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Briefe von der Heimatfront

Schweizer kommen von der Venus, Deutsche vom Mars 

Briefe von der Heimatfront (11)

Schweizer kommen von der Venus, Deutsche vom Mars 

04.04.2014, 17:0408.04.2014, 17:37
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Wieder mal hat es arg gerumpelt im deutsch-schweizerischen Verhältnis, nämlich durch den Besuch Joachim Gaucks. Kaum hatte sich der deutsche Bundespräsident an den Grenzkontrollen und Kontingentregelungen vorbeigeschummelt, hielt er, eingedenk alter DDR-Zeiten, eine flammende Rede an die Schweizer. Sie lebten letztlich in einer Diktatur, einer Diktatur der direkten Demokratie; kapselten sich kulturell und wirtschaftlich von den Nachbarn ab, entwickelten sich zu einem Nordkorea auf europäischem Boden: Leid und Kindertränen seien die logischen Folgen. Zwar sei auch die DDR letztlich irgendwie direktdemokratisch abgewählt worden, das sei aber nicht vergleichbar, weil in der Schweiz immer noch zu wenig couragierte Bürgerrechtspfarrer herumwuselten, und wenn doch, dann würden sie nicht eingesperrt. Die Schweiz sei somit als Unrechtsstaat leider noch nicht ernst zu nehmen. «Tear down this wall!», so schrie er noch ein paar Mal, bevor er mit dem Gauckomobil zurück ins Demokratenschloss Bellevue fuhr. 

«Hätte sich Gauck mal an die schwäbische Industrie- und Handelskammer gewandt!»

Viel Kritik gab es an Gaucks Auftritt, der von wenig Kenntnis der kulturellen Unterschiede zeugte. Hätte er sich mal an die schwäbische Industrie- und Handelskammer gewandt! Die nämlich verbreitet unter dem Titel «Deutsche und Schweizer – zwei Kulturen im Alltag und im Geschäft» ein Papier, das alle Unterschiede indirekt auf eine einfache Formel bringt: Schweizer kommen von der Venus, Deutsche vom Mars, oder, noch einfacher: Schweizer sind eher weiblich, Deutsche eher männlich geprägt. 

Während Deutsche im Gespräch vor allem an der «Sachebene» interessiert seien, lebten Schweizer mehr auf der «Beziehungsebene», bauten auf «Gefühle», «Höflichkeit», «Anstand». Dagegen wollten Deutsche «Gedanken», «Erfahrungen» und «Sinn» kommunizieren, was Schweizern bekanntlich fernliegt. Das drückt sich auch in der Sprache aus: Deutsche lieben den Imperativ, Schweizer sagen «bitte» und «danke»; Deutsche neigen eher zum Monolog, Schweizer zum Dialog. Von zu langen deutschen Monologen, so der Autor, fühlten sich Schweizer «leicht erschlagen» – für den grandiosen Redenschwinger Gauck ein echtes Problem! Ausserdem: «Das Hochdeutsche ist mehr im Kopf, das Schwyzerdeutsche kommt mehr aus dem Bauch.» Emotion und Verstand sind klar verteilt, wie in einer guten Ehe: Während der Mann am Lenker sitzt und sich auf die Routenplanung konzentrieren möchte, will die Frau die ganze Zeit über gemeinsame Bekannte lästern. Und wie in der Ehe kann die Stimmung schnell kippen, weil «ein Satz auf Hochdeutsch in Schweizer Ohren härter wirkt und auch eher als aggressiv empfunden wird». Schnell gibt es Geschrei, dann wird stundenlang geschmollt, und der gemeinsame Urlaub ist ruiniert. 

Dabei wäre all dies so leicht zu verhindern! Das nächste Mal sollte Gauck, mit der schwäbischen Studie im Gepäck, die Schweiz erst mal zu einem romantischen Candlelight-Dinner einladen und sie dann zum Tanzen ausführen. Sachthemen jedoch bitte erst ab dem dritten Date!

Leo Fischer
Der ehemalige Chefredaktor vom Satiremagazin «Titanic» schreibt jede Woche einen «Brief von der Heimatfront». Er liefert den deutschen Invasoren in der Schweiz Schlachtpläne, wie sie die deutsche Dominanz in den Universitäten oder dem Gesundheitswesen noch stärker durchsetzen und festigen können. Er wird aber auch seinen Landsleuten mit ordentlich Humor grob aufs Dach hauen.



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