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Briefe von der Heimatfront

Warum Schweizer kein Bier trinken sollten

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Briefe von der Heimatfront

Warum Schweizer kein Bier trinken sollten

25.04.2014, 17:2116.06.2014, 11:57
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Der 25. April ist der Tag des Schweizer Bieres, ein seltener und wenig erforschter Feiertag, dessen Ursprünge im Nebel der Zeit verloren gegangen sind, ähnlich Fronleichnam, dem britischen Tag der Zahnhygiene oder dem großen FKK-Wochenende der Vereinigten Arabischen Emirate. Ein Feiertag, der gleichwohl nötig ist: Kaum ein Deutscher könnte auf Anhieb eine Schweizer Biersorte benennen, geschweige denn trinken, und die schweizerische Bierwirtschaft, so zeigt's die Kollegin, arbeitet nicht nur unter den Bedingungen der hawaiianischen Skisportindustrie, sondern demonstriert darin zugleich zentrale helvetische Tugenden – Zärtlichkeit fürs verschwindend Kleine, Einsiedlermentalität, Beharren im Angesicht des Absurden. Man verstehe mich nicht falsch: Es ist gut und richtig, dass sich die Schweiz diesen Luxus leistet; wie man ja auch versucht hat, mit dem Zürcher Hafenkran ein mit dem Berliner Flughafen vergleichbares Grossbauprojekt zu initiieren – dann aber, man kommt eben nicht aus seiner Haut heraus, trotzdem pünktlich fertig wurde.

Nein, das Schweizer Bier ist deshalb zu einer Nischenexistenz verdammt, weil es dem Schweizer Wesen einfach nicht entspricht. Der Schweizer ist nämlich ganz einfach kein Biertrinker, sondern – Schnapstrinker. Bier ist in seiner Wirkung einfach etwas sehr Deutsches: Ewige Zeit brütet man dumpf vor sich hin, konsumiert apathisch, um dann, wenn das Mass voll ist, plötzlich durchzudrehen, nur mehr Freund und Feind zu unterscheiden; sich entweder tränenreich verbrüdert oder lachhaft begründeten Zank anfängt – bis man schliesslich, Opfer des eigenen Übermuts, zerschlagen am Boden liegt. Und Penisse ins Gesicht gemalt bekommt.

Schnaps hingegen führt die Menschen nach oben! Es ist zwar anstrengend, oft unwegsam, viele Pausen müssen gemacht werden, doch geht es munter aufwärts. Die Welt wird immer kleiner, der Himmel immer blauer – bis endlich die Gipfel von Transzendenz, Schönheit und innerem Seelenfrieden erreicht sind. Unter Einfluss von Schnaps verwandeln sich Schweizer, ich war vielfach begeisterter Zeuge, in seltsame Fabel- und Feenwesen, tänzelnde Berg- und Waldgeister, die mit der Wendigkeit des Steinbocks ganze Treppen überspringen und sich mit der Urgewalt eines Bergquells in die Badewanne übergeben. Ein beispielloses Naturschauspiel! Das Bier, das die Schweizer zu solchen Höchstleistungen führt, muss erst noch gebraut werden.

Leo Fischer
Der ehemalige Chefredaktor vom Satiremagazin «Titanic» schreibt jede Woche einen «Brief von der Heimatfront». Er liefert den deutschen Invasoren in der Schweiz Schlachtpläne, wie sie die deutsche Dominanz in den Universitäten oder dem Gesundheitswesen noch stärker durchsetzen und festigen können. Er wird aber auch seinen Landsleuten mit ordentlich Humor grob aufs Dach hauen.



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11 Kommentare
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Der Ort, an dem die Frauen baggern
Ich war für ein Wochenende in Davos und habe eine kleine Analyse und eine Nummer für euch mitgebracht.

Wer in Zürich jemanden kennenlernen will, so im echten Leben, in einer Bar oder einem Club, ich rede hier nicht von den ganz verrückten Dingen, die nur in Filmen passieren, wo sich Leute am helllichten Tag auf dem Trottoir kreuzen und so verzaubert sind, dass sie umdrehen und einander auf der Stelle ehelichen, nein, ich rede hier vom billigbanalen, promillebedingten Ansprechen an Orten, wo man sich kaum sieht und hört, davon rede ich, und auch das passiert in Zürich nie. Mir nicht, meinen Freundinnen und Freunden nicht und dir ganz bestimmt auch nicht. Ausser vielleicht, du siehst aus wie Jennifer Lawrence. Aber wer sieht schon aus wie Jennifer Lawrence? Eben.

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