Die Einvernahme der drei Angeklagten im Kaufleuten-Mordprozess brachte heute wenig Klärung in den Fall. Richter Heimann musste sich von den Beschuldigten drei verschiedene Versionen der Tatnacht anhören, seine Frage danach, wer der Lügner im Raum sei, einer müsse es ja schliesslich sein, blieb unbeantwortet.
Für Staatsanwalt Michael Scherrer hingegen, der am Nachmittag als erster sein Plädoyer vorträgt, ist der Fall klar: «Wir haben hier die Chronik eines angekündigten Mordes.» Bereits die erste Auseinandersetzung vor dem Kaufleuten sei von Shivan M., der schon im Club mit seinem aggressiven Verhalten aufgefallen sei, ausgegangen.
Als Shivan M. dann «etwas Prügel» kassiert habe, habe er wegen seines verletzten Macho-Stolzes und seines ramponierten Egos den Racheakt geplant und die Tat schliesslich brutal und skrupellos ausgeführt, sagte Scherrer. Er habe egoistisch und aus nichtigem Anlass gehandelt. Deshalb, und auch weil das Gutachten dem Angeklagte volle Schuldfähigkeit attestiere, sei die Tötung als Mord zu qualifizieren.
Auch bei den angeklagten Mittätern S. H. und M. M. sieht Scherrer nach der Einvernahme keine mildernden Umstände. S. H. sei der Gehilfenschaft zu Mord und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu verurteilen – unbedingt.
H. habe Shivan M. die Tatwaffe zweifellos übergeben. «Hätte Shivan M. bereits ein Messer im Auto gehabt, hätte er seine Tat gleich ausgeführt», sagt der Staatsanwalt. Das wäre auch möglich gewesen, denn «die Sicherheitskräfte mussten sich ja bereits wieder anderen Aufgaben zuwenden», so Scherrer.
Für M. fordert der Staatsanwalt 14 Monate Haft – wegen Begünstigung zu einem Tötungsdelikt. M. sei ein notorischer Lügner. Er wisse genau: Eine Aussage zum Nachteil von H., der ja noch auf freiem Fuss sei, würde dessen Zorn auf ihn und allenfalls Racheakte nach sich ziehen, deshalb belaste er mit seinen Erklärungen über die Tatwaffe Shivan M. Staatsanwalt Scherrer: «Das ist verlogen und heimtückisch.»
Martialischere Worte schwingt der Anwalt des Privatklägers Visar M., David Gibor, in seinem Plädoyer: «Es ging dem Täter nicht darum, zu schlichten, sondern zu vernichten – mit dem einzigen plausiblen Motiv der Rache.» Dass der Beschuldigte nach der ersten Auseinandersetzung zum Kaufleuten zurückgekommen sei, um zu schlichten, sei eine abstruse Schutzbehauptung, und zeige, dass keine echte Reue vorhanden sei. «Diese Erklärung ist hohl und logikfern», so Gibor. «Er kam nicht zurück im Sinne eines Schlichters, sondern eines Schlächters.»