und als Nummer zwei des Terrornetzwerks hinter dem Ägypter Aiman al-Sawahiri gilt. Er war einst der Privatsekretär von Osama bin Laden und flüchtete nach der US-Invasion in Afghanistan 2001 in den Iran. Von dort wurde er in seine Heimat ausgeliefert, doch 2006 gelang ihm zusammen mit anderen Al-Kaida-Kämpfern ein spektakulärer Ausbruch aus einem Hochsicherheits-Gefängnis.
Der ungenierte Auftritt von al-Wuhayshi in dem Video, in dem er den «Kreuzrittern» und vor allem den USA mit der Vernichtung drohte, sorgte in US-Regierungskreisen für Konsternation. Offenkundig fühlte sich Washington zum Handeln gezwungen. Nun gibt es Gerüchte, dass sich auch al-Wuhayshi unter den Opfern des Grosseinsatzes befindet. Auch in diesem Fall soll ein DNA-Test für Klarheit sorgen. Dies dürfte erst in einigen Tagen der Fall sein.