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Kleinkredit als Schuldenfalle: Aggressive Werbung soll verboten werden

Vor allem junge Erwachsene verschulden sich mit Kleinkrediten.
Vor allem junge Erwachsene verschulden sich mit Kleinkrediten.Bild: Shutterstock
Nationalrat stimmt zu

Kleinkredit als Schuldenfalle: Aggressive Werbung soll verboten werden

Durch das Verbot von aggressiver Werbung für Kleinkredite soll die Gefahr der privaten Verschuldung eingedämmt werden. Für die Caritas Schweiz gehen die geplanten Anpassungen in die richtige Richtung, aber noch lange nicht weit genug.
08.05.2014, 08:1523.06.2014, 17:51
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Laut einer Studie des Bundesamtes für Statistik (BfS) lebten im Jahr 2008 in der Schweiz 570'000 Personen in einem Haushalt mit erheblichen Kontoüberzügen oder Zahlungsrückständen. Doch wie kommt es hierzulande zu Verschuldungen? Den Hauptgrund liefern laut Jürg Gschwend, Leiter der Fachstelle Schuldenberatung der Caritas Schweiz, die Steuern, die ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung nicht zahlen kann. Laut dem BfS ist rund jede elfte Person in der Schweiz mit den Steuerzahlungen in Verzug. 

Den zweithäufigsten Grund für die Verschuldung von Privatpersonen liefern die Krankenkassenprämien. Vor allem Personen mit einem niedrigen Einkommen können diese oft nicht zahlen. Die vom Bundesrat angestrebte Grenze von maximal acht Prozent des Einkommens wird oft überschritten: Laut Gschwend liegen die Krankenkassenprämien teilweise bei bis zu 14 Prozent des Einkommens.

Am häufigsten verschulden sich junge Erwachsene bis hin zum Alter von 49 Jahren. Anschliessend gebe es einen deutlichen Knick, erklärt Gschwend: «Ab 50 geht die Zahl der Verschuldeten zurück, da in diesem Alter die finanziellen Verpflichtungen in der Familie abnehmen.»

Nationalrat stimmt für ein Verbot aggressiver Werbung

Ist das Geld weg, kommt nicht selten der Konsumkredit ins Spiel: «Für Leute, die unter finanziellem Druck stehen, ist es dann natürlich verlockend, einen solchen abzuschliessen, um dennoch weitere Anschaffungen finanzieren zu können», so Gschwend. 

Der Nationalrat will aggressive Werbung für Kleinkredite verbieten, um insbesondere Jugendliche vor Verschuldung zu schützen. Er hat am Donnerstag eine entsprechende Gesetzesvorlage gutgeheissen. Was aggressive Werbung ist, legt das Gesetz allerdings nicht fest. Der Nationalrat setzt auf Selbstregulierung: Die Kredit-Branche soll selbst definieren, was genau verboten ist. Das Gesetz legt lediglich fest, dass für Konsumkredite nicht in aggressiver Weise geworben werden darf. 

Stimmt auch der Ständerat zu, muss die Branche in einer Konvention umschreiben, was unzulässig ist. Kommt innerhalb angemessener Frist keine Einigung zustande, legt der Bundesrat fest, was unter das Verbot fällt. Wer gegen die Regeln verstösst, soll mit einer Busse bis zu 100'000 Franken bestraft werden.

Nein sagte der Nationalrat  zu Verschärfungen bei Expresskrediten, die rasch zurückgezahlt werden müssen. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten vergeblich, hier gebe es eine Gesetzeslücke.

Der Nationalrat ist weitgehend den Vorschlägen der Wirtschaftskommission gefolgt und hat auch Verschärfungen bei der Kreditfähigkeitsprüfung beschlossen. Nach geltendem Recht muss die Kreditfirma einzig bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Konsumenten deren Richtigkeit überprüfen. Neu soll sie generell Unterlagen einfordern können; etwa einen Auszug aus dem Betreibungsregister oder einen Lohnnachweis. Dazu verpflichten wollte der Nationalrat die Kreditfirmen aber nicht, einen entsprechenden Antrag lehnte er ab. 

Für die Caritas geht der Entwurf nicht weit genug

«Kommt eine Scheidung dazwischen, ist es illusorisch zu denken, dass man den Kredit dann noch zurück zahlen kann.»

Für Jürg Gschwend von der Schuldenberatung der Caritas geht der Entwurf zunächst einmal in die richtige Richtung. Werbung für Kleinkredite sei deshalb problematisch, weil suggeriert werde, dass es sich bei den Krediten um eine «sichere Sache» handle. Die häufig erwähnte «Ratenversicherung» habe aber nur eine begrenzte Wirkung: Ein finanzieller Ausfall aufgrund einer Trennung oder Scheidung sei beispielsweise nicht versichert. «Die durchschnittliche Laufzeit von Krediten beträgt mehr als vier Jahre. Keiner weiss jedoch, wie die eigene Lebenssituation in drei bis vier Jahren aussieht. Kommt eine Scheidung dazwischen, ist es illusorisch zu denken, dass man den Kredit dann noch zurück zahlen kann», erklärt Gschwend.

Dennoch zeigt man sich bei der Caritas kritisch gegenüber dem konkreten Gesetzesvorschlag und die darin enthaltene Idee der Selbstregulierung: «Die Branche profitiert von den Kreditgeschäften und nun soll sie sich selbst beschränken – das ist doch ein Widerspruch.» Die Caritas plädiere für ein analoges Verfahren wie in der Tabakindustrie: Der Gesetzgeber müsse klar entscheiden, was erlaubt ist und was nicht und müsse auch die Sanktionen durchsetzen.

«Wir zweifeln stark daran, dass das zu diesem Zeitpunkt geplante Verfahren dem Ziel der Schuldenprävention dient. So erscheint die Sanktionierung selbst mit einer Busse in Höhe von maximal 100'000 Franken mehr als fraglich, wenn man bedenkt, dass die Kreditinstitute Gewinne in Höhe von mehreren Millionen machen», argumentiert Gschwend weiter. Zugespitzt formuliert könnten die Banken solche Beträge quasi aus der Portokasse zahlen. Die Caritas Schweiz begrüsst zwar das Vorhaben des Gesetzgebers, präventiv gegen die Privatverschuldung vorzugehen, «die neuen Bestimmungen reichen allerdings nicht aus, dieses Ziel zu erreichen.» 

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