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Intercity-Züge sollen bald in Vorstadtbahnhöfen halten

Bund weicht Regel auf: Intercity-Züge sollen bald in Vorstadtbahnhöfen halten

In Aussenquartieren entstehen immer mehr Arbeitsplätze. Nun sollen dort Fernverkehrszüge halten. Der Bund weicht dafür sogar eine Regel auf, die er ursprünglich den Bahnen auferlegt hatte.
17.10.2020, 15:27
Stefan Ehrbar / ch media
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Als «Bauernschnellzug» wird der Interregio von Bern nach Zürich gelegentlich bezeichnet. Er sammelt in Burgdorf, Herzogenbuchsee oder Langenthal Pendler ein und bringt diese nach Bern, Olten oder Zürich. Seit drei Jahren hält er auch in Zürich-Altstetten. Seit dann erlaubt das Bundesamt für Verkehr (BAV) den Halt von Fernverkehrszügen in Vorstadtbahnhöfen. Dagegen gewehrt hatte sich etwa die Berner BLS, die befürchtet hatte, dass ein allfälliger Halt von Fernverkehrszügen in Bern-Wankdorf den Passagierzahlen ihrer S-Bahn schaden könnte.

Der Bund hörte nicht darauf, legte den SBB aber eine Einschränkung auf: Solche Halte seien nur für das Basis-Netz des Fernverkehrs zulässig, also für Interregio-Züge. Verbindungen des Premium-Netzes, also Intercity-Züge, sollten dort weiterhin nicht halten dürfen. Diese Regel wurde letztes Jahr aufgeweicht. Seither hält der IC5 zwischen St. Gallen und Lausanne in Zürich-Oerlikon. Nun geht die Bahn noch einen Schritt weiter.

Jetzt hält sogar der IC1 im Quartier

Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember hält die vielleicht wichtigste Linie der SBB, der IC1 zwischen Genf Flughafen und St. Gallen, in Zürich-Oerlikon. Der Zug gehöre zwar zum Premium-Netz, bestätigt ein Sprecher des BAV. Trotzdem sei der Halt möglich. Eine konsequente Umsetzung der Unterscheidung in Premium- und Basisnetz ist erst später angedacht. Im Gegenzug hält der IC5 neu nicht mehr in Oerlikon.

Dabei bleibt es nicht. Künftig sollen deutlich mehr Fernverkehrszüge in den Agglomerationen halten. Das zeigt die aktuelle Planung der SBB für das Netz in ein paar Jahren, wenn der «Ausbauschritt 2035» umgesetzt ist. In Zürich-Oerlikon sollen dann der IC1, der künftig von Genf Flughafen nicht mehr nach St. Gallen, sondern nach Konstanz respektive Romanshorn fährt, der IC8 von Brig nach Konstanz/Romanshorn sowie fünf Interregio-Linien nach Chur, Basel, Luzern, Schaffhausen und Solothurn halten. In Zürich-Altstetten ist der Halt von drei Interregios geplant (Aarau-Zürich, Basel-Zürich Flughafen und Solothurn-St. Gallen). In Renens VD wiederum sollen drei Interregio-Linien halten.

Zehntausende neue Arbeitsplätze

Weiterhin umkämpft ist hingegen der Halt in Bern-Wankdorf. Dort stehen unter anderem die Hauptsitze der Post und der SBB mit vielen Zugpendlern. Ursprünglich wollten die SBB Fernverkehrszüge in den Stosszeiten dort halten lassen. Daraus wird aber nichts. «Der Halt in Wankdorf ist zurzeit nur durch die S-Bahn möglich», sagt ein Sprecher des BAV. Auch mit dem Ausbauschritt 2035 ändere sich das nicht. Es werde «keine systematischen Halte in Wankdorf geben»: «Der dichte Verkehr vor dem Bahnhof Bern erlaubt keine weitere Verzögerung einzelner Fahrten», so der Sprecher.

Etwas anders tönt es bei den SBB. Auf die Frage, ob die Bahn die Situation in Wankdorf gleich einschätze wie der Bund, sagt ein Sprecher, es liefen derzeit Gespräche mit dem Bund und dem Kanton Bern.

Auch internationale Züge betroffen?

Die SBB könnten sich sogar vorstellen, noch weiter zu gehen. Es sei denkbar, dass künftig internationale Züge an Stadtbahnhöfen halten, sagt ein Sprecher. Es gebe aber noch einen «Zielkonflikt mit der Fahrzeit und dem Reisekomfort».

In diese Richtung gehen auch die Pläne des deutschen Verkehrsministeriums für ein Comeback des «Trans Europ Express». Schon ab 2025 könnte eine Schnellverbindung von Amsterdam nach Rom durch die Schweiz fahren, wie diese Zeitung berichtete. In Basel würde der Zug nicht etwa am Bahnhof Basel SBB, sondern am Badischen Bahnhof Passagiere aufnehmen. Zürich würde gar nicht angefahren, stattdessen soll der Zug in Aarau halten.

Tausende Arbeitsplätze und grosse Quartiere

Die Halte in den Stadtbahnhöfen sind der Überlegung geschuldet, dass dort immer mehr Leute wohnen und in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze entstanden sind. Alleine in den als Zürich-Nord bezeichneten Stadtkreisen 11 und 12 mit dem Bahnhof Oerlikon leben fast 110'000 Menschen, 66'000 arbeiteten dort letzes Jahr. In Zürich-Altstetten sind es 45'000 Beschäftigte und 35'000 Beschäftigte. Renens im Kanton Waadt zählt knapp 20'000 Einwohner, nicht zuletzt die SBB als Immobilienentwicklerin planen dort den Bau grosser neuer Büro- und Wohnüberbauungen.

In Bern-Wankdorf wiederum arbeiten alleine für die SBB, die Post, die Krankenkasse KPT und den Baukonzern Losinger Marazzi etwa 6'700 Menschen. Hunderte weitere Arbeitsplätze befinden sich in unmittelbarer Nähe. Für die Beschäftigten dort heisst es allerdings vorerst weiter, jeden Morgen S-Bahn zu fahren. Dabei wäre in Wankdorf der Halt eines Fernverkehrszugs besonders nötig. Das zeigt sich auch am Übernamen, den einige Pendler der morgendlichen, überfüllten S-Bahn vom Bahnhof Bern zum Wankdorf gegeben haben: «Tokyo-Express». (bzbasel.ch)

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52 Kommentare
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crik
17.10.2020 15:57registriert Dezember 2016
"Dagegen gewehrt hatte sich etwa die Berner BLS, die befürchtet hatte, dass ein allfälliger Halt von Fernverkehrszügen in Bern-Wankdorf den Passagierzahlen ihrer S-Bahn schaden könnte."

Ein wunderschönes Beispiel, dass in manchen Bereichen des Service Public Privatisierungen einfach keinen Sinn ergeben. Kundennutzen spielt keine Rolle mehr, sobald der Umsatz des einzelnen Unternehmens tangiert wird.
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Beat_
17.10.2020 16:10registriert Dezember 2018
Schon nur, um die vorhandene Infrastruktur otpimal zu nutzen, sollten die Züge in den "Vorstadtbahnhöfen" anhalten.
Da wird immer wieder festgestellt, dass die Kapazitäten in den Zentrumsbanhöfen knapp sind, und mit einfachen Massnahhmen wie Halt ein paar Kilometer vorher, um die betroffenen eIn- und vor allem aussteigen zu lassen erachte ich als sehr sinnvoll und wirksam, um die Zentren zu entlasten.
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benn
17.10.2020 17:58registriert September 2019
Steht nicht der nutzen für den kunden im vordergrund anstatt das dumme gezanke zwischen sbahn und sbb?
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Darum haben die SBB jetzt einen grünen Sekunden-Zeiger

Die SBB wollen grüner werden. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2018 halbiert werden. Ausserdem sollen die Züge so bald wie möglich nur noch mit erneuerbarer Energie fahren. Damit dies gelingt und die Bahn, neben dem Langsamverkehr, das klimafreundlichste Verkehrsmittel bleibt, laufen mehr als 200 Nachhaltigkeitsprojekte.

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