Die Organspende soll nach dem Tod automatisch passieren. Ausser, man hat sich zu Lebzeiten dagegen ausgesprochen. Oder die Angehörigen legen nach dem Tod ihr Veto ein. Das sieht die Widerspruchslösung vor, der der Nationalrat am Mittwoch zugestimmt hat.
Die Regierung will damit die Anzahl Organspenden deutlich erhöhen. Rund 500 Organe konnten im Jahr vor Ausbruch der Pandemie von verstorbenen Personen transplantiert werden. So die Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Im selben Jahr standen gut drei Mal mehr Patient:innen auf der Warteliste.
Aber was geschieht genau nach dem Tod einer Person, die ihre Organe spendet? Was wird alles herausgenommen und wie schnell muss es gehen, damit die Organe brauchbar sind? Nach dem Lesen dieser fünf Punkten weisst du Bescheid.
Damit einer verstorbenen Person Organe entnommen werden können, müssen einige Bedingungen erfüllt sein. An erster Stelle: Spender:innen müssen bei Eintritt des Hirntods bereits im Spital sein. «Wenn eine Person zu Hause stirbt, können wir die Organe nicht mehr entnehmen, weil das Herz schon zu lange nicht mehr schlägt und die Organe beschädigt sind», sagt Franz Immer. Er ist Direktor von der Stiftung «Swisstransplant».
«Die Grundbedingung ist, dass die Person noch lebend auf die Notfallstation kommt», sagt Immer. Dann werde sie stabilisiert. Erst, wenn die Ärzt:innen keine Behandlungsmöglichkeiten mehr sähen, um die Person zu retten, würden die Schritte für eine mögliche Organspende eingeleitet.
Dann werde geklärt, ob die Person spenden will und wenn ja, was. Man könne entweder alle Organe und alles Gewebe spenden oder nur ausgewählte.
Sofern die Person einen Organspendeausweis habe oder im nationalen Organspenderegister eingetragen sei, suchen die Ärzt:innen das Gespräch mit den Angehörigen. «Sie informieren sie über den Tod und dass die verstorbene Person Organe spenden möchte», sagt Immer.
Ist der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt, so schreibt das Gesetz vor, dass die Angehörigen stellvertretend im Sinne der verstorbenen Person entscheiden müssen. «Liegt ein Entscheid vor, akzeptieren die Angehörigen diesen mehrheitlich auch.»
Danach fänden Laboruntersuchungen statt um zu prüfen, welche Organe überhaupt noch gesund seien und transplantiert werden können.
Der gesamte Prozess von der Hirntodddiagnose bis zum Abschluss der Organentnahme daure zwischen 12 und 24 Stunden, erklärt Immer. Nach 72 Stunden sei es zu spät.
Von einer verstorbenen Person können maximal acht Spende-Empfänger:innen profitieren, sagt Immer. Dazu gehöre das Herz, die Lunge, zwei Nieren, die Bauchspeicheldrüse, der Dünndarm und die Leber, die man für zwei aufteilen könne – eine erwachsene Person und ein Kind.
Jedoch ist nicht immer alles brauchbar. «Im Schnitt können wir bei verstorbenen Personen 3,4 bis 3,5 Organe brauchen», sagt Immer. Je älter die Person, desto schlechter die Organe.
Es gäbe zwar keine Alterslimite, sagt Immer. «Unser ältester Spender war 88 Jahre alt. Bei ihm konnten wir nur noch die Leber brauchen. Bis 80 Jahre geht vielleicht noch die Niere und bis 75 auch Lunge und Herz», so der Arzt.
Neben Organen kann auch Gewebe gespendet werden: Die Hornhaut, die Gehörknöchelchen, generell Knochen, die Herzklappen, Blutgefässe oder die Haut. Auch dort spiele das Alter und der Zustand des Gewebes eine Rolle.
In der Schweiz starben vor Ausbruch der Corona-Pandemie jährlich rund 67'000 Menschen. Davon seien etwa 350 Personen mögliche Organspender:innen, sagt Immer. Jedoch würden schlussendlich nur von gut 150 Personen tatsächlich Organe entnommen. «Das liegt vor allem daran, dass in mehr als der Hälfte der Anfragen der Wunsch der verstorbenen Person nicht bekannt ist», sagt Immer. Die Angehörigen würden sich oft schwer tun, in dieser Situation einzuwilligen.
Der grösste Teil der Spender:innen erlitt eine Hirnblutung. Der Altersdurchschnitt liegt bei 58 Jahren. Nur ein Viertel seien Unfallopfer, sagt Immer. «Davon sind die meisten mit dem Velo verunfallt oder verletzten sich bei der Arbeit oder beim Sport schwer am Kopf.» Motorradfahrer:innen seien meistens so schwer verletzt, dass man nichts mehr entnehmen könne.
In all den Zahlen sind Personen nicht miteinberechnet, die zu Lebzeiten ein Organ spenden. Diese werden separat behandelt.
Die Organspende dient immer dem medizinischen Zweck. Das heisst, die Organe oder das Gewebe, das entnommen wird, wird bei einer anderen Person transplantiert. Verteilt werden die gespendeten Organe nach Wartelisten, wo dringliche Fälle und Kinder Priorität hätten, sagt Immer.
Die Organ- und Gewebespende hat keinen Zusammenhang mit der Körperspende. «Man kann seinen Körper für Ausbildungs- oder Forschungszwecke spenden aber das tut man bei den anatomischen Instituten», so Immer. Als Organspender:in willige man dieser Körperspende nicht automatisch ein. Das ändere sich auch mit der «Widerspruchlösung» nicht.
Nach dem Tod einer geliebten Person wollen sich die Hinterbliebenen oft verabschieden. Das sei auch nach einer Organspende möglich, sagt Immer. Nachdem die Organe im Operationssaal entnommen worden seien, werde die Wunde verschlossen. «Meistens ist die aber gar nicht sichtbar, weil die Verstorbenen bei der Aufbahrung im Spital ein Nachthemd tragen.»
Jedoch könne es bedeuten, dass die Abdankung etwas später stattfinden müsse, sagt Immer. Vom Moment der Hirntoddiagnostik, bis die Organe zugeteilt und entnommen wurden, verstreichen etwa 24 bis 30 Stunden.
Ein möglicher Kompromiss, dass man sich beim ersten Gespräch mit dem neuen Hausarzt oder bei Beantragung einer neuen ID/eines neuen Passes damit auseinandersetzen soll.
Es gibt sicherlich auch noch bessere Ideen, aber das Ziel muss sein, dass sich so viele Menschen wie möglich entscheiden, ob sie Organe spenden wollen oder nicht und diesen Entscheid auch mittels eines Organspendeausweises festhalten.